
Das Grab von Ahmad Shah Massoud, dem afghanischen Nationalhelden
Es ist der 9.September 2001. Ein arabisches Fernsehteam hat ein Interview mit Ahmad Shah Massoud, dem Anführer der afghanischen Nordallianz, verabredet. Massoud, seine Begleiter und sein Dolmetscher betreten den Raum. Plötzlich explodieren die Kameras, Massoud wird in Fetzen gerissen. Der Raum füllte sich mit Blut, Körperteile fliegen umher. Die arabischen Reporter waren al-Qaida-Agenten, die von Osama bin Laden geschickt wurden, um seinen größten Widersacher zu beseitigen. In den internationalen Medien findet die Tat nur wenig Beachtung. Wer wusste damals schon, wer Massoud oder bin Laden waren? Nur einer ahnt die Dimension der Ereignisse. Am 10. September 2001 erzählt der Terrorismusexperte John O’Neill zwei Freunden: „Wir sind fällig. Und wir sind fällig für etwas Großes … Einige Dinge sind in Afghanistan passiert (bezugnehmend auf die Ermordung Massouds). Ich mag nicht, wie sich die Dinge in Afghanistan entwickeln. … Ich spüre eine Veränderung, und ich denke bald wird etwas passieren. … bald.“
Einen Tag später stirbt O’Neill in New York, als der Südturm des World Trade Center zusammenbricht. Die USA rufen den Krieg gegen den Terror aus, Afghanistan wird in den folgenden Monaten besetzt und die Taliban-Herrschaft vorerst beseitigt. Wer war Ahmad Shah Massoud? Dieser Mann, zu dessen Beerdigung, obwohl sie im ländlichen Panjshir-Tal stattfand, Hunderttausende Afghanen teilnahmen, dessen Porträt noch heute viele Wohnzimmer in Afghanistan ziert, der 2002 für den Friedensnobelpreis nominiert, von der europäischen Parlamentspräsidentin Nicole Fontaine “Pol der Freiheit in Afghanistan” genannt und vom afghanischen Präsidenten Hamid Karzai zum “Nationalheld der afghanischen Nation” erklärt wurde?
Massoud war ein Mudschaheddin, der drei Jahrzehnte lang gegen die Kommunisten, die sowjetischen Besatzer, die Taliban und al-Qaida kämpfte. In den 1990ern waren bis zu 1 Million Afghanen vor den Taliban in die von Massoud kontrollierten Gebiete geflohen. In seinem Gebiet errichtete Massoud demokratische Institutionen, achtete die Rechte der Frauen und forderte demokratische Wahlen für ganz Afghanistan, die von den Taliban immer abgelehnt wurden. Im April 2001 besuchte Massoud das Europäische Parlament. Er forderte humanitäre Hilfe für sein Land, erklärte, dass die Taliban und al-Qaida eine “sehr falsche Interpretation des Islam” eingeführt hätten und dass sie ohne Hilfe der Pakistaner innerhalb eines Jahres besiegt werden könnten. Außerdem warnte er vor einem großen Anschlag, der nach seinen Geheimdienstinformationen unmittelbar in den USA bevorstünde.
Im Westen ist er kaum bekannt, doch die Afghanen haben ihn nie vergessen. Er ist und bleibt der größte Held, den die afghanische Nation je hervorgebracht hat.
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