Der burmesische Frühling

Die Flagge von Myanmar

Die Flagge von Myanmar

Seit 1962 herrscht in Burma eine der schlimmsten Diktaturen unserer Zeit. International Beachtung fand das Land 1988 und 2007, als friedliche Proteste gewaltsam niedergeschlagen wurden. Gleichzeitig tobt in weiten Teilen des Landes der am längsten andauernde Krieg der Welt, dem seit 1948 eine halbe Million Menschen zum Opfer gefallen sind. In diesem Jahr hat das Regime eine Öffnung des Landes vorangetrieben, die für viele Beobachter jedoch nichts mehr als ein Ablenkungsmanöver ist, um die Sanktionen gegen das Land rückgängig zu machen und sich für den ASEAN-Sitz 2014 zu bewerben.

Der Name „Burma“ geht auf das Volk der Burmanen zurück, die sich selbst als „Bamar“ bezeichnen und 70% der 54 Millionen Einwohner des Landes ausmachen. Die Burmanen nennen sich aber auch „Myanma“, was „die Starken“ bedeutet. In Deutschland wird häufig der Name „Birma“ benutzt, was eine Eindeutschung der englischen Aussprache des Wortes „Burma“ ist. Im Jahr 1989 hat die Militärregierung das Land offiziell in „Myanmar“ umbenannt. Während die UNO die Änderung übernahm, benutzen die USA und auch Australien immer noch den Namen Burma. Die burmesische Opposition plädiert ebenfalls für die Beibehaltung von „Burma“.

Die ethnischen Konflikte haben eine lange Vorgeschichte. Die Briten hatten wie in vielen anderen Kolonien ein Gebiet zusammengeführt, ohne dabei auf die Siedlungsgebiete der einheimischen Volksgruppen zu achten. Das heutige Staatsgebiet von Burma war kulturell und politisch vor der Ankunft der Briten nie ein geeintes Gebilde. Die größten Minderheiten sind die Shan (8,5%), Karen (6,2%), Rohingya (4,5%), Mon (2,4%), Chin (2,2%), Kachin (1,4%) sowie die Inder (1%) und Chinesen (1-2%). Es waren vor allem diese Konflikte, die zur Machtergreifung des Militärs führten.

Die Entwicklung von Burma bis 1962

Die ersten Einwohner waren vermutlich die Mon, die um 3000 v.Chr. nach Burma kamen. Später kamen die Pyu, die eine von der indischen Kultur beeinflussten Zivilisation hatten und mehrere Stadtstaaten errichteten, bevor sie im 9.Jahrhundert vom Nanzhao-Reich aus China vertrieben wurden. Die Burmanen kamen im 9.Jahrhundert in ihr heutiges Siedlungsgebiet und eroberten die meisten Staaten der Mon und Pyu. Sie nahmen den Theravada-Buddhismus an und gründeten im 11.Jahrhundert das erste burmesische Reich. Im 19.Jahrhundert begannen die Briten, das Gebiet zu kolonisieren, was ihnen nach drei Kriegen im Jahr 1886 mit dem Fall von Mandalay gelang. Burma wurde Teil von Britisch-Indien. Die Fürstentümer der Minderheiten wurden beibehalten, was der britischen Strategie der „indirect rule“ entsprach, während die Monarchie des Mehrheitsvolkes der Burmanen zerstört wurde.

Dies führte dazu, dass sich die Burmanen sich nicht nur von den Briten, sondern von den Minderheitenvölkern unterdrückt fühlten. Die Briten lösten auch die traditionellen Beziehungen zwischen der Regierung und den buddhistischen Mönchsorden auf. Die Kolonialzeit brachte aber auch Fortschritt ins Land: Burma wurde zum weltweit größten Reisexporteur, die Produktion stieg von 0,5 Millionen Tonnen im Jahr 1886 auf 2 Millionen um 1900 und 3 Millionen vor dem Zweiten Weltkrieg. Die neue Hauptstadt Rangun wuchs von 98.700 Einwohnern im Jahr 1871 auf 500.800 im Jahr 1941. Englisch wurde zur Sprache der höheren Schichten, die Provinzverwalter (District Officiers) sorgten im Lande für Recht und Ordnung und trieben Steuern ein. Die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen führten zur Entstehung einer burmesischen Nationalbewegung. Politische Organisationen wurden gegründet, die die Loslösung von Indien und die völlige Unabhängigkeit forderten.

Zwischen 1930 und 1932 wurde die konservative, vom Land getragene Saya-San Bewegung, die nicht mit der Nationalbewegung in Zusammenhang stand, von den Briten niedergeschlagen. Im Jahr 1937 wurde Burma schließlich zur eigenständigen Kronkolonie mit eigener Verfassung und der Regierung von Ba Maw. Die politischen Führer, die Burma in die Unabhängigkeit führen sollten, begannen ihre Karriere als Studentenführer, die sich den Titel Thakin (Meister) verliehen, weswegen man auch von der „Thakin-Bewegung“ sprach. Im Jahr 1939 gründete der Nationalheld Aung San (der Vater der heutigen Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi) die Kommunistische Partei Burmas (KPB). Viele Thakins wurden verhaftet, als sie zu Protesten gegen die britische Herrschaft aufriefen. 1940 reiste Aung San nach China, um Unterstützung von der Kommunistischen Partei Chinas zu erhalten.

Statt Untersützung von den Chinesen zu erhalten, wurde Aung San von den Japanern kontaktiert, mit dem er dann die Gründung einer eigenen Armee, der Burma Independece Army (BIA), beschloss, die unter seiner Herrschaft stand. Die Japaner bildeten dafür eigens die sogenannten Thirty Comrades aus, zu denen auch der spätere Kern der burmesischen Armee und die Machthaber U Nu und Ne Win gehörten. Im Jahr 1942 besetzten die Japaner Burma. Die Japaner waren sich uneins, wie sie die Zukunft Burmas gestalten sollten, die BIA übernahm in einigen Teilen des Landes die Macht. Die japanische Militärverwaltung gab Ba Maw die Aufgabe, eine provisorische Regierung zu gründen. Am 1.August 1943 erklärte das Land seine Unabhängigkeit, die BIA wurde neu organisiert und zur Burma Defence Army (BDA), später Burma National Army (BNA) umbenannt. Die Minderheitenvölker wandten sich jedoch gegen die Japaner, es kam zu blutigen Massakern zwischen Rohingya und Arakanesen mit Zehntausenden Toten.

Die burmesischen Nationalisten merkten bald, dass die japanischen Versprechen nicht ernst gemeint waren und nahmen deshalb Verhandlungen mit der inzwischen verbotenen KPB und den Alliierten auf. Im August 1944 schlossen sich die BNA, KPB und die Revolutionäre Volkspartei von U Nu zur Anti-Faschistischen Organisation (AFO) zusammen. Vom März bis Mai 1945 wurde Burma mit Hilfe der Alliierten befreit. Ba Maw trat von seinem Amt zurück und spielte nie wieder eine Rolle in der Politik seines Landes. Aus der AFO ging nach dem Krieg die von Aung San geleitete Anti-Fascist People’s Freedom League (AFPFL) hervor, die bis 1962 bedeutendste politische Partei Burmas. Als Dank für ihre Hilfe wurde die KPB von den Briten legalisiert, doch nachdem sie das Land 1946 mit einem Generalstreik lahmlegte, wiederum verboten. Die AFPFL einigte sich mit den Briten auf die Unabhängigkeit, die in den nächsten Jahren ausgehandelt wurde.

Am 23.Februar 1947 wurde das Abkommen von Panglong mit Vertretern der Shan, Chin und Kachin unterzeichnet, wonach diese einen eigenen Staat im Staate bekamen und mindestens zehn Jahre lang keine Sezession anstreben sollten. Andere Minderheiten wie die Karen waren in Panglong nicht vertreten, wurden aber ebenfalls in den Unionsstaat eingebunden. Bei den Wahlen im April 1947 gewann Aung Sans AFPFL die Mehrheit der Stimmen. Im Juli ließ U Saw, der Premierminister der früheren Kolonialregierung, den damals erst 32-jährigen Aung San und 6 Minister der neuen Regierung ermorden (ein Jahr später wurde er gehängt). Daraufhin übernahm U Nu die Macht. Am 4.Januar 1948 erklärte Burma seine Unabhängigkeit. Im April desselben Jahres begannen die bewaffneten Konflikte, die noch bis heute andauern.

Die Kommunisten, die von China unterstützt wurden, erhoben sich als erste. Ein Jahr später brachen Aufstände von ethnischen Minderheiten aus. Die vorwiegend von christlichen Karen geführte Karen National Union (KNU) und ihr bewaffneter Arm Karen National Liberation Army (KNLA) kämpfte für einen unabhängigen Karen-Staat Kawthoolei. In den Gebieten der Mon nahm die Mon Peoples Front (MNP) 1949 den Kampf auf. 1952 besetzte die burmesische Armee den Shan-Staat unter dem Vorwand, die Kuomintang aus China bekämpfen zu wollen. Die Lage verschärfte sich weiter, als U Nu im Jahr 1961 den Buddhismus zur Staatsreligion erhob und damit die zum Teil christlichen Karen, Chin und Kachin brüskierte. Über 30 verschiedene Rebellengruppen haben in der Geschichte von Burma den Kampf gegen den Zentralstaat aufgenommen. Aufgrund der Spaltung der Regierungspartei AFPFL wurde zwischen 1958 und 1960 erstmals eine militärische Übergangsregierung unter General Ne Win eingesetzt.

Die Militärregierung

1962 übernahm dann erneut Militärjunta, wieder unter Ne Win, die Macht, offiziell um die innere „Desintegration“ des Staates zu verhindern. Bis 1988 hatte Ne Win die weitgehende Macht im Land inne. Die neue Führung propagierte einen „burmesischen Weg zum Sozialismus“, 1963 wurde der Groß- und Einzelhandel, Banken und Industrie verstaatlicht. Alle christlichen Missionare wurden des Landes ausgewiesen. Am 4. Januar 1974 rief Ne Win die „Sozialistische Föderative Republik Burma“ aus. Es kam immer wieder zu politischen Unruhen. Der Tod des von 1961 bis 1971 amtierenden UN-Generalsekretärs U Thant löste gewaltsame Proteste aus, da sich die Regierung weigerte, ihn in Rangun beerdigen zu lassen. Im Jahr 1967 kam es zu einem ernsthaften Konflikt mit China, als Mao versuchte, die Kulturrevolution auf Burma auszudehnen.

In den Jahrzehnten nach 1962 entwickelten sich die Kämpfe zu einem „Konflikt mit mit niedriger Intensität“ (low-intensity conflict). Dabei gehören schwere Menschenrechtsverletzungen wie Zwangsarbeit, Massenvertreibungen, Folter, Vergewaltigungen, extralegale Hinrichtungen und der Einsatz von Kindersoldaten gehören bis heute zum Alltag. In den 1970er-Jahren kontrollierten Rebellen rund 20–30 % des burmesischen Territoriums. Die KNU führte in den 1970er- und 1980er-Jahren praktisch einen eigenen Staat mit Manerplaw als Hauptstadt, sie sorgte für die Justiz, Gesundheitsversorgung, Bildung, Verwaltung und Infrastruktur. Sie bekämpfte nicht nur den Zentralstaat, sondern auch Kommunisten in ihrer Reihe. Ab dem Jahr 1976 wurde nicht mehr ein eigener Staat, sondern ein Autonomiegebiet als Ziel ausgegeben.

Die Kommunisten operierten im Shan- und im Kachin-Staat, sie wurden bis in die 1980er-Jahre von China unterstützt. Die Kachin Independence Army (KIA) hatte von 1962 an die weitgehende Kontrolle über den Kachin-Staat. Im Shan-Staat kontrollierten mehrere Rebellenorganisationen das Gebiet, die Mons National Liberation Army (MNLA) die Siedlungsgebiete der Mon, die 1974 zu einem eigenen Staat zusammengefasst wurden. Ohne sich zu erheben, sind auch die Rohingya Verfolgung ausgesetzt. Sie gelten seit 1982 nicht mal als ethnische Minderheit und dürfen deshalb auch nicht die Staatsbürgerschaft bekommen. Im Ausland sind sie aber auch nicht willkommen. Es gab auch von 1970 bis 1973 (in Thailand bis 1978) die multiethnische National United Liberation Front (NULF) unter Führung des ehemaligen Ministerpräsidenten U Nu.

Im Jahr 1988 kam es aus Protest gegen die schlechte wirtschaftliche Lage und die politische Unterdrückung zum 8888 Uprising, der am 8.August niedergeschlagen wurden und mehrere Tausend Tote forderte. Ein neues Regime mit dem Namen SPDC (Staatsrat für Frieden und Entwicklung) unter dem General Saw Mung wurde etabliert. Bei Wahlen im Jahr 1990 errang die Nationale Liga für Demokratie (NLD) unter der Führung von Aun Sang Suu Kyi einen Erdrutschsieg, doch das Ergebnis wurde annulliert und das Regime blieb an der Macht. Suu Kyi wurde 15 Jahre lang (1995-2010) unter Hausarrest gestellt. Von 1992 bis 2011 war Than Shwe als Staatspräsident und Vorsitzender des SPDC der starke Mann im Land, im Jahr 2011 hat Thein Sein ihn als Staatspräsidenten abgelöst. Die wirtschaftlichen und sozialen Probleme des Landes konnten vom Regime nicht gelöst werden. Internationale Sanktionen belasteten die Wirtschaft, Burma-Aktivisten engagierten sich im Ausland für die politischen Gefangenen des Landes.

In den folgenden Jahren wurden immerhin Waffenstillstandsabkommen mit verschiedenen Rebellengruppen ausgehandelt. Die KPB zerbrach 1989 und ist seither bedeutungslos. Aus ihr ging u.a. die United Wa State Army (UWSA) der VA-Ethnie hervor, die gegen eine Waffenruhe die Autonomie für die Special Region 2 des Shan-Staats (auch Wa-Staat genannt) bekam. 1991 wurde ein Waffenstillstandsabkommen mit der KIA ausgehandelt, im Jahr 1995 beendete die MNLF den bewaffneten Kampf. Die KNU verlor Thailand als Verbündeten, während die buddhistische Democratic Karen Buddhist Army (DKBA) sie ab 1994 bekämpfte. Die Unterstützung der DKBA ermöglichte es der Armee im Januar 1995 Manerplaw einzunehmen, die für die KNU eine große Niederlage bedeutete. Bis heute kämpfen u.a. die KNU, die Monland Restoration Army, die Chin National Army und verschiedene Rebellenorganisationen im Shan-Staat gegen den Zentralstaat.

Die vorsichtige Öffnung 2011

Im Jahr 2007 kam es zu neuen Protesten der Bevölkerung, die gewaltsam niedergeschlagen wurden und bis zu 200 Todesopfer forderten. Drei Jahre später ging das Militär bei den ersten Wahlen seit 20 Jahren als Sieger hervor. Während man dies als Zeichen wertete, dass das Regime seine Herrschaft keineswegs abgeben wollte, folgten in den nachfolgenden Monaten einschneidende Reformen. Die Medienzensur (2009 rangierte Burma bei den Reporter ohne Grenzen auf Platz 171 von 175) wurde aufgelockert, das Internet ist jetzt freier als im Nachbarland Thailand. Es entstanden freie Gewerkschaften, die geringeren Kontrollen als irgendwo sonst in der Region unterliegen. Die Wahlrechtsreform entspricht einer Einladung an die NLD, bei den nächsten Wahlen mitzumachen. Doch nicht alles hat sich gebessert. Wie Frank Stern in der Achse des Guten berichtete, hat sich die Situation für die Minderheiten eher verschlechtert.

Die Gesellschaft für bedrohte Völker berichtete ebenfalls über die prekäre Lage der Flüchtlinge:

Mindestens 112’000 Angehörige ethnischer Minderheiten mussten zwischen August 2010 und Juli 2011 vor der burmesischen Armee aus ihren Dörfern im Osten Burmas flüchten. Jede Woche wurden durchschnittlich zwei Siedlungen von Soldaten zerstört, insgesamt mindestens 105 Dörfer. Die Zahl der Vertriebenen hat sich im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 50 Prozent erhöht. Dies stellt ein Bündnis von Hilfs- und Menschenrechtsorganisationen (Thailand Burma Border Consortium, TBBC), die im Grenzgebiet von Thailand und Burma arbeiten, in ihrem am Dienstag veröffentlichten Jahresbericht fest… Allein im Osten Burmas sind noch immer mehr als 450’000 Angehörige ethnischer Minderheiten auf der Flucht.

Der burmesische Frühling ist keinen Pfifferling wert, wenn die Minderheiten nicht auch von ihm erfasst werden. Es spricht im Moment leider nur wenig dafür, dass dies bald geschehen wird.

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