Remember Eugen Richter

Eugen Richter

Eugen Richter

Die Sozialdemokraten haben die Macht im Deutschen Reich übernommen. Alle Bürger bekommen den gleichen Lohn, die Arbeit wird per Los verteilt. Alle, die unter 21 sind, werden ihren Familien entrissen und in Jugendanstalten gebracht, die über 65-jährigen landen in Altersheime. Es werden Staatsküchen eingerichtet. Die Ausreise wird verboten. Nach einigen Monaten ist die Produktion um zwei Drittel gesunken. Den Arbeitern fehlt die Motivation. Alle bekommen denselben Lohn, wozu sich noch anstrengen? Die Unzufriedenheit steigt, es bricht ein Streik von Metallarbeitern aus. Und dann greifen auch noch Frankreich und Russland das Reich an.

Das ist die düstere Welt, die vom liberalen Reichstagsabgeordneten Eugen Richter, der von 1867 bis 1906 im preußischen Abgeordnetenhaus und im Deutschen Reichstag vertreten war, in seinem Roman „Sozialdemokratische Zukunftsbilder“ gezeichnet wird. Ein überzeugter Sozialdemokrat, der während der Zeit schwere Schicksalsschläge verarbeiten muss und beginnt, an seiner Weltanschauung zu zweifeln, beschreibt dort in einem fiktiven Tagebuch seine Erlebnisse im sozialdemokratischen Paradies. Damals bestand zwischen Sozialdemokraten und Sozialisten praktisch kein Unterschied.

Nach Eugen Richter gab es wohl keinen einzigen deutschen Politiker, der den klassischen Liberalismus so konsequent vertrat wie er. Wir müssen dabei bedenken, dass Richter in einer Zeit lebte, in der die Staatsquote noch bei 10% (heute 50%) und der Höchststeuersatz bei 4% (heute 42%) lag, aber auch in einer Zeit, in der Nationalismus, Sozialismus und Imperialismus dabei waren, die Welt ins Chaos zu stürzen. Heute ist Richter weitgehend vergessen, auch in der FDP wurde der klassische Liberalismus immer weiter verwässert. Aber nicht bei allen. Es gibt noch einen Politiker, der Richters Erbe hochhält, und vor einem Monat hielt er eine Rede im Bundestag.

Es ist Frank Schäffler. Hier seine Rede vom 13. Juni anlässlich der Übertragung der Bankenaufsicht auf die EZB:

Schäffler, der sich neben Richter u.a. auch auf Ludwig von Mises, Friedrich August von Hayek und Ayn Rand beruft, lehnt die Euro-Rettungspolitik ab und befürwortet ein System von konkurrierenden Währungen, also freies Marktgeld. Eine Position, die in unserer Zeit wie eine Utopie klingt, da sich alle bereits an Zentralbanken und ungedecktes Papiergeld gewöhnt haben. In der Süddeutschen wurde Schäffler als ein Mann beschrieben, der sich ins 19. Jahrhundert zurücksehnt, in die Zeit des Manchesterliberalismus. Das ist zutreffend. Was hat der Manchesterliberalismus in Deutschland angerichtet? Schauen wir es uns mal genauer an:

Der klassische Liberalismus zur Zeit des Deutschen Bundes von 1815 bis 1866 führte innerhalb weniger Generationen von einem durch die Napoleonischen Kriege ruinierten Agrarstaat zu einer der produktivsten Industrienationen der Welt. Der Auslöser dieses einzigartigen Wirtschaftsaufschwungs war ein liberaler institutioneller Rahmen mit Gewerbe- und Vertragsfreiheit, stabilen Eigentumsrechten, Freihandel und einem Systemwettbewerb, der deshalb so lange existierte, weil es auf Ebene des Deutschen Bundes keine Zentralregierung gab.

Das Geldsystem basierte auf einem Gold- und Silberstandard, und mit der Hamburger Bank gab es gar eine Finanzinstitution, die sich an eine 100% Deckung bei der Ausgabe von Buchgeld und Krediten hielt. Insbesondere in der Zeit von 1848 bis 1862 war Deutschland auf dem besten Weg zu einer idealen „Österreichischen Welt“. Diese Entwicklung wurde mit dem Aufstieg Otto von Bismarcks abrupt beendet.

Leider ist es Eugen Richter nicht gelungen, Bismarck aufzuhalten und den Manchesterliberalismus zu retten. Die segensreiche Zeit der Kleinstaaterei ging zu Ende. Der Liberalismus und die Werte der Aufklärung gingen der deutschen Mentalität – bis heute – weitgehend verloren. Aber Schäffler lässt sich davon nicht entmutigen. Er und sein Kollege Holger Krahmer, ebenfalls ein klassisch Liberaler und regelmäßiger Gastautor bei der Achse des Guten, wollen in der FDP den klassischen Liberalismus wieder aufleben und fordern einen „Liberalen Aufbruch„. Damit seien 25 Prozent der Stimmen zu holen. Werden sie es schaffen, Eugen Richters Werk fortzuführen?

4 Antworten to “Remember Eugen Richter”

  1. Silem Says:

    Da stellt es mir ja die Haare zu berge. Was ich hier lesen muss ist historisch unhaltbar.

    „1815 bis 1866 führte innerhalb weniger Generationen von einem durch die Napoleonischen Kriege ruinierten Agrarstaat zu einer der produktivsten Industrienationen der Welt.“
    Das ist unhaltbar. Erstens wird hier der Deutsche Bund in direkte Verbindung mit Deutschland gestellt was völlig unhaltbar ist zweitens entwickelte sich bis 1866 ganz sicher keine Industrienation aus dem deutschen Bund. Das wichtigste Bundesglied Österreich war während der gesamten Zeit ein Agrarstaat welcher bis zu seinem Untergang sich nicht industrialisieren konnte.

    „Der Auslöser dieses einzigartigen Wirtschaftsaufschwungs war ein liberaler institutioneller Rahmen mit Gewerbe- und Vertragsfreiheit, stabilen Eigentumsrechten, Freihandel und einem Systemwettbewerb,“

    liberaler institutioneller Rahmen? Hat da jemand den Vormärz und die Zeit der Reaktion vergessen? Die Zeit des Deutschen Bundes war alles aber sicherlich nicht liberal. Sofort nach dem Zusammenbruch des napoleonischen Frankreichs begann die Zeit der Reaktion. Unterdrückung, Zensur und der uneingeschränkte Absolutismus blieben bis zu den Revolutionen und teilweise darüber hinaus in Kraft. Auch lag es sicherlich nicht am fehlen einer „Zentralregierung“. Als Deutschland eine Zentralregierung bekam (Deutsches Reich) entwickelte sich die Nation zur stärksten Industriemacht und konnte erst wieder durch die USA eingeholt werden. In der Zeit des Reiches und damit der Zentralregierung fällt die Phase der Hochindustrialisierung welche mit nichts aus den Bundeszeiten vergleichbar wäre. Desweiteren hatte selbst während dem Deutschen Bund jeder Staat eine starke Zentralregierung. Und oh Wunder, im Land mit der wohl stärksten Zentralisierung, Preußen fand die größte Industrialisierung statt.

    „Diese Entwicklung wurde mit dem Aufstieg Otto von Bismarcks abrupt beendet.“

    Die Entwicklung der sozialen Verelendung wurde mit dem Aufstieg Bismarcks beendet. Es gab keinerlei Absicherung sobald jemand Arbeitsunfähig war oder sobald man in den Ruhestand gehen musste. Man arbeitete bis ins Greisenalter um dann schwer krank und kaputt-gearbeitet bis zu seinem Tod dahinzuvegitieren. Es ist sicherlich keine Glanzzeit für die Bevölkerung gewesen und die Bildung des Proletariats war sicherlich kein „Verdienst des Liberalismus“. Bismarck ist es zu verdanken das es in Deutschland zu keiner bolschewistischen Revolution kam und zur Lösung der sozialen Frage. Durch seine umfassenden sozialen Reformen ermöglichte er das der Wohlstand der Masse auch bei der Bevölkerung ankam und man nicht im Unglückfall verelendete. Auch ist die Einführung der sozialen Sicherung, sicher kein Verlust für Deutschland, im Gegenteil stoppte es die Industrialisierung nicht.

    Ach und das hervorragende Eisenbahnsystem Deutschlands entwickelte sich auch nicht im „freien Wettbewerb“. Im Gegenteil hatte Moltke die Kriegs entscheidende Wirkung der Eisenbahn erkannt und deshalb auf deren Ausbau gedrängt.

    • arprin Says:

      Erstens wird hier der Deutsche Bund in direkte Verbindung mit Deutschland gestellt was völlig unhaltbar ist zweitens entwickelte sich bis 1866 ganz sicher keine Industrienation aus dem deutschen Bund.

      Der Deutsche Bund umfasste die meisten deutschen Staaten und die Industrialisierung begann während der Zeit des deutschen Bundes.

      liberaler institutioneller Rahmen? Hat da jemand den Vormärz und die Zeit der Reaktion vergessen? Die Zeit des Deutschen Bundes war alles aber sicherlich nicht liberal. Sofort nach dem Zusammenbruch des napoleonischen Frankreichs begann die Zeit der Reaktion. Unterdrückung, Zensur und der uneingeschränkte Absolutismus blieben bis zu den Revolutionen und teilweise darüber hinaus in Kraft.

      Beim Thema Unterdrückung und Zensur hast du ja Recht, aber mit „liberaler institutioneller Rahmen“ war die ökonomische Situation gemeint. Dazu der verlinkte Artikel bei Freitum:
      „Der 1815 gegründete Deutsche Bund bestand aus 35 autonomen Staaten und vier freien Städten, die eigene Steuer- und Rechtsordnungen hatten. Anfänglich lähmten noch 38 Zoll- und Mautlinien den freien Waren- und Personenverkehr. Doch in den Jahren nach 1815 sprachen sich Fabrikanten, Kaufleute und Publizisten, wie der Ökonom Friedrich List, für einen freien Handel aus und trugen so maßgeblich zur Gründung des Deutschen Zollvereins im Jahr 1834 bei. Der Deutsche Zollverein wurde zur bedeutendsten interstaatlichen Freihandelszone seiner Zeit. Da es auf Ebene des Deutschen Bundes keine Regierung gab, hinderte der Systemwettbewerb die Mitgliedstaaten daran, hohe Steuern zu erheben oder Unternehmen zu stark zu regulieren.“

      Auch lag es sicherlich nicht am fehlen einer “Zentralregierung”. Als Deutschland eine Zentralregierung bekam (Deutsches Reich) entwickelte sich die Nation zur stärksten Industriemacht und konnte erst wieder durch die USA eingeholt werden.

      Deutschland wurde nicht wegen, sondern trotz Bismarck zur Industriemacht.

      Die Entwicklung der sozialen Verelendung wurde mit dem Aufstieg Bismarcks beendet. Es gab keinerlei Absicherung sobald jemand Arbeitsunfähig war oder sobald man in den Ruhestand gehen musste. Man arbeitete bis ins Greisenalter um dann schwer krank und kaputt-gearbeitet bis zu seinem Tod dahinzuvegitieren. Es ist sicherlich keine Glanzzeit für die Bevölkerung gewesen und die Bildung des Proletariats war sicherlich kein “Verdienst des Liberalismus”. Bismarck ist es zu verdanken das es in Deutschland zu keiner bolschewistischen Revolution kam und zur Lösung der sozialen Frage. Durch seine umfassenden sozialen Reformen ermöglichte er das der Wohlstand der Masse auch bei der Bevölkerung ankam und man nicht im Unglückfall verelendete. Auch ist die Einführung der sozialen Sicherung, sicher kein Verlust für Deutschland, im Gegenteil stoppte es die Industrialisierung nicht.

      Die Einführung der Sozialversicherung bedeutete das faktische Ende der freiwilligen Selbsthilfe und die Überführung in die staatliche Abhängigkeit. Die Bismarckschen Reformen waren destruktiv gemeint, was sich vor allem daran zeigt, dass zuerst (1883) die Krankenversicherung eingeführt wurde, das war nämlich der effizienteste Bereich der privaten und genossenschaftlichen Vorsorge gewesen. Die Arbeitslosenversischerung wurde erst 1927 eingeführt, weil die privatgenossenschaftlichen Versicherungen das nur scher organisieren konnten. Nicht dort, wo es am dringendsten war, wurde reformiert, sondern dort, wo es den liberalen Unterbau am härtesten traf.

      Ach und das hervorragende Eisenbahnsystem Deutschlands entwickelte sich auch nicht im “freien Wettbewerb”. Im Gegenteil hatte Moltke die Kriegs entscheidende Wirkung der Eisenbahn erkannt und deshalb auf deren Ausbau gedrängt.

      Das Eisenbahnsystem wurde im 19. Jahrhundert von Privatunternehmen errichtet und erst dann verstaatlicht, als sich ihr Erfolg zeigte:
      http://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_der_Eisenbahn_in_Deutschland#Das_Streben_nach_der_Staatsbahn

      • Silem Says:

        „Der Deutsche Bund umfasste die meisten deutschen Staaten und die Industrialisierung begann während der Zeit des deutschen Bundes.“

        1785 wurde die erste Dampfmaschine in Preußen eingeführt. Die Industrialisierung setzte auch bereits vor dem Deutschen Bund ein.

        „Doch in den Jahren nach 1815 sprachen sich Fabrikanten, Kaufleute und Publizisten, wie der Ökonom Friedrich List, für einen freien Handel aus und trugen so maßgeblich zur Gründung des Deutschen Zollvereins im Jahr 1834 bei. Der Deutsche Zollverein wurde zur bedeutendsten interstaatlichen Freihandelszone seiner Zeit.“

        Auch das ist historisch nicht haltbar. Friedrich List forderte nicht den freien Handeln. Friedich List forderte nach der Aufhebung der Kontinentalsperre Protektionismus gegen England. Er erklärte das die Deutschen sonst „Wasserträger und Holzhacker“ der Briten werden würden. Hier geht es um Nationalismus und nicht um Liberalismus.

        „Die Einführung der Sozialversicherung bedeutete das faktische Ende der freiwilligen Selbsthilfe und die Überführung in die staatliche Abhängigkeit.“

        17. Januar 1813: In Preußen trat ein Gesetz in Kraft, das die Gründung von Krankenkassen für Arbeiter genehmigte. Dies war der erste Schritt für die Entwicklung der Sozialversicherung. Durch dieses Gesetz konnten Gemeinden des Reichgebiets Arbeiter und Gehilfen zu dem Beitritt in die Kassen zwingen. Dies war der erste Ansatz zur Versicherungspflicht.

        „Das Eisenbahnsystem wurde im 19. Jahrhundert von Privatunternehmen errichtet und erst dann verstaatlicht, als sich ihr Erfolg zeigte:“

        Das stimmt so auch nicht. In Süddeutschland begann man früh mit der Verstaatlichung von Eisenbahnen oder direkt der Schaffung von Staatsbahnen. Auch wurde in Preußen nicht eine Staatsbahn geschaffen weil sie so erfolgreich war sondern weil es wirtschaftliche Schwierigkeiten von privaten Bahnen gab.

  2. denker Says:

    Sorry, aber Schäffler und Krahmer sind weit, weit entfernt von Richter. Das gilt z.B. bei Schäfflers Zustimmung zu weltweiten Kriegseinsätzen – Richter war konsequent gegen militärische Interventionen und Imperialismus, schon aus Kostengründen – oder zum „Schwarzarbeiterbekämpfungsgesetz“, um nur einige zu nennen.

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