Das demokratische China

Die Flagge der Republik China

Im letzten Jahr feierte man in China zwei Jubiläen. Das eine wurde auf dem Festland gefeiert, es war der 90.Jahrestag der Gründung der Kommunistischen Partei Chinas. Das andere Jubiläum errang weniger Aufmerksamkeit. Es war der 100. Jahrestag der Xinhai-Revolution, der den Sturz des chinesischen Kaisers und die Gründung der Republik China am 1. Januar 1912 zur Folge hatte. Im Ausland bezeichnet man diesen Staat umgangssprachlich auch „Taiwan“. Wer wie Helmut Schmidt behauptet, dass die Chinesen nicht für Demokratie geeignet sind, muss eine Erklärung für die Entwicklung in Taiwan finden.

Die Republik China wurde zwar bis zum Jahr 1992 von einer diktatorisch regierenden Partei beherrscht, der nationalistischen Kuomintang. Seit den 1990er Jahren herrscht eine stabile Demokratie, während dieser Zeit hat man zwei heftige Machtwechsel überstanden. Zuletzt wurden im Januar 2012 freie Wahlen abgehalten. Die aktuelle Situation ist immer noch so, dass es 2 chinesische Staaten gibt, die einen Alleinvertretungsanspruch für sich anheben. Beide Staaten sind wirtschaftlich erfolgreich und haben sich mehr oder weniger an den Status quo gewöhnt. Aber eine Lösung des Taiwan-Konflikts ist noch in weiter Ferne.

Wie die Republik China entstand

Das kaiserliche China wurde mit Gewalt in die Moderne katapultiert. Nach dem Ersten Opiumkrieg, indem die Briten den Chinesen eine vernichtende Niederlage hinzugefügt hatten, wurden die Chinesen gezwungen, ihr Land für den Handel zu „öffnen“, was in China als die Zeit der „Ungleichen Verträge“ bekannt ist. Die Zentralregierung wurde durch Bürgerkriege immer mehr geschwächt, es wurden nur zaghaft Reformen angestoßen, die nicht weit genug gingen. Viele Reformgruppen, die von westlichem Denken beeinflusst wurden, entstanden und forderten das Ende des Kaiserreichs und die Errichtung einer Republik. Der spätere Gründer der Republik China, Sun Yat-sen, war ein Christ und seine Philosophie (die „drei Prinzipien des Volkes“) war von amerikanischem Denken geprägt.

Nach mehreren gescheiterten Revolten gelang es den Reformern während der Xinhai-Revolution, den Kaiser zu stürzen. 1912 wurde die Republik ausgerufen, die bis heute besteht, und zum ersten Mal in der chinesischen Geschichte wurden Wahlen abgehalten (an der aber nur 4-6% der Bevölkerung teilnehmen durften). Doch der Weg zur Demokratie war steinig und schwer. Die Republik hatte von Anfang an mit riesigen Problemen zu kämpfen: Die Wirtschaft lag am Boden und Warlords übernahmen für lange Zeit die Kontrolle über viele Provinzen. Nach der „Bewegung des 4. Mai“, als chinesische Studenten gegen den Versailler Vertrag (der ein deutsches Kolonialgebiet in China an Japan übergab) demonstrierten, verbreiteten sich viele neue politische Lehren in China. Eine von ihnen war der von Russland importierte Kommunismus.

Zwei Parteien, die nationalistische Kuomintang unter Chiang Kai-shek und die Kommunisten unter Mao Tse-tung, wurden schließlich zu den Konkurrenten um die Herrschaft über China. Nach jahrelangen, blutigen Auseinandersetzungen behielten die Kommunisten die Oberhand. Die Japaner invadierten zweimal, 1931/32 und von 1937 bis 1945, das chinesische Festland, Millionen Chinesen kamen dabei um. Nach 1945 begannen die Kommunisten die vollständige Eroberung des Landes, die im Jahr 1950 abgeschlossen war (Tibet wurde ein Jahr später besetzt). Schon im Jahr 1949 hatte Mao die Volksrepublik China ausgerufen, zum ersten Mal seit 1911 war China wieder ein geeintes Land- bis auf  die Insel Taiwan, in das die Kuomintang geflohen waren und die “Republik China” weiterbestand.

Taiwan nach 1950

Die offizielle Repräsentation des Landes in der UNO übernahm bis zum Jahr 1971 die Republik China in Taiwan. Die von den Kuomintang dominierte Nationalversammlung herrschte diktatorisch. Obwohl die Amtszeit auf 7 Jahre beschränkt war, regierte sie 45 Jahre lang, mit der Begründung, dass Neuwahlen erst dann möglich wären, wenn das Festland wieder unter Kontrolle der Nationalversammlung sei. Während man noch in den 1960ern Pläne zur Rückeroberung schmied, wurde Taiwan ab 1971, als die Volksrepublik ihren Platz in der UNO einnahm, international immer weiter isoliert. In dieser Phase erlebte Taiwan jedoch einen gigantischen wirtschaftlichen Aufschwung, der als „Taiwan-Wunder“ bezeichnet wurde. Das Durchschnittseinkommen stieg von 170 USD im Jahr 1962 auf 37.720 USD im Jahr 2011.

Die Beziehungen zwischen den beiden Chinas sind kompliziert. Die offizielle Zeitrechnung in Taiwan richtet sich noch immer am Gründungstag der Republik, und die Verwaltungsgliederung schließt immer noch das chinesische Festland ein (allerdings auch die Mongolei und Teile Russlands). In internationalen Sportwettbewerben tritt Taiwan unter dem Namen „Chinese Taipei“ auf. Nur 24 Staaten, die meisten davon klein und unbedeutend, erkennen Taiwan als unabhängigen Staat an. Beide Staaten sind wichtige Handelspartner (Taiwan zählt zu den am stärksten deregulierten und privatisierten Volkswirtschaften auf der Welt), und Taiwan versichert dem Festland, keine weiteren Schritte zur Unabhängigkeit (d.h. keine Loslösung vom Festland) zu unternehmen, solange man sich nicht militärisch bedroht fühlt.

Im Jahr 1992 wurde das „Lange Parlament“ beendet und zum ersten Mal in der chinesischen Geschichte und 80 Jahre nach der Gründung der Republik freie Wahlen abgehalten. Die Parteien, die für eine endgültige Loslösung vom Festland eintreten, haben bei den Wahlen an Bedeutung gewonnen. Die Kommunisten bekräftigten im Jahr 2005 mit dem „Anti-Abspaltungsgesetz“ ihren Anspruch auf Taiwan und befürworten eine „Ein-China-Politik“. Die Amerikaner haben den Taiwanesen ihre Solidarität zugesichert und verkaufen ihnen weiterhin Waffen, was die Festlandchinesen verärgert. Im Falle einer Unabhängigkeitserklärung könnte es zum Krieg kommen. Bis dahin wird „Chinas unbeachtete Republik“ die Fackel der Demokratie hochhalten.

Eine Antwort to “Das demokratische China”

  1. aron2201sperber Says:

    Es ist unglaublich, wie naiv der Westen gegenüber der Bedrohung durch Stalins Schützling Mao war.

    Dass man Mao gewähren ließ, ja sogar aktiv vor Tschiang Kai Schek schützte, kann ich mir nur mit dem schlechten Gewissen des Westens wegen des spanischen Bürgerkriegs erklären.

    Dabei hatten sich sowohl die Sowjets als auch Mao bei der Bekämpfung des japanischen Faschismus nobel zurückgehalten und die Kriegslast den Amerikanern und Tschiang Kai Schek überlassen.

    Hätte man Mao von der Macht ferngehalten, hätte man sich möglicherweise sowohl den Korea-Krieg als auch den Vietnam-Krieg ersparen können.

    …und nebenbei Millionen Chinesen das Leben gerettet.

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