Archive for Juni 2014

Kulturstaaten unter sich

Juni 27, 2014
Die Traumfabrik produziert auch mal Blödsinn

Großartiges Kino ganz ohne Regulierung

In letzter Zeit haben Gegner des geplanten Freihandelsabkommens zwischen der EU und den USA (TTIP) vielfach vor den negativen Folgen von Freihandel gewarnt. So befürchteten die Grünen die Invasion von amerikanischen Chlorhühnern. Ein noch viel schlimmeres Horrorszenario malte Klaus Staeck, der Präsident der Berliner Akademie für Künste, an die Wand: Das Ende der Kultursubventionen. Wenn durch TTIP die Filmförderung, den öffentlich-rechtliche Rundfunk und die Buchpreisbindung abgeschafft werden, würden die Amerikaner kommen und die gesamte europäische Kultur zerstören.

Der EU-Kommissar Karel de Gucht „beruhigte“ die Schwarzmaler und stellte klar, dass die Kulturförderung nicht Teil des Abkommens sein werde. Das ist in Europa offenbar Konsens, auch die Franzosen wollen ihre Kultur weiterhin „schützen“ lassen. Die Kulturstaatsministerin Monika Grütters meinte, es gehe dabei „um das große Ganze“, um die deutsche „Identität als Kulturnation“. Sie verweist auf die blühende deutsche Kulturlandschaft (?) und will das deutsche „Verständnis von Demokratie“ schützen. Zu diesem Verständnis gehört also die zwangsweise Finanzierung von Theatern und Filmen durch Steuergelder. Der Deutsche Kulturrat hat ähnliche Ansichten:

Die USA und die EU sowie ihre Mitgliedstaaten pflegen unterschiedliche Vorstellungen von Kultur, kultureller und medialer Vielfalt sowie deren Erhalt und Förderung. Länder wie Deutschland und Frankreich beispielsweise verstehen sich ausdrücklich als Kulturstaaten und leiten daraus ihre Maßnahmen zur Kulturförderung ab.

Diese Worte sind eine Bankrotterklärung. Es wird völlig zurecht festgestellt, dass Europa und die USA ein anderes Verständnis von Kulturerhalt und -förderung haben (beim Rest ist das Verständnis auf beiden Seiten eher gleich), aber es wird nicht dargelegt, warum das europäische Verständnis besser sein soll. Ein Grund, warum dies der Fall sein könnte, wäre die Qualität der Kulturproduktion. Für Politiker könnte das eine Rechtfertigung für Zwangsgebühren sein (für mich wäre es das nicht), aber nun kann man beim besten Willen nicht behaupten, dass die europäische Kulturproduktion besser wäre als die amerikanische. (more…)

Zweitausend Jahre Unsinn

Juni 22, 2014
Der Vatikan, die letzte westeuropäische Diktatur

Das Zentrum der Irrationalität

Manchmal hilft nur noch ein Postillon-Artikel, um die Absurdität eines Sachverhalts zu verdeutlichen. „Von Gold umgebener Chef von billionenschwerem Unternehmen kritisiert Kapitalismus“, titelte die Gazette im November 2013. Zu diesem Zeitpunkt hatte Papst Franziskus zu seinem ersten Angriff gegen das „vorherrschende Wirtschaftssystem“ ausgeholt. Er kritisierte den „vergötterten Markt“, „egoistische Steuerhinterziehung“ und dass alte Rentner erfrieren während andere mit Börsenspekulationen reich werden.

Nun hat Franziskus nachgelegt. In einem Interview mit einer spanischen Zeitung beklagte er die „Sünde der Götzendienerei am Götzen Geld“. Das derzeitige Wirtschaftssystem „brauche Krieg zum Überleben“, wie alle großen Reiche der Geschichte. Da ein Weltkrieg unmöglich sei, würden regionale Kriege angezettelt. Ob er damit sagen will, dass hinter den Gewaltexzessen im Südsudan, der Ukraine, Syrien und dem Irak die Pläne des internationalen Finanzkapitals stecken, ist offen.

Im besten Fall hat Franziskus keine Ahnung, wovon er redet. Das ist nicht schlimm, der Papst ist ja nicht im Amt, um über volkswirtschaftliche Themen zu philosophieren. Aber dann sollte man Dieter Nuhrs Empfehlung annehmen: Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal … Man liegt wohl nicht falsch, wenn man die Kriege im Nahen Osten, Schwarzafrika und anderswo eher mit religiösem Fanatismus und nationalistischem Chauvinismus in Verbindung bringt als den Kapitalismus und seine Kunden zu töten für ein schlechtes Geschäftsmodell hält. (more…)

Uber den Wolken

Juni 17, 2014
Werden Taxis bald aussterben?

Werden Taxis bald aussterben?

Es gab früher mal den Beruf des Aufweckers. Ein Aufwecker ging von Haus zu Haus und klopfte an die Tür oder die Scheiben der Bewohner bis sie wach waren. Dann wurde der Wecker erfunden und all diese Arbeitsplätze verschwanden. Traurige Sache für die Aufwecker. Aber für die Anderen war es eine gute Sache. Und der Wecker hat in der Gesamtbilanz sicher nicht zu Massenarbeitslosigkeit geführt, genauso wenig wie die Erfindung des Autos oder des Computers. Die Aufwecker hatten dann die Möglichkeit, einfach andere produktive Dinge zu tun.

Es gibt zu diesem Thema eine nette Anekdote. Milton Friedman besuchte einmal China und sah dort, wie Hunderte Arbeiter mit Schaufeln einen Kanal bauten. Friedman fragte den zuständigen Beamten, warum man für die Arbeit nicht Traktoren benutzt. Der Beamte antwortete: „Das hier ist ein Arbeitsbeschaffungsprogramm!“, woraufhin Friedman entgegnete: „Warum geben sie den Arbeitern dann nicht einfach Löffel?“. Egal ob die Geschichte stimmt oder nicht, sie zeigt auf lustige Weise, wie absurd die Furcht vor Innovationen ist.

Nun haben wir es mit einer neuen Innovation zu tun, die in der Kritik steht: Uber. Dieses amerikanische Unternehmen benutzt nicht eine neue Technik, denn die Autos, mit denen die Gäste befördert werden, können ja nicht fliegen oder so. Aber sie haben einen Trick: Die Kunden müssen nicht minutenlang auf einen Taxifahrer mit Lizenz warten, sondern können mittels einer App an Privatpersonen vermittelt werden. Uber streicht 20 Prozent des Fahrpreises ein. Mit diesem Geschäftsmodell ist aus Uber ein milliardenschweres Unternehmen geworden.

Von Uber vermittelte Fahrten sind meist schneller, billiger und haben besseren Service. Das hat natürlich Folgen. In Frankreich wurde zwischenzeitlich ein Gesetz erlassen, der Taxikunden zwang, 15 Minuten auf ein Taxi zu warten, damit die alten Taxiunternehmen eine Chance hatten (denn dank Uber durften auch die Franzosen weniger Minuten auf ein Taxi warten). Zum Glück wurde das Gesetz wieder außer Kraft gesetzt. Aber das Taxi-Kartell ist noch nicht geschlagen. In diesem Monat organisierten die Taxifahrer einen weltweiten Streik, um gegen Uber zu protestieren. (more…)

Die schöne Zeit der Beschränkung

Juni 12, 2014

Wir erinnern uns: So sah im Jahr 1986 ein Lebensmittelgeschäft in Moskau aus:

Als der sowjetische Fußballer Igor Belanov 1989 nach Mönchengladbach wechselte, kaufte seine Frau gleich 15 Kilo Fleisch, weil sie damit rechnete, dass am nächsten Tag kein Fleisch angeboten wird. Schlimme Zustände, an die sich keiner zurücksehnt, könnte man meinen. Leider ist dem nicht so. Die slowenische Philosophin Renata Salecl meint, dass die neue Zeit mit den neuen Konsummöglichkeiten nicht so schön ist wie die alte Zeit. Sie spricht gar von der „Tyrannei der falschen Freiheit“. Früher war alles sozialer, gerechter und fortschrittlicher:

Ich selbst blicke gerne zurück auf diese Beschränkungen. Als Kinder hatten wir dadurch eine ganz intensive Freude am Konsum. Die Grenzen waren klar gesteckt, und keiner überlegte, ob es an seinem eigenen Versagen liegen könnte, wenn er nichts hatte.

Mit der neuen Freiheit können die Menschen einfach nicht umgehen:

Im Postsozialismus hat sich das dann sehr schnell gedreht, hin zum Massenkonsum. Viele verschwenden ihr ganzes Geld und ihre Freizeit beim Shopping. Sie verschulden sich, können aber nicht mit dem Einkaufen aufhören.

Aber es gibt einen Ausweg aus dieser schlimmen Misere:

Wir dürfen Konsumentscheidungen nicht so ernst nehmen und sollten möglichst wenig Zeit mit ihnen verschwenden. Aber dafür müssen wir erst einmal aufhören, das Individuum als Meister seines Lebens zu sehen.

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Nur Laissez-faire ist wirklich fair

Juni 7, 2014
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Freier Handel ist fairer Handel

Im Jahr 2001 veröffentlichten Michael Miersch und Dirk Maxeiner das Buch „Das Mephisto-Prinzip“. Dort beschrieben sie, wie Menschen mit guten Absichten oft eher Schlechtes erreichen und gleichzeitig Menschen mit vermeintlich schlechten Absichten (also Profite machen) Gutes bewirken. Der Buchtitel stammt aus dem Goethe-Klassiker „Faust“. Mephisto sagt zu Faust: „Ich bin ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will, und stets das Gute schafft“. Das Mephisto-Prinzip bedeutet also, ohne gute Absichten etwas Gutes zu bewirken.

Eine gute Spezies der anderen Art sind die Grünen. Die Grünen sind die Kraft, die stets das Gute will, und stets das Böse schafft. Ein gutes Beispiel ist die Fairtrade-Bewegung. Das Ziel von Fairtrade sollte es sein, die Arbeitsbedingungen von Bauern in der Dritten Welt zu verbessern. Wer Kaffee trinkt, konnte ja gleich die Tränen der kolumbianischen Bauern trinken. Das Fairtrade-Siegel sollte dem Verbraucher mit Gewissen die Garantie geben, dass die von ihm gekauften Produkte nicht durch die Ausbeutung von armen Kleinbauern in die Läden kamen.

Eine Studie der School of Oriental and African Studies (SOAS) offenbart nun, was wirklich hinter diesen Versprechen steht. Die meisten Farmarbeiter, die an Fairtrade-Programmen teilnehmen, werden schlechter bezahlt als die Arbeiter in konventionellen Farmen und sogar in kleinen Nicht-Fairtrade-Farmen. Darüber hinaus sind auch die Arbeitsbedingungen in Fairtrade-Farmen schlechter, und auch von den sozialen Projekten profitieren die Arbeiter nur wenig. Oder anders gesagt: Fairtrade ist ein Riesenschwindel. Menschen fühlen sich gut, ohne Gutes zu tun. (more…)

Best of Juan Carlos

Juni 2, 2014

Der spanische König Juan Carlos tritt zurück. Eine Ära geht zu Ende, mit Juan Carlos begann 1975 Spaniens Übergang zur Demokratie, das Ende der Isolation des Landes und eine lange Periode wirtschaftlichen Aufschwungs. Klar, es gibt auch Negatives. So ist er Fan von Real Madrid. Aber am Ende bleibt eine gute Bilanz.

Die Freisinnige Zeitung machte mich auf zwei große Momente seiner Regentschaft aufmerksam:

Am 23. Februar 1981 beendete Juan Carlos den Putschversuch von Oberstleutnant Antonio Tejero, indem er den Putschisten seine Unterstützung verweigerte und den Streitkräften des Landes in einer Fernsehansprache die Anweisung gab, die verfassungsmäßige Ordnung wiederherzustellen.

Am 10. November 2007 ermahnte er beim Iberoamerika-Gipfel den schon vor einem Jahr zurückgetretenen venezolanischen Präsidenten Hugo Chavez, seine ständigen Unterbrechungen und Beleidigungsorgien einzustellen, und zwar mit dem legendär gewordenen Satz „¿Por qué no te callas?“, übersetzt „Warum hältst du nicht die Klappe?“.

Seine direkte Art machte ihn bei vielen beliebt. Über die ETA, die das Land mit Terror überzog und auch seine Ermordung plante, sagte er „Man muss denen eins auf den Deckel geben und solange weitermachen, bis man mit ihnen fertig ist“. Das gelang dem spanischen Staat tatsächlich, im Jahr 2011 beendete die ETA ihre bewaffneten Aktivitäten.

Nicht zu vergessen, dass er mit seiner Elefantenjagd in Botswana auch zur Rettung von Wildbeständen beitrug. Denn wenn Elefanten für Geld gejagt werden, haben sie für die Einheimischen einen Wert und werden besser gehegt. In diesem Sinne: Danke, Juan Carlos, für deine Verdienste für Spanien und den Umweltschutz!

Das Recht auf Vergessenwerden

Juni 1, 2014
Google soll vergessen

Google soll vergessen

In der Sowjetunion war es nicht ungewöhnlich, dass ehemalige Parteimitglieder, die in Ungnade gefallen waren, völlig aus der öffentlichen Erinnerung verschwanden. Man entfernte sie aus allen Bildern, löschte sie aus Dokumenten und erwähnte sie nicht mehr in Reden. Sie waren einfach verschwunden. Ähnliches wurde in dem Roman „1984“ beschrieben. Der allmächtige Staat löschte alle Dokumente und Erinnerungen an Personen, die zu Staatsfeinde geworden waren. Sie wurden „vaporisiert“.

Der Europäische Gerichtshof will nun das Vergessenwerden in der realen Welt zumindest ein Stück weit möglich machen. Ein Urteil soll es erlauben, dass Informationen, die veraltet oder irrelevant sind, nicht mehr bei den Suchergebnissen bei Google erscheinen dürfen. Nachdem Google ein Formular eingereicht hatte, gab am ersten Tag bereits mehr als 12.000 Anträge. Schon davor gab es über 1.000 Löschanträge, darunter waren

a suspended university lecturer, an actor who had an affair with a teenager, a politician irked by an article about his behavior while in office, and „a man who tried to kill his family.“

In den USA würde so ein Gesetz nicht durchgehen, da die Amerikaner eine romantische Beziehung zur Meinungsfreiheit haben. Europa ist da leider etwas anders. Hier geht so eine Form von Zensur als ein Recht durch, das „Recht auf Vergessenwerden“. Dabei kann man ja schon heute unliebsame Informationen aus Google löschen, indem man z.B. die Website löscht oder Google kontaktiert. Aber das geht vielen nicht weit genug, durch das neue Urteil wird es nun möglich, dass Personen vor Gericht ziehen, um Informationen zu entfernen. (more…)