Bolivien: „La misma historia“

Die bolivianische Flagge

Die Copa America in Argentinien läuft schon seit zwei Wochen, aber für mich ist sie schon jetzt ein bisschen enttäuschend ausgefallen. „Ein bisschen“, weil ich zwar nur wenig Hoffnung hatte, aber eben doch ein bisschen. Für wen? Na, Bolivien natürlich. Ich bin dort nämlich migrationshintergründig, und das verpflichtet mich als Fußballfan zum „Mitfiebern“.

Trauer, Wut, Enttäuschung?

Als ich nach dem Aufwachen sofort den Computer aufmachte, um zu sehen, wie das Spiel ausgegangen war, hatte ich den Grundsatz im Kopf: Keine Hoffnung, keine Enttäuschung. Daran änderte auch das erste Ergebnis nichts: Bolivien hatte in Argentinien (!) gegen ihre erste Elf (!) in einem offiziellen Turnier (!) ein Unentschieden rausgeholt (!) und dabei mehr als 20 Minuten in Führung gelegen (!), mit einer vergebenen Chance auf das 2:0 (!) – eine Menge Gründe, um davon auszugehen, dass dieses Team die U-22-Mannschaft von Costa Rica besiegen könnte. Aber das war mir einfach nicht genug. Wir hatten ja schon mal Maradonas Elf mit 6:1 besiegt, nur um dann gegen Venezuela zu verlieren. Zum Glück bin ich tatsächlich dabei geblieben, denn meine „Schwarzseherei“ sollte sich bewahrheiten. Die „Ticos“ besiegten uns 2:0 und vernichteten damit alle Hoffnungen auf ein bisschen Ruhm für Bolivien, ein Land, dass man höchstens für den Koka-Anbau und den Inkas kennt. Die nächste Niederlage gegen Kolumbien (0:2) war zumindest weniger schmerzvoll.

In Bolivien nennt man das dann gewöhnlich „la misma historia“ (dieselbe Geschichte): „jugamos como nunca y perdimos como siempre“ (wir spielten wie nie und verloren wie immer).

Fußball und Volksstimmung

Bolivien gehört geografisch zu Lateinamerika. Den Menschen dieser Region sagt man nicht zu Unrecht nach, dass sie öfter gut gelaunt wären als z.B. Deutsche (wobei das nicht sonderlich schwer ist). Die wichtigsten Dinge, die in Lateinamerika für gute Laune sorgen, sind eine schier unendliche Anzahl von Volkstänzen und Volksgerichten – aber mindestens ebenso wichtig ist der Fußball. Deswegen ist ja Brasilien das Land, das als besonders feierlaunig gilt. Wie wirkt sich nun der ständige Misserfolg im Fußball auf die Stimmung der Bolivianer aus?

Nun, ich kann sagen, dass dieses Land im Moment sowieso viele andere Probleme bewältigen muss, die sich seit dem Regierungsantritt des sozialistischen “Cocalero” Evo Morales (der übrigens ein großer Fußballfan ist und in allen drei Spielen anwesend war) verschärft haben, wie z.B. die Autonomiebewegung im Osten. Aber dennoch hat Fußball einen bedeutenden Einfluss auf die Stimmung der Nation: Viele, ja fast alle, hatten nach dem Spiel gegen Argentinien große Hoffnungen auf einen Sieg gegen Costa Rica gehabt. Diese Hoffnungen entpuppten sich als grausame Illusionen.

Als Sinnbild für den bolivianischen Fußball kann man diese Szene betrachten. Boliviens Fußballer bewirken im Land Trauer, Wut und Enttäuschung. Das genaue Gegenteil des FC Barcelona. Nach der historischen Saison, die die Mannschaft 2007/08 gespielt hatte, stieg die Geburtenrate in der Stadt um 45%.

Nun, zum Glück gibt es da noch die „Mannschaft“. Aber hier haben wir das Phänomen: Wir sind schon so sehr an Erfolg gewöhnt, dass nur noch Titel zählen – ein weiterer potenzieller Faktor für schlechte Laune. Die gibt es in Deutschland aber auch grundlos. Wir sind humorlose Organisationstalente, die Lateinamerikaner humorvolle Chaoten …

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