Antibroderismus

Henryk M. Broder (Bild: Sven Teschke)

Henryk M. Broder (Bild: Sven Teschke)

Die schrecklichen Attentate von Oslo und Utoya haben zwei Dinge ans Tageslicht gebracht: Erstens die traurige Einsicht, dass es wahnsinnigen Terror auch in dem friedlichsten Land der Welt geben kann und zweitens, dass die Medien nicht nur nicht davor zurückscheuen, Erdbeben und Tsunamis für ihre Zwecke zu instrumentalisieren, sondern auch terroristische Attentate.

Im Manifest des norwegischen Terroristen wurde Henryk M. Broder in einem Nebensatz erwähnt, indem er mehr oder weniger scherzhaft den jungen Europäern den Rat gab, aus Europa auszuwandern, um nicht die Probleme miterleben zu müssen, die auf Europa zusteuern (ich bin aber gerade vor 11 Jahren nach Europa gekommen und glaube noch an diesen angeblichen Kontinent, der in Wirklichkeit ein Teil Asiens ist).

Außerdem zitiert Breivik noch einen Auszug von Broders Bestseller Buch „Hurra, wir kapitulieren!“:

Objectively speaking, the cartoon controversy was a tempest in a teacup. But subjectively it was a show of strength and, in the context of the ‘clash of civilisations,’ a dress rehearsal for the real thing. The Muslims demonstrated how quickly and effectively they can mobilise the masses, and the free West showed that it has nothing to counter the offensive—nothing but fear, cowardice and an overriding concern about the balance of trade. Now the Islamists know that they are dealing with a paper tiger whose roar is nothing but a tape recording.

(Quelle)

Das Buch habe ich gelesen und in meinem Blog empfohlen.

Dass Broder mit seinen Aussagen natürlich nicht Massenmord rechtfertigt, dürfte jeden klar denkenden Mensch einleuchten. Breivik ist ein antimuslimischer und antikommunistischer Rassist, er findet alles toll, was irgendwie den Islam (oder den Kommunismus) kritisiert. Das bedeutet aber nicht, dass jede Form von Islamkritik theoretisch als Inspiration zu Massenmord dienen kann. Denn dass es gewisse Dinge im Nahen Osten gibt, die man kritisieren muss (in Saudi-Arabien dürfen Frauen nicht Auto fahren, im Iran werden Homosexuelle hingerichtet, in Pakistan droht bei „Blasphemie“ die Todesstrafe), ist ja wohl keine rassistische Ansicht.

Mit derselben Logik könnte man linken Intellektuellen wie Michael Moore oder Noam Chomsky eine Mitschuld für den islamistischen Terror geben, immerhin sagte Osama bin Laden in einer Videobotschaft: „Noam Chomsky was correct when he compared the U.S. policies to those of the Mafia“ und die Hisbollah wollte Michael Moores Film „Fahrenheit 9/11“ unterstützen.

Der islamistische Terror hat nicht nur im Nahen Osten, sondern auch in der westlichen Welt deutlich mehr Todesopfer gefordert als der rechtsextreme Terror. In Spanien gab es im letzten Jahrzehnt sicher hunderte Attentate der baskischen Untergrundorganisation ETA, aber ihnen sind zusammengerechnet viel weniger Menschen zum Opfer gefallen als den Anschlägen von Madrid im Jahr 2004, in Großbritannien forderten die Londoner Anschläge im Jahr 2005 ebenfalls mehr Todesopfer als alle Terrorakte von irischen Organisationen und in den USA waren die Anschläge vom 11. September, Fort Hood und anderen auch blutiger als die von Latinos, Kommunisten, Juden und Linksradikalen, auch wenn oft was anderes behauptet wird. Nach 9/11 waren 186 von 228 wegen Terrorismus angeklagte Personen Muslime.

Wenn man Broder also eine Mitschuld für Breiviks Taten geben will, dann müssten Chomsky und Moore längst eine lebenslange Freiheitsstrafe absitzen. Weder Broder noch Chomsky oder Moore tragen eine Mitschuld an terroristischen Attentaten, Schuld sind immer nur die, die solche Taten begehen oder ausdrücklich fordern. Islamistische Terroristen mögen dieselbe Meinung zu den USA und Israel haben wie einige linke Intellektuelle, aber sie sind deshalb noch lange nicht mitverantwortlich für den islamistischen Terror.

Man kann Broder ja ruhig kritisieren und dabei harte Worte benutzen („Katholiban„, „Brobaganda“ und sogar „Endlöser der Muslimfrage“ hat man ihn schon genannt), aber ihm vorzuwerfen, einen Massenmörder für seine Tat inspiriert zu haben, ist wirklich der Tiefpunkt. Im „Transatlantikblog“ heißt es, dass der Oslo-Attentäter „auch von Henryk M. Broder motiviert war„. Bei „Turkishpress“ erklärt man ihn zum geistigen Brandstifter:

Wilders, Sarrazin und Broder mitsamt der Euterclique (gemeint sind Seyran Ates, Necla Kelek, Güner Balci, Cigdem Toprak) können Stolz darauf sein, diese Brut mit ihrer “Streitkultur” aufgezogen und gehätschelt zu haben, die im Namen der Freiheit, der christlich-demokratischen Nächstenliebe, alle “Gutmenschen”, Linke, Liberale und Muslime die nicht mit dieser kranken Gedankenwelt d’accord sind, zur Zielscheibe manifestiert haben. Das was in Oslo passierte, ist einzig auf das Konto dieser angestoßenen “Schicksalsfrage” zuzuschreiben, die durch Kleingeister genährt und in ihrer Überzeugung bestätigt wurden.

Der türkische Blogger „Fareus“ konnte seine Schadenfreude kaum verbergen und schrieb: „Gratulation an Herrn Broder und den Medien die diesen Mann eine Plattform bieten“ – ganz so, als ob Broder jemals zu Gewalt gegen Muslime aufgerufen hätte. Er veröffentlichte dazu noch ein „Who is who der islamophoben Szene“, in der er allen, die bei Anders Breiviks Dokumenten erwähnt wurden, eine Mitschuld für die Bluttat gab (ok, nicht alle: es fehlten Winston Churchill, Max Manus, klassische Musik und World of Warcraft). Henryk M. Broder wird als „Schwertspitze im Kampf gegen den Islam“ und Israel als „der gemeinsame Schnittpunkt aller Islamophoben“ beschrieben. Schlimmer kann man den Vorfall in Norwegen nicht ausschlachten.

Broder ist nicht islamophob oder rassistisch

Egal, ob Breivik nun bestimmte Aussagen von Broder als Inspiration genommen hat oder nicht, es ist völlig klar, dass Broder kein antimuslimischer Rassist ist. Er hat lediglich ein Problem mit dem Islamismus und denen, die ihn verharmlosen. Breivik dagegen ist pauschal gegen alle Muslime. Ein Zitat von Broder verdeutlicht dies:

Der Unterschied liegt darin, dass im Islam keine Säkularisierung stattgefunden hat. Es hat keine Neuinterpretation gegeben, keine Verweltlichung, keine Aufklärung. Es gab dort keinen Mendelssohn, keinen Luther und auch keine bibelkritische Auslegung, die die Schrift nicht wörtlich nimmt. Da, wo die Schrift wörtlich genommen wird, kommt es ja auch bei Juden und Christen zu Katastrophen.

(Quelle)

Hier ein weiteres Zitat von ihm:

Beifall von der falschen Seite bekomme ich kaum. Und wenn doch, kann ich damit umgehen. Bei einer Lesung in Wien stand einmal ein Rabauke auf und sagte: „Ich bin vollkommen Ihrer Meinung, Herr Broder, wir sollten die Ausländer alle nach Hause schicken!“ Ich antwortete: „Das ist eine prima Idee. Aber vorher machen wir eine Generalprobe. Wir bitten alle Migranten, einen Tag lang zu streiken. Der türkische Müllfahrer, die ceylonesische Krankenschwester, die ukrainische Prostituierte – sie alle sollen nur einen Tag streiken. Und am nächsten Tag reden wir noch einmal über die Idee, alle nach Hause zu schicken.

(Quelle)

Zu der Gefahr, von „einfachen Geistern“ missbraucht zu werden, hat sich Broder bei der „Kulturzeit“ schon mal geäußert:

Broders Antwort

Er selbst hat auch schon auf die Polemik gegen ihn reagiert. Im Tagesspiegel stellte er klar: „Ich würde es heute wieder genauso sagen“ und in der WELT hat er sich noch mal selbst zu den Vorwürfen geäußert. Seine Thesen wurden mal wieder von Bloggern gelobt und diskutiert, ernteten aber auch Kritik.

Ach, und zum Thema Auswandern: Am 17. Juli äußerte sich Broder ein weiteres Mal über Europas Zukunft:

Man muss sich also nicht sehr anstrengen, um eine Vorstellung zu bekommen, wie Europa in 30 bis 40 Jahren aussehen wird. Touristen aus China und Indien werden die Altstadt von Brügge besichtigen, in Venedig Gondel fahren und in Freiburg durch die autofreie Innenstadt flanieren – alles an einem Tag. Seniorenheime werden die Namen von Mick Jagger, Brigitte Bardot und Günther Jauch tragen. Am Abend, wenn die Touristenbusse weg sind, wird man mühelos Unter den Linden, am Trafalgar Square und direkt vor der „Coupole“ einen Parkplatz finden. Historiker werden Konferenzen über das Thema „What went wrong? – A critical review of our past“ organisieren. Mit Boris Becker und Silvia Neid als Zeitzeugen.

Ein Albtraum? Eine Horrorvision? Ein Worst-Case-Szenario? Nein, eine optimistische Vorhersage. Europa muss sich nur darauf besinnen, was es ist, was es kann und was es will.

13 Antworten to “Antibroderismus”

  1. puschkaitis Says:

    Ausgezeichnete Zusammenfassung! Schlimm nur, dass man erklären MUSS warum Broder nicht islamophob oder rassistisch ist… weil er nie etwas islamophobes, rassistisches gesagt hat. Übrigens ist schleichende Islamisierung sehr wohl ein Emigrationsgrund. Genauso wäre es wenn der Katholizismus gesellschaftlich wieder ernsthaft was zu melden hätte. Oder die Evangelikalen.

  2. aron2201sperber Says:

    Ein hervorragender Beitrag!

  3. Charles Atlas Says:

    Während das norwegische Volk mit beispielhafter Würde um die von einer Killerbestie dahingemetzelten fast hundert Menschen (zum allergrößten Teil junge Menschen) trauert, reiben sich in diesem unserem wunderschönen Land diverse Gutmenschen keineswegs klammheimlich die Hände: in dem ellenlangen Pamphlet des Massenmörders kommt ein paarmal der Name „Henryk M. Broder“ vor – wenn es noch eines Beweises für das bedürfe, was sie seit jeher verkündet haben, dass nämlich Broder ein Wegbereiter und geistiger Urheber für Rechtsterrorismus ist, dann sei er hiermit erbracht!!

    Die Schamlosigkeit, mit der Personen, die sich selbst als „links“ bezeichnen, hier einen Menschen zum Mittäter abstempeln, der – sicherlich oft genug mit der groben Keule der Polemik – gegen diejenigen zu Felde zieht, die sich durch mittelalterlichen Ungeist, durch absolute Intoleranz gegenüber all denen, die nicht so sind wie sie, durch Frauenverachtung, Judenhass und Herrenmenschentum auszeichnen – diese widerliche Schamlosigkeit spricht Bände über die (un) geistige Verfassung der Betreffenden!

    Mit was für Typen sich die Gutmenschen ins versiffte Lotterbett legen, wird deutlich, wenn man das Wort „Euterclique“ bei GOOGLE eingibt. Hier nur soviel: Mit dieser exquisiten deutschen Wortkreation werden die mutigen Frauen aus der Türkei und anderen Ländern Vorderasiens und Nordafrikas bezeichnet, die die Unterdrückung und die Unmenschlichkeit, die im Namen des Islam begangen wird, mit deutlichen Worten anprangern, also Necla Kelek, Serap Çileli, Seyran Ates, Ayaan Hirsi Ali und viele andere. (Dass auf in Deutschland stationierten türkisch- und arabischsprachigen Netzseiten noch ganz andere Ausdrücke für diese Frauen verwendet werden und offen zum Mord gegen sie gehetzt wird, sei hier nur am Rande erwähnt…)

  4. Die Ideologien der Einzeltäter « Aron Sperber Says:

    […] Gelegenheit, mit allen Islamkritikern endlich abrechnen zu können, ist hingegen zu […]

  5. Der Moslem Says:

    Alta, kannssu auch eigene Kopf gebrauchen oda nur Claqueur von de senile HMB schipielen?

    Spätestens an dieser Stelle müsste selbst ein durchschnittlich intelligenter Arier wie Du (der ja laut seines VolksgenoSSen Dr. gen. Sarrazin vieeeel intelligenter ist als ein Moslem) einmal kurz innehalten und nachdenken:
    „Das ist eine prima Idee. Aber vorher machen wir eine Generalprobe. Wir bitten alle Migranten, einen Tag lang zu streiken. Der türkische Müllfahrer, die ceylonesische Krankenschwester, die ukrainische Prostituierte – sie alle sollen nur einen Tag streiken. Und am nächsten Tag reden wir noch einmal über die Idee, alle nach Hause zu schicken.“

    Aber vermutlich fällt Dir nix auf, weil Du ja – wie Broder – ein Herrenmensch-Gen hast, gell?

  6. ------------------------ Says:

    den Juden geht die Muffe 1 zu 10000 , deshalb haben sie den Wilders vorgeschickt , das ist alles .

  7. ------------------------ Says:

    re „Der Moslem“ : ihr habt die schweigende Mehrheit der Europäer gegen euch und die jüdische Intelligenz – also : hau einfach ab

    • arprin Says:

      Na vielen Dank für die Zurschaustellung eurer ekligen und paranoiden Weltsicht. Ich hoffe, dass sich die jüdische Intelligenz nicht bei euch bedient hat!

  8. Essener Says:

    Broder und PI: Brüder im Geiste

    http://www.fr-online.de/die-neue-rechte/-politically-incorrect–im-netz-der-islamfeinde,10834438,10835026,view,printVersion.html

    • arprin Says:

      Haben sie ihren eigenen Link gelesen? Dort steht, dass Broder sich von PI distanziert. Das hat er auch im Fernsehen mehrmals gesagt.
      Außerdem: Selbst wenn Broder PI gut finden würde – was er nicht tut – ich bin’s nicht. PI hat manchmal durchaus gute Texte, aber der ganze nicht-gute Teil reicht aus, um sich von ihnen zu distanzieren. Mich als PI-Fan darzustellen, was sie offensichtlich bezwecken, wäre so absurd, wie sie als Fan von Carlos der Schakal darzustellen. Immerhin mögen sie ja Hugo Chavez, und der mag Carlos. Der Freund meines Freundes ist nicht automatisch mein Freund. Ihre Argumentation klingt so: Person A mag Person B, Person B mag Person C, also mag Person A auch Person C.
      Ein Rat noch: Vielleicht sollten sie sich auch mal mit dem ganzen Hass auf der anderen Seite auseinandersetzen anstatt immer nur mit den sogenannten „Rechtspopulisten“. Gerade als Person, die sich so sehr für den Orient interessiert wie sie.

  9. Essener Says:

    Ich habe den Artikel in der Frankfurter Rundschau sehr genau gelesen. Zitat Herre: „Mit Broder telefonier und email ich ab und zu. Dass er öffentlich was anderes über PI sagt, naja, damit muss ich leben.“

    Und weiter: „Broders E-Mails sind denn auch vertraulicher: Er bestellt Grüße an Geert Wilders, bespricht mit Herre einschlägige Themen und eine gemeinsame Veranstaltung mit Thilo Sarrazin oder plaudert aus dem Nähkästchen – etwa, dass Marcel Reich-Ranicki sich für Broders Laudatio bedankt, aber „das halbe publikum gemurrt“ habe.“

    Oder: „Gemeinsame Freunde sind auf Broders „Achse“dennoch willkommen: Jüngst ließ er Detlef Alsbach ausbreiten, wieso es in Deutschland „von Nachteil ist, Deutscher und von Vorteil ist, Türke zu sein“. Alsbach ist Mitglied von Pro Köln und ein Duzfreund von Herre.“

    Fazit: Broder ist nicht nur ein Rassist. Er ist auch ein Lügner!

    • arprin Says:

      Broder hat sich von rassistischen Texten bei PI distanziert, das hat er mehrmals öffentlich getan. Sie können sicher keinen einzigen rassistischen Satz von ihm zitieren, aber da er was anderes sagt als sie, wollen sie ihn mundtot machen. Nur weil er Kontakt zu Herre haben soll, heißt das nicht, dass er jeden einzelnen Text von PI gutheißt.
      Wenn sie sagen, dass Broder ein Rassist sind, dann sind sie ein Fan von Carlos der Schakal. Ganz einfach.

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