Archive for Dezember 2013

Apocalypse? No

Dezember 27, 2013
Prometheus bringt der Menschheit das Feuer

Ist die Menschheit schon erleuchtet worden?

Mein erster Artikel dieses Jahres rief zu optimistischem Realismus auf. Im Jahr 2012 hatte es zwar viele Krisen gegeben, aber für die Menschheit hatte sich sehr vieles gebessert: Der Anteil der unterernährten Menschen war gesunken, die Lebenserwartung gestiegen und die Menschheit genoss einen immer höheren Lebensstandard. Anstatt zu denken: „Alles wird schlimmer und wir können es nicht verhindern“, plädierte ich dafür, uns mehr Mut zu machen, in etwa so: „Wir haben ein Haufen Probleme, aber wir können sie lösen und haben bereits viele erfolgreich gelöst“.

Auch das Jahr 2013 war von vielen Krisen geprägt – die syrische Tragödie, die Gewalt in Ägypten, der Terror im Irak, der andauernde Drogenkrieg in Mexiko, die Wirtschaftskrise in Venezuela, die Instabilität in Südsudan und vieles mehr – und dennoch war es für die Menschheit ein gutes Jahr, wenn es um die Bekämpfung von Armut, Hunger und Krankheiten ging. Für jeden, dem das Wohl unserer Spezies am Herzen liegt, ist das eine gute Nachricht. Es scheint, als würde Prometheus, der große Kulturbringer, die Menschheit erleuchten. Schauen wir uns mal einige gute Nachrichten an.

Die Anzahl und Intensivität der Kriege hat seit 1988 merklich abgenommen. Leider werden verhärtete Konflikte wie in Syrien oder Mexiko wohl nicht so schnell gelöst werden. Allerdings sollten wir uns in Erinnerung rufen, dass es in früheren Jahrzehnten viel blutiger zuging. Wir befinden uns nachweislich in der friedlichsten Zeit der Menschheitsgeschichte. Steven Pinker nennt es den „Neuen Frieden“. Bryan Caplan fragt sich, was wir zuerst erleben werden: Weltfrieden oder fahrerlose Autos. Nun gut, fahrerlose Autos sind sicher im Vorteil, aber dass wir überhaupt diese Frage stellen, ist etwas Sensationelles. (more…)

Alan Turing begnadigt

Dezember 24, 2013
Eine Statue in Surrey erinnert an Alan Turing

Eine Statue in Surrey erinnert an Alan Turing

Es hat fast 60 Jahre gedauert, aber heute ist Alan Turing, einer der größten Genies, die das 20. Jahrhundert hervorgebracht hat, von der Queen begnadigt worden. Der 1912 in London geborene Mathematiker schuf die Grundlagen für die moderne Informatik, trug zum Sieg über Nazi-Deutschland bei und beschäftigte sich auch mit wichtigen Fragen der Biologie. Zeitlebens bekam er jedoch nicht die Würdigung, die ihm zusteht, sondern wurde wegen seiner Homosexualität vom Staat verfolgt und in den Tod getrieben.

Mit 24 Jahren verfasste Turing einen Aufsatz, der das mathematische Modell der „Turingmaschine“ beschrieb, mit denen heute alles arbeitet, was rechnet. Während des Zweiten Weltkriegs half Turing dann in der britischen Einheit für Entschlüsselung, den Nazi-Code Enigma zu knacken, eine entscheidende Wende im Krieg. Nach dem Krieg verfasste er im Jahr 1950 einen Aufsatz, der sich mit dem Thema Künstliche Intelligenz auseinandersetzte. Er schlug den „Turing-Test“ vor, um der Frage nachzugehen, ob Maschinen denken können.

Aber dann nahm seine Geschichte eine hässliche Wendung. Die britischen Behörden verhafteten Turing im Jahr 1952. Homosexuelle Handlungen waren in Großbritannien bis 1967 strafbar. Er wurde vor die Wahl gestellt: Entweder Gefängnis oder Umerziehung. Notgedrungen entschied er sich für zweiteres. Er musste sich einer Hormontherapie unterziehen und wurde chemisch kastriert. Sein Leben wurde zur Hölle gemacht, und am 7. Juni 1954 beging er, psychisch gebrochen, mit 42 Jahren Selbstmord. (more…)

Kennedys Leistungen

Dezember 20, 2013
Sein Mythos lebt weiter

Sein Mythos lebt weiter

Der 22. November 2013 war der 50. Jahrestag des Attentats auf John F. Kennedy. In den Medien wurde an ihn erinnert, Fernsehen und Zeitungen hatten ein Thema für einen ganzen Tag und die Verschwörungstheorien hatten natürlich wie erwartet Hochkonjunktur (ich frage mich ja, warum Jackie Kennedy von niemandem verdächtig wurde. Sie hatte ein Motiv und war am nächsten dran. Aber die wahrscheinlichste Theorie ist noch immer Herzversagen).

Nur wenige sprachen die Wahrheit aus: Kennedy wurde nur durch seine Ermordung zum Mythos. Es ist auch schwer, als Präsident vieles zu leisten, wenn man weniger als drei Jahre im Amt war. Während seiner Präsidentschaft verantwortete er zudem einige Fehler, so z.B. die fehlgeschlagene Schweinebucht-Invasion und die weitere Involvierung in Vietnam. Sein Besuch in Berlin war reine Symbolpolitik. Aber er vollbrachte die Leistung, einen Atomkrieg mit der Sowjetunion zu verhindern, das muss man ihm zugestehen.

Es gibt zwei Aspekte von Kennedy, die heute in Vergessenheit geraten sind. Beim einen liegt es daran, dass es den Linken nicht gefallen dürfte. Es war nämlich niemand Geringeres als Kennedy, der zu den größten Steuersenkern in der Geschichte der USA gehörte. Im Jahr 1962 lag der Spitzensteuersatz bei barbarischen 91%. Er senkte ihn auf 65%, immer noch barbarisch, aber immerhin ein Fortschritt. Kennedy sagte in seiner Rede: „Jeder Dollar, der nicht in Steuern gezahlt wird, kann ausgegeben oder investiert werden und schafft Arbeits­plätze.“ (more…)

WM-Geschichte, Teil 12

Dezember 19, 2013
Die italienische Mannschaft vor dem Zwischenrundenspiel gegen Argentinien

Die italienische Mannschaft vor dem Zwischenrundenspiel gegen Argentinien

Im Jahr 1982 bekriegten sich der Iran und der Irak, die Mudschaheddin bekämpften die sowjetischen Besatzer in Afghanistan, in Deutschland gingen die Menschen gegen die atomare Aufrüstung auf die Straße und vom 13. Juni bis zum 11. Juli fand die 12. Fußball-Weltmeisterschaft in Spanien statt. Deutschland und Österreich schmähen den Fußball mit einem Nichtangriffspakt, ein wütender Scheich sorgt für Furore und Italiens defensiver Fußball triumphiert über die Ballkünstler aus Brasilien.

Die Spanier hatten schon 1966 den Zuschlag für die WM bekommen, da in diesem Jahr die Austragungsorte für 1974, 1978 und 1982 vergeben wurden. Zu dieser Zeit herrschte noch Franco, nach dessen Tod im Jahr 1975 zog die Demokratie ein, die einen Putschversuch im Februar 1981 überstand. Schon in den 1960ern setzte ein Wirtschaftswunder ein, der Spanien in die Liste der 10 größten Volkswirtschaften der Welt katapultierte, noch nie genossen die Spanier einen höheren Lebensstandard. Das fußballverrückte Land hatte also alle guten Voraussetzungen, um eine tolle Weltmeisterschaft auszurichten. (more…)

Zeitreise mit Kim Jong-Un

Dezember 16, 2013

Ein Satellitenbild der NASA aus dem Oktober 2009 zeigt Nordkorea völlig verdunkelt

Die sowjetischen Konzentrationslager waren lange Zeit über unbekannt. Während die nationalsozialistischen Verbrechen nach dem Zweiten Weltkrieg relativ gut dokumentiert wurden und die Welt Opferzahlen, Bilder und Videoaufnahmen zu sehen bekam, wusste die Welt noch Jahrzehnte nach Stalins Tod nur wenig über die kommunistischen Verbrechen. Eine russische Organisation hat nun die Gulags ausfindig gemacht und bietet eine virtuelle Tour an, sozusagen als virtuelles Museum.

Allerdings gibt es derzeit ein Museum, in dem man ebenfalls gut erleben kann, wie es in der Sowjetunion unter Stalin zuging. Es ist ein Real-Life-Museum: Die Demokratische Volksrepublik Korea, oder einfach Nordkorea. In diesem stalinistischen Museum leben etwa 24 Millionen Menschen, und man kann alles besichtigen: Säuberungen, Gulags, riesige Parteikonferenzen, Anbetung des Führers und Hungersnot. Nach dem Tod Kim Jong-Ils vor fast genau zwei Jahren hat sich unter dem neuen Führer Kim Jong-Un kaum etwas geändert. Hier eine kleine Museumsführung:

– Wer wissen will, wie eine Säuberung vonstattenging, kann das nordkoreanische Fernsehen anschalten. Hier sieht man, welche unverzeihlichen Verbrechen den Verrätern der Partei angelastet werden und wie sie dann aus der Vergangenheit verschwinden, als hätten sie nie existiert: Aus allen Bildern und Dokumentationen werden sie einfach gelöscht, regelrecht vaporisiert. In der Sowjetunion ein gewöhnlicher Vorgang während der „Stalinschen Säuberungen“, an denen täglich 1.000 Menschen ermordet wurden. (more…)

Von linken Heuchlern und NSA-Appeasern

Dezember 12, 2013

Yes, we scan: Von der versprochenen Transparenz blieb bei Obama keine Spur

Normalerweise sind Intellektuelle nicht gerade für vernünftige Ansichten bekannt. Aber an diesem Dienstag gab es eine löbliche Initiative: 562 Schriftsteller forderten in einem weltweit veröffentlichten Aufruf ein Ende der Massenüberwachung durch Geheimdienste. Der Aufruf wurde von vielen positiv aufgenommen, so auch vom SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel. Gleichzeitig plädiert Gabriel für die Vorratsdatenspeicherung, für die weitere Aushebelung des Bankgeheimnisses und Steuer-CD-Ankauf – ein weiteres Zeichen, dass wir uns in einer Zeit befinden, in dem Inhalte bei Politikern nicht so wichtig sind.

Die NSA-Spähaffäre gehörte ohne Frage zu den wichtigsten politischen Themen dieses Jahres. Wie in Deutschland damit umgegangen wurde, ist eine Bankrotterklärung. Es gab drei Lager, von denen aber nur zwei wirkliche Beachtung fanden. Die Linken, die gern auf Amerika eindreschen, zeigten sich besorgt, während sie selbst kein Problem mit anderen Formen der Überwachung haben (so z.B. Gabriel), die Konservativen verteidigten die Überwachungsmaßnahmen, weil die Sicherheit der Bürger in ihren Augen wichtiger ist als Privatsphäre und die ganzen NSA-Kritiker ja sowieso nur Antiamerikaner seien.

Es gab also einerseits die linken Heuchler (sehr wahrscheinlich gehören viele der 562 Schriftsteller dazu) und andererseits die NSA-Appeaser, diese beiden Lager dominierten die NSA-Debatte in Deutschland. Das dritte Lager, dass sich ernsthaft um die Freiheitsrechte besorgte und dem es nicht um eine pro- oder anti-amerikanische Einstellung ging, fand kaum Gehör. Es muss dringend eine wirkliche Debatte geführt werden, wie der Schutz der Privatsphäre garantiert werden kann, ohne Heuchelei, denn mit einem Gabriel als Hüter von Freiheitsrechten kann nichts Gutes herauskommen. (more…)

Freihandel und freie Einwanderung

Dezember 8, 2013
lk

Händler aus früheren Zeiten

Die besten Nachrichten sind die, mit denen man nicht gerechnet hat. Die diesjährige Klimakonferenz in Warschau ist gescheitert, die WTO-Konferenz in Bali dagegen endete mit einem als historisch betitelten Abkommen, auf den sich fast 160 Länder geeinigt haben. Das Abkommen sieht den Abbau von Zöllen, die Verringerung von Agrarsubventionen und Handelserleichterungen für die Entwicklungsländer vor. Man sehe und staune: Die Politiker der Welt einigten sich tatsächlich beim Thema Freihandel, aber nicht beim Thema Klimaschutz. Sind sie vielleicht doch vernünftiger als wir denken?

In den deutschen Medien heißt es zum Abkommen, Deutschland würde als Exportnation besonders profitieren. Aber es sind nicht nur exportorientierte Länder, die vom Freihandel profitieren, sondern alle Länder auf der Welt. Die einzigen, die als Verlierer gelten dürften sind die, die sich mit Subventionen und hohen Zöllen dem Wettbewerb verweigerten, natürlich auf Kosten der Allgemeinheit, der man jedoch weismachte, es sei in ihrem „Interesse“. Das Freihandelsabkommen ist vor allem eine große Chance für die armen Entwicklungsländer, sie haben am meisten zu gewinnen.

Die Ursachen für die schlechte wirtschaftliche Lage in den Entwicklungsländern liegen nicht nur in den hohen bürokratischen Hürden und fehlenden Eigentumsrechten begründet, die Hernando de Soto ausführlich beschrieben hat (und die laut ihm der wichtigste Grund für den Ausbruch des Arabischen Frühlings war), sondern auch in der protektionistischen Politik der Industrieländer. Die europäischen Länder haben sich nicht nur jahrzehntelang gegen Waren aus Afrika abgeschottet, sie haben auch mit Exportsubventionen geholfen, einheimische afrikanische Hersteller zu zerstören. (more…)

Das Argument mit der Natürlichkeit

Dezember 3, 2013
Das Symbol der gleichgeschlechtlichen Ehe

Das Symbol der gleichgeschlechtlichen Ehe

Manchmal kann die Schludrigkeit von Funktionären Segen bewirken. Günter Schabowski las sich in den Endtagen der DDR die Regelungen zum neuen Reisegesetz nicht durch, die Folge war der Mauerfall. In Costa Rica geschah dieses Jahr etwas Ähnliches. Konservative Abgeordnete lasen sich eine Gesetzesvorlage nicht durch und unterschrieben sie. Die Folge war die Einführung der Homo-Ehe. Nachdem der Fauxpas bemerkt wurde, versuchten die Konservativen vergeblich, ihn rückgängig zu machen.

In Europa ist man da schon weiter. Die Niederlande waren 2001 das erste Land mit Homo-Ehe überhaupt, heute gibt es sie schon in 9 Ländern, und nächstes Jahr wird Großbritannien folgen. Mittlerweile befürworten auch Kirchenvertreter die Homo-Ehe, so z.B. Nick Holtam, derzeit amtierender Bischof von Salisbury. Allerdings stellt er eine Bedingung: Die Homo-Ehe ist nur dann akzeptabel, wenn man davon ausgeht, dass Homosexualität etwas Natürliches ist, also angeboren, ohne dass man eine Wahl hätte.

Das Argument mit der Natürlichkeit wird auch gerne von den Befürwortern der Homo-Ehe gerne gebracht. im Internet stößt man auf ein Meme, indem es heißt „Homosexualität findet sich bei über 450 Arten, Homophobie nur bei einer – was ist unnatürlich?“. Craig Fairnington meint jedoch, dass das „born this way“-Argument nicht das Beste ist, sondern eher kontraproduktiv. Kurz zusammengefasst: Es ist völlig egal, ob Homosexualität angeboren ist oder nicht. Ob etwas natürlich ist oder nicht, spielt keine Rolle bei der Frage, ob es erlaubt oder verboten sein sollte. (more…)