Nachdem der Guardian über die schlimme Lage der entrechteten Arbeitsmigranten in Katar aufmerksam machte, haben sich natürlich sofort einige Stimmen erhoben, die „den Kapitalismus“ für die Situation der Arbeiter verantwortlich machen. So sprach Rainer Grünberg im Hamburger Abendblatt von der „hässlichen Fratze des Kapitalismus“ und in der eigentlich unpolitischen Sportseite „Spox“ stellte ein User in einem Blog gleich die Systemfrage:
Wir leben im Kapitalismus. Und Katar macht aktuell nichts anderes, was der Rest der Welt auch tut: Denjenigen, der nichts hat, ausbeuten. Im Kapitalismus entscheidet das Kapital die Spielregeln. Hast du Kapital, Glückwunsch, jetzt suchst du dir Humankapital und lässt sie arbeiten und tauscht sie aus, wenn sie aufsässig werden. Es gilt die Maxime: Eine Schicht muss leiden, damit die Andere in Saus und Braus leben kann. Nichts anderes geschieht in Katar. Kapitalismus in seiner reinsten Form.
Es ist unbestritten, dass es Unternehmer gibt, die sich nicht um die Rechte ihrer Arbeiter kümmern und sogar über Leichen gehen. Das ist aber kein Grund, um gegen den Kapitalismus zu sein, denn Kapitalismus bedeutet eben nicht „Alle Macht den Unternehmern“. Kapitalismus bedeutet, in aller Kürze, dass nicht eine zentrale Behörde entscheidet, was produziert und zu welchem Preis etwas verkauft wird, sondern die Arbeitgeber und Arbeitnehmer in ihren freien Entscheidungen. Das heißt auch, dass jeder Arbeiter die völlige Vertragsfreiheit hat und nicht vom Staat reguliert wird. Stellt sich also die Frage: Haben die Arbeitsmigranten in Katar Vertragsfreiheit?
Definitiv nicht. Human Rights Watch berichtete schon im Juni 2012, dass das Sponsorensystem in Katar, mit denen Gastarbeiter angelockt werden, zu den restriktivsten in der Region gehört. Einmal angekommen, dürfen Beschäftigte ihren Arbeitsplatz nicht ohne Erlaubnis des Arbeitgebers wechseln, egal, wie lange sie für ihn arbeiten – von Vertragsfreiheit keine Spur. Außerdem brauchen Angestellte eine „Ausreiseerlaubnis“ von ihrem Arbeitgeber, um das Land zu verlassen. Diesen Bedingungen haben sie in ihrem Heimatland natürlich nicht zugestimmt.
Die tagesschau berichtet von einem Arbeitsmigranten:
Ich habe in Nepal 600 Dollar, rund 450 Euro, versprochen bekommen für die Arbeit hier. Am Flughafen in Dehli, im Transitbereich haben sie den Vertrag zerrissen und weggeworfen. Im Flugzeug bekam ich meinen neuen Vertrag, der Lohn lag dann nur noch bei 190 Euro. Und dann habe ich fünf Monate lang kein Geld gesehen. Ich hab extra einen Kredit aufgenommen, um hierher zu kommen – jetzt kann ich ihn nicht zurückzahlen. Ich bin von der Baustelle abgehauen, nun bin ich illegal im Land.
Die Anti-Kapitalisten glauben bekanntlich, dass die Menschen zu dumm sind, um Entscheidungen für sich selbst zu treffen und deshalb eine zentrale Behörde die Wirtschaft lenken sollte. In Katar trifft dieser Vorwurf aber nicht zu. Die Arbeitsbedingungen der Gastarbeiter in Katar entstanden nicht in einem freien Markt, sondern wurden von einem staatlichen Sponsorensystem festgelegt. Somit besteht kein Grund, um für die Lage der Arbeitsmigranten in Katar den Kapitalismus zu verdammen.
Die Entrechtung von Arbeitern durch Unternehmen als Argument gegen den Kapitalismus anzuführen ist genauso lächerlich wie die Bankenrettungen. Im Kapitalismus gibt es nämlich auch das Prinzip der Haftung: Jeder haftet selbst für seine Gewinne oder Verluste. Wer also gegen die Entrechtung von Arbeitern und die Bankenrettungen protestiert, ist nicht gegen den Kapitalismus, sondern für Vertragsfreiheit und Haftung – zwei kapitalistischen Grundprinzipien.
Oktober 6, 2013 um 01:13 |
3mal3 macht6 widiwip ich mag mir die Welt wie sie mir gefällt hej Sozialisten trallali tralala Hopsala Hej komunisten ich mach mir die Welt wie sie mir gefällt.
Oktober 6, 2013 um 19:30 |
Ich konnte es nicht hören, aber ich weiß, dass es besser war als Andrea Nahles‘ Gesangseinlage im Bundestag. 😉
Oktober 6, 2013 um 14:53 |
den Kapitalismus der Golfstaaten anzuprangern ist politisch korrekt.
warum sich die Scheichs und Emirs nicht irgendwelche armen verfolgten Araber für die Drecksarbeit ins Land holen, sondern lieber auf die Dienste von Ungläubigen zurückgreifen, wird in den Medien hingegen kaum thematisiert:
http://aron2201sperber.wordpress.com/2013/07/29/asyl-in-europa-statt-schuften-am-golf/
Oktober 9, 2013 um 19:16 |
Für die Drecksarbeit nimmt man halt Ungläubige und keine anderen armen Araber.
Oktober 6, 2013 um 17:46 |
Die Golstaaten sind entweder konstitutionelle Erbmonarchien, wie die arabischen Emirate und Kuwait oder sogar absolute Monarchien, wie Saudi Arabien und Katar. Beim Kapitalismus in Katar handelt es sich nicht um bürgerlichen Kapitalismus, sondern um ja, was eigentlich, feudalistischen Kapitalismus?
Was hier viele mal wieder mit Kapitalismus verwechseln, ist, dass nicht „der Kapitalismus“, sondern dass die Knappheit, die gleichzeitig die Grundlage des Kapitalismus ist, der Verursacher des Leids ist. In diesem Fall ist bürgerliches Recht das z.B. die Vertragsfreiheit sichert, knapp. Wäre diese vorhanden, wäre das Leid schon weitaus weniger, aber trotzdem noch vorhanden, woran aber nicht die Vertragsfreiheit oder bürgerliches Recht oder der Kapitalismus Schuld haben, sondern die Knappheit. Im Gegenteil, Kapitalismus, bürgerliches Recht und Vertragsfreiheit helfen dabei die Knappheit und damit die eigene Grundlage immer weiter zu beseitigen. Sonst wären die westlichen Gesellschaften schließlich nicht die am weitesten entwickelten Länder.
In den Golfstaaten ist es einfach zu günstig sich Sklaven zu halten. Es stört niemanden wirklich, niemand setzt noch nichteinmal bürgerliches Recht durch.
„Kapitalismus bedeutet, in aller Kürze, dass nicht eine zentrale Behörde entscheidet, was produziert und zu welchem Preis etwas verkauft wird, sondern die Arbeitgeber und Arbeitnehmer in ihren freien Entscheidungen.“ Kapitalismus kann auch Plan- also Zentralverwaltungswirtschaft bedeuten, siehe Zeit des Nationalsozialismus (http://de.wikipedia.org/wiki/Planwirtschaft#Nationalsozialismus) oder USA 1973, als Nixon Preise und Löhne einfrieren ließ. Hierbei haben sich dann die Marktteilnehmer freiwillig oder unfreiwillig auf eine zentrale Behörde geeinigt, die mehr oder weniger schlecht Markt spielt oder in den Markt eingreift. Darauf hat auch David D. Friedman hingewiesen, als er meinte, dass sich staatsähnliche Organisationen im Anarchokapitalismus herausbilden könnten.
Oktober 7, 2013 um 00:09 |
[…] Jorge Arprin bei arprin: Katar, die FIFA und der Kapitalismus […]
Oktober 9, 2013 um 19:14 |
Hoffentlich kriegen diese Schweine und ihre repressiven „Staatsgebilde“ irgendwann mal die Quittung für ihre Verbrechen.
Oktober 17, 2013 um 21:03 |
http://www.welt.de/sport/fussball/bundesliga/fc-bayern-muenchen/article120961081/Rummenigge-will-sein-Gehalt-nicht-offenlegen.html
Na, was zählen schon ein paar Rolex verglichen mit dem Schicksal nepalesischer Arbeiter, da hat der Kalle schon Recht, da muss man Prioritäten setzen.
Oktober 17, 2013 um 23:14 |
Ich finde, dass Rummenigge sein Gehalt nicht offenlegen muss und Rolex sollten nicht verzollt werden. Aber dieser Satz “Wir Deutschen sollten aufpassen, dass wir es mit der Kritik nicht übertreiben. Unsere Industrie hat wichtige Aufträge in Katar” ist absolut unterirdisch!
Oktober 18, 2013 um 09:47
Deine Antwort ist absolut korrekt. Es ging mir in dem Artikel auch nur um diesen Satz.
Oktober 18, 2013 um 23:18
Hatte ich schon verstanden. 😉
März 5, 2020 um 20:45 |
[…] nun für mich die freie Marktwirtschaft? Wenn die Marktakteure eben nicht mehr frei sind so wie im Sklavenstaat Katar. Katar ist der Staat, in dem 2022 die nächste Fußball-WM stattfinden wird. Höchstwahrscheinlich […]