Gibt es einen Kampf der Kulturen?
Nach dem Untergang des Kommunismus in Osteuropa fragten sich viele Intellektuelle, wie die Weltgeschichte weitergehen würde. Der Politikwissenschaftler Francis Fukuyama löste eine reghafte Debatte aus, als er in seinem Buch „Das Ende der Geschichte“ eben dieses prophezeite, jedoch schnell vom ungleich spektakulären „Kampf der Kulturen“(Clash of Civilizations) abgelöst wurde. Und tatsächlich: Nicht mal Nostradamus hätte falscher liegen können mit Fukuyamas Vorhersage.
Die aktuellen politischen und gesellschaftlichen Vorgänge bedienen die Theorie vom „Kampf der Kulturen“ mehr als einem lieb sein kann. Nach dem 11.September 2001 ist der „Zusammenprall“ der westlichen Kultur mit der islamischen tief in unser Bewusstsein eingebrannt- ob im Irak, Afghanistan oder in europäischen Vorstädten, überall prallt offenbar der Westen mit dem Islam zusammen. Aber: Meiner Meinung nach gibt es weltweit betrachtet keinen Kampf der Kulturen. Denn die Wahrheit ist: Wir erleben aktuell nicht einen gegenseitigen Kampf der verschiedenen Kulturkreise- des islamischen, des westlichen, des asiatischen und des afrikanischen- sondern lediglich eine Zeit der Aggression des islamischen Kulturkreises.
Davon betroffen ist der westliche Kulturkreis genauso wie der hinduistische (Massaker zwischen Hindus und Moslems in Indien) und der afrikanische (so z.B. im Sudan und in Nigeria) und teilweise sogar der asiatische (in einigen südostasiatischen Ländern). Die Theorie vom „Kampf der Kulturen“ geht aber davon aus, dass jeder einzelne Kulturkreis sich „vereinigen“ würde und es dann sogar zu Konflikten zwischen den Hispanics und den einheimischen Amerikanern in den USA kommen könnte, da diese nach Huntingtons Vorhersagen die Macht übernehmen wollen könnten, wenn sie einen größeren Anteil der Bevölkerung stellen. Diese Befürchtung ist meiner Meinung nach vollkommen unbegründet.
Kampf der Systeme statt Kampf der Kulturen
Sicher gibt es auch Tendenzen in anderen Kulturkreisen, die ihre Kultur über alle anderen stellen wie in der islamischen Welt, so z.B. bei christlichen Fundamentalisten, radikalen Hindu-Bewegungen oder chinesischen Weltherrschaftsplänen. Aber diese sind entweder sehr klein oder nicht repräsentativ für den „Kulturkreis“, wie z.B. der Kommunismus in China, der wohl kaum die „chinesische Kultur“ wiederspiegelt. Es gibt praktisch keine Gefahr für den Westen durch die anderen Kulturkreise der Welt. Wenn sich in einem Kulturkreis Demokratie und Menschenrechte durchgesetzt haben, gibt es auch keine Probleme mit anderen Kulturkreisen. Demokratie und Menschenrechte sind aber kein „Kulturkreis“, sondern können sich überall verbreiten.
Staaten wie Japan, Südkorea oder Taiwan sind nicht westlich, haben aber denselben demokratischen Standard erreicht wie sie. In vielen Ländern, die man als „westlich“ bezeichnen kann, sind bis heute autoritäre Regierungen an der Macht, wie z.B. in Russland und Venezuela. Wirklich demokratische Staaten gibt es erst seit den 1960er und 1970er Jahren, seitdem auch Frauen, Homosexuelle und andere Minderheiten gleichberechtigt leben können. Weltgeschichtlich betrachtet ist das ein Katzensprung. Den Übergang zur Demokratie können die muslimischen Länder auch schaffen, selbst wenn es noch eine Weile dauern könnte. Und es geht ja nicht nur um die muslimischen Länder, auch in China, Nordkorea, Myanmar oder Simbabwe muss eine Demokratisierung stattfinden.
Ein „Ende der Geschichte“ wäre das Beste, was der Menschheit je passieren könnte. Und es wird eines Tages kommen. Wer will leugnen, dass sich die Demokratie und freie Marktwirtschaft nicht eines Tages tatsächlich in der gesamten Welt durchsetzen werden? Ich denke, es ist nur eine Frage der Zeit. Auch wenn die Historiker dann nichts mehr zu schreiben hätten.
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