Es war mein innerer Reichsveggieday, als die ersten Hochrechnungen die Grünen bei 8,4% sahen. Einige Prozentpunkte weniger als bei den Umfragen vor der Wahl, zwei Drittel weniger als während der Fukushima-Hysterie. Am Wahlabend ist mir etwas in Erinnerung geblieben: Im ZDF analysierte Cem Özdemir die Gründe, warum seine Partei ein so niedriges Ergebnis eingefahren hat. Er meinte, dass die Debatte um den Veggie-Day den Eindruck hat entstehen lassen, dass die Grünen die Bürger bevormunden wollen, aber das sei falsch, denn „Wir sind eine libertäre Partei, keine Verbotspartei“. Özdemir ist nicht der einzige, der sowas behauptete. Trittin sagte vor der Wahl, die Grünen seien eine liberale Partei.
Der Begriff „Libertarismus“ ist im deutschen Sprachgebrauch nicht genau definiert. Meistens werden damit Positionen beschrieben, die dem klassischen Liberalismus nahestehen, aber auch Anarchisten firmieren unter diesem Titel. Was alle „Libertäre“ gemeinsam haben ist die Ablehnung von staatlichen Verboten. Liberale wollen nur Leben, Freiheit und Eigentum schützen lassen, alle Gesetze, die darüber hinaus gehen, sehen sie als ungerechtfertigte Eingriffe in die Freiheit der Menschen an. Die Grünen gehen jedoch bekanntlich etwas weiter. Vor allem Eigentum und Freiheit sind den Grünen komplett egal, was sich an ihren Steuererhöhungsplänen und ihren Verbotsorgien zeigt.
Die Verbotsforderungen der Grünen sind lang:
Verbot von Nachtflügen
Verbot von Plastiktüten
Verbot von Motorrollern
Verbot von Ölheizungen
Verbot von Süßigkeitenwerbung
Verbot von Gentechnik
Verbot von Glühbirnen
Verbot von 1. Klasse-Abteilung in Zügen
usw.
Grüne Politik hat so gut wie gar nichts mit liberaler Politik gemeinsam. Was die Grünen fordern ist, dass der Staat das Leben der Bürger bis ins kleinste Detail regelt. Leider missbrauchen nicht nur die Grünen den Begriff Liberalismus, auch Oskar Lafontaine beansprucht ihn für sich. Sozialismus ist für ihn „nichts anderes als ein zu Ende gedachter Liberalismus“, meinte er vor zwei Jahren im Tagesspiegel. Denn die Liberalen hätten nur Freiheit für privilegierte Schichten gefordert, die Sozialisten aber Freiheit für alle, dazu zählt laut Lafontaine auch der Schutz vor kapitalistischer Ausbeutung. Christian Lindner, der Favorit für den Posten als FDP-Vorsitzender, widersprach ihm einige Zeit später.
Aber wie liberal ist Lindner? Schauen wir uns mal ein Zitat von ihm aus dem Buch „Brückenschläge – Zwei Generationen, eine Leidenschaft” an:
Es gibt genug historische Belege, dass der ungeordnete Markt eben nicht eine ‘unsichtbare Hand’ ist, die alles zum Guten fügt, wie Adam Smith das im 18. Jahrhundert gedacht hat. Das ist Steinzeitliberalismus, den man heute nicht mehr wörtlich nehmen darf. Ich beziehe mich stattdessen immer wieder auf ein Wort von Alexander Rüstow, der mitten in der Weltwirtschaftskrise Anfang der dreißiger Jahre gesagt hat: ‘Der neue Liberalismus jedenfalls, der heute vertretbar ist, fordert einen starken Staat, einen Staat oberhalb der Wirtschaft, oberhalb der Interessenten, da, wo er hingehört.’
Der Staat steht oberhalb der Wirtschaft – das ist mal eine klare Ansage. Ich bin ja eigentlich gegen Keulen, also auch gegen die Sozialistenkeule, und befürworte sachliche Argumente. Aber wenn ein echter Liberaler mit Möchtegern-Liberalen wie Özdemir, Trittin, Lafontaine oder Lindner zusammentrifft, würde ich Verständnis haben, wenn er das tut, was Ludwig von Mises einmal auf einer Sitzung der liberalen Mont-Pelerin-Gesellschaft tat. Als die Teilnehmer begannen, über die Rolle des Staates bei der Währung zu sprechen, sprang er auf und stürmte mit den Worten „Ihr seid ein Haufen von Sozialisten!“ aus dem Saal.
September 25, 2013 um 23:15 |
Test
September 26, 2013 um 00:03 |
Wenn man den Staat als Rahmensetzer akzeptiert, muss er im Grunde zwangsläufig über der Wirtschaft stehen. Wie sollte er sonst, bspw. Vertragsfreiheit gewährleisten? (Sofern man davon ausgeht, das man ihn dazu braucht. 😉 ) Oberhalb der Intressen ist sowieso gut.
Aber Steinzeitliberalismus, das nehm ich ihm übel.
September 26, 2013 um 11:36 |
Nicht „darüber“, sondern daneben. Er setzt gewisse Rahmen, wie er das sonst auch in gewissem Maß tut, aber das wars.
September 27, 2013 um 15:46 |
Lindner hat bereits Mindestlöhne befürwortet. Das zeigt, was er damit meint, wenn er sagt, dass der Staat über der Wirtschaft stehen soll.
September 26, 2013 um 19:05 |
Wenn man den Staat als Rahmensetzer akzeptiert….
Ja, wenn man ihn akzeptiert.
September 29, 2013 um 18:32 |
arprin sagt: „Lindner hat bereits Mindestlöhne befürwortet.“
Hat Lindner denn gesagt, für welche Bereiche er Mindestlöhne befürwortet?
Sollte seine Forderung auf Bundestag und Europa-Parlament bezogen sein, kann ich der Einführung eines Mindestlohns nur zustimmen, sofern dieser nicht höher ausfällt als 2,50 € pro Std.
September 29, 2013 um 23:34 |
Er befürwortet Branchenmindestlöhne, so wie Merkel:
http://www.focus.de/regional/nrw/parteien-lindner-verteidigt-geplante-oeffnung-der-fdp-fuer-mindestloehne_aid_980142.html
„Konkret wollen wir erleichtern, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer sich auf Tarifverträge einigen, die danach für eine Branche allgemein verbindlich erklärt werden können“
PS: Für Europa-Parlamentarier sind 2,50 viel zu hoch. 🙂
Oktober 3, 2013 um 18:24 |
„Sozialist“ ist keineswegs mehr überall ein Schimpfwort:
http://todayszaman.com/news-327917-turkish-pms-top-aide-says-erdogan-is-true-socialist.html