„Jetzt jammern sie über die Folgen der von ihresgleichen systematisch betriebenen Verarmung des Staates“ – so der Titel eines Artikels des sozialdemokratischen Publizisten Albrecht Müller. Anlass ist ein Artikel in der WELT, in der die marode Infrastruktur in Deutschland beklagt wird, laut Müller eine „späte Erkenntnis aus den Medien-Häusern jener Ideologen“, die uns einen „schlanken Staat“ predigen. Das sei „Blödsinn“. Vor einigen Wochen meinte Jakob Augstein in Maybrit Illners Talkrunde ebenfalls, Steuererhöhungen würden nur Straßen und Schulen schlechter machen.
Nun ist aber angesichts von Rekordsteuereinnahmen, Rekordausgaben und Rekordverschuldung eine orwellsche Verkehrung der Wahrheit, von einer „Verarmung des Staates“ zu sprechen. Der Staat hat noch nie so viel Geld gehabt wie heute, er ist nicht schlank geworden, sondern hat ich immer weiter ausgebreitet. Aber warum ist die Infrastruktur trotzdem so schlecht? Der Staat könnte es ja besser machen, aber offenbar kommt es zu Fehlsteuerungen und falschen Anreizen – die typischen Merkmale von Planwirtschaften.
Die Frage, wer sonst die Straßen bauen soll als der Staat, ist ein Standard-Argument, der von Gegnern der freien Marktwirtschaft gebracht wird. Wer baut die Straßen? Der Staat gibt Aufträge an Firmen aus. Wer bezahlt die Firmen? Der Steuerzahler. Warum sollte es für die Privatwirtschaft unmöglich sein, ohne Auftrag vom Staat ein Straßennetz auf die Beine zu stellen? So gut wie alle Unternehmen haben ein Interesse an einem funktionierenden Straßennetz und würden auch die Kosten dafür tragen.
Nehmen wir als Beispiel die Liberalisierung des Fernbusverkehrs, die ein voller Erfolg war. Das mehr als 70 Jahre währende Monopol der Deutschen Bahn wurde gebrochen, und anstatt dass nun Pendler von privaten Fernbuslinien gnadenlos ausgenommen werden, können sie viel schneller von München nach Freiburg reisen. Offenbar kennen die Menschen ihre Bedürfnisse besser als der Staat! Die sogenannte „Daseinsvorsorge“ ist, wie Gerhard Habermann es beschreibt, Ausdruck eines paternalistischen Staatsverständnisses.
Heute weitgehend vergessen ist, dass im 19. Jahrhundert Privatunternehmen die Gemeinden mit Wasser, Energie, Verkehr und Entsorgung versorgt haben und sie erst verstaatlicht wurden, als sich ihr Erfolg zeigte (meist um 1900). Außerdem ist die Grenze ziemlich willkürlich gezogen. Warum zählt die Versorgung mit Straßen zur Daseinsvorsorge, aber nicht die Versorgung mit dem täglichen Brot? Eigentlich müssten alle Bäckereien verstaatlicht werden, damit Schluss ist mit der unmenschlichen Praxis, dass private Bäcker mit dem Hunger ihrer Mitmenschen Geld verdienen.
Mai 25, 2013 um 00:01 |
Natürlich wettert Müller gegen einen schlanken Staat.
Er fasst einen schlanken Staat nur als einen Staat auf der wenig Steuern einnimmt.
In schlanker Staat hat aber IMHO nichts mit Steuern zu tun, sondern mit der Begrenzung auf das sinnvolle.
Braucht z.B. jede Gemeinde ein eigenes Hallenbad ? Bei uns in der Gegend fallen jetzt gehäuft hohe Kosten für die Sanierung von Gebäuden an die in den goldenen 70er gebaut wurden.
Hallenbäder, Mehrzweckhallen, Schulen,… die nach 40 – 50 Jahren – teils wegen natürlicher Alterung, teils wegen nicht mehr zeitgemäßen Standard saniert werden müssen.
Zu einem schlanken Staat gehört auch das sich der Staat wo möglich von Unternehmensbeteiligungen trennt.
Nicht weil er ein schlechterer Unternehmern ist als ein freier Unternehmern – nein, weil es die Aufgabe des Staates ist Gesetze und Normen zu erlassen und diese zu überwachen.
Bei Unternehmen mit staatlicher Beteiligung besteht immer die Gefahr das für diese spezielle Gesetze geschaffen werden (VW Gesetz ) oder das die gesetzlichen Regeln nicht ganz so streng ausgelegt werden.
Die Tatsache das einige deutsche Landesbanken genau auf diese Art und Weise in die Krise gerutscht sind, das der Staat sie retten musste (ihm bliebt keine Wahl, er ist ja der Eigentümer) sollte das beste Argument für einen schlanken Staat sein.
Mai 25, 2013 um 02:20 |
Ich glaube auch, dass die Wirtschaft viele Sachen besser und effizienter als der Staat hinbekommen würde. Doch es gibt Ausnahmen, nämlich dort wo es keinen fairen Markt gibt oder geben kann. Danke das du noch eine Ausnahme gefunden hast. Bei Geschäften, die wirtschaftlich sich nicht lohnen, aber ein großes Interesse in der Bevölkerung haben. Wie, Womit und Warum sollen die Firmen denn bitte ein Straßennetz für einen Staat finanzieren? Ich glaube eher, dass die Firmen abwandern bevor sie das tun. Und wenn doch: warum sollten sie den Bürgern erlauben ihre Straße zu benutzen? Würde es sich finanziell lohnen hätte man aber andererseits nicht eine Straße von Augsburg nach München sondern ein Dutzend. Man sollte meiner Meinung nach eher dahin kommen, dass das Geld das durch Steuereinnahmen auf Benzin in den Straßenbau und das Geld von den Strafen in die Unfallkliniken fließt. Also dort ausgeben wo es eingenommen wurde.
Mai 25, 2013 um 15:40 |
@Shaze86 Warum? Unternehmen wollen ihren Profit maximieren. Aber auch ihre Risiken streuen (geht auch aus Profitmaximierung hervor). Da kommt ein Investment in Infrastruktur eigentlich gerade recht. Schließlich wird Infrastruktur immer gebraucht. Und warum wandern die Unternehmen jetzt eigentlich nicht ab? Außerdem können manche Unternehmen nicht einfach abwandern, weil sie hier ihre Kunden haben. Und wenn hier die Kosten zu hoch sind, ist es wahrscheinlich sogar besser, wenn sie abwandern …
Wie? Mit Kapital, was sonst? 😀 Schließt alles mögliche mit ein, also auch Know-How. Wie werden denn jetzt Straße gebaut? Das sagt doch arprin, dass der Staat nur die Vergabe organisiert, den Rest übernehmen Bauunternehmen.
Gibt zudem genug Korruptionsfälle in der Baubranche, und hingen die nicht meistens mit öffentlich-rechtlichen (Sparkassen etc.) und staatlichen Stellen (Beamte) zusammen? Ist ja auch logisch, die heutigen Strukturen bieten sich halt dafür an. Also ein Argument gegen den (heutigen) Staat.
Die Nutzer der Straßen können selbst unternehmerisch tätig werden und die nötigen Aufgaben an spezialisierte Agenturen/Unternehmen outsourcen, sich von Beratern beraten lassen, oder die Aufgaben selbst übernehmen. Nutzer schließt jeden ein der auf Straßen angewiesen ist. Da alle ein ureigenes Interesse an einem möglichst kostengünstigen, aber trotzdem die Qualität sicherstellenden Betrieb haben, dürfte der Zustand der Straßen, aber auch der Korruption in Verwaltungen etc. auch nicht schlechter als heute sein. (http://starke-meinungen.de/blog/2013/04/28/aus-fur-ulis-spielgeld-das-kapital-sorgt-jetzt-fur-die-moral/)
Meiner Meinung nach gilt das für jegliche Daseinsvorsorge, also genauso für die Wasserversorgung. (http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/griechen-wollen-wasserprivatisierung-stoppen-a-900604.html)
Warum sollten Unternehmen Bürgern nicht erlauben ihre Straßen zu nutzen? Schließlich wollen sie möglichst viele Nutzer haben um ihren Profit zu maximieren. Weiterhin kommen hier sogar Skaleneffekte zur Wirkung, bei höherer Nutzung lohnt sich das Investment schneller, da die Fixkosten sehr hoch sind.
Ja, wenn es sich lohnt, aber besteht dann nicht auch der Bedarf?
Mai 26, 2013 um 01:13 |
Vielleicht sollte man erst einmal http://zettelsraum.blogspot.co.at/2013/05/investitionen-in-infrastruktur-gedanken.html lesen, bevor man sich weiter über dieses Thema unterhält.
Ein schlanker Staat ist eine Illusion! In Zettels Raum kann man nachlesen warum.
Wir haben uns ein Gemeinwesen geschaffen, dessen Politiker nichts anderes im Sinn haben, als ihre Wiederwahl zu garantieren. Und dazu brauchen sie Nutznießer (Wähler), die vom Sozialstaat bloß profitieren, ohne adäquate Leistungen erbringen zu müssen.
Dazu kommen dann noch jene Investoren, die ihre Petrodollar in westlichen Unternehmen gut anlegen wollen und damit auch gleichzeitig ihre religiös/ideologischen Missionierungsabsichten verfolgen. Das kann schon hie und da mit Terrorismus Hand in Hand gehen.
Oder glaubt hier irgendwer daran, dass die in den Westen fließenden Petrodollar keinen politischen Einfluss ausüben?
Der Sozialismus wird unser gerade untergehendes Europa nicht retten, der Kapitalismus/Liberalismus aber auch nicht.
Ich persönlich habe keine Lust, mich den politischen Absichten von arabisch/islamischen Großaktionären europäischer AGs zu beugen und deren politischen Einfluss zu akzeptieren.
Mai 26, 2013 um 02:47 |
Auf der Nachfrageseite gäbe es wohl kein Problem, einen Markt für die Strassen zu haben. Die Firmen/ Nutzer zahlen eben für die Benutzung. Auf de Angebotsseite gibt es aber hier – wie auch bei anderen Infrastrukturprojekten natürliche Monopole. Die einzige Alternative die derzeit angewendet wird ist privater Bau und Wartung unter enger Regulierung des Staates. So gibt es eben keinen Wettbewerb bei der Bereitstellung der letzten Meile in der Telekommunikation und auch keinen Wettbewerb in der Bereitstellung von Stromtrassen durch Netzbetreiber. hierdurch wird dann wenigstens ein Wettbewerb von Firmen die die Infrastruktur nutzen und an Endverbraucher verkaufen gewährleistet. Ein anderes Modell kann ich mir derzeit nicht vorstellen.
Bei den Strassen kommt zu dieser Verquickung noch eine automatische Verquickung des Staates bei neuen Strassen hinzu. Die dabei sehr auftretenden nötigen Enteignungen sind privatrechtlich kaum hinzubekommen.
Insgesamt sehe ich dann nur eher geringe Vorteile durch die Ersetzung einer Staatswirtschaft im Infrastrukturbereich durch ein staatskapitalistischen Modell.
Mai 26, 2013 um 11:46 |
@shaze86
Die einzige diesbezügliche Ausnahme ist das vebrennen von Geld, die vernichtug von Werten.
Alles andere können private Unternehmer besser und biliger, als Staaten.
Mai 26, 2013 um 16:31 |
Guckt auch die Privatisierung der britischen Eisenbahnen an und ihr seht, dass es nicht immer so einfach ist. Dass ist das Musterbeispiel dafür, dass Private schlechter wirtschaften als der Staat, weil sie hemmungslos ihren Profit maximieren.
Mai 26, 2013 um 18:28
Ja, es gibt noch bessere „Musterbeispiele“, z.B. die Industrie in der DDR. Da gab es auch keine Insolvenzen, solange die im Staatsbesitz war.
Mai 26, 2013 um 19:09 |
Lieber „arprin“,
ich danke vielmals !!!
Bohumil Rericha