Noch in den 1980ern kamen die mächtigsten Drogenkartelle aus Kolumbien. Der Name Pablo Escobar stand für die ganze Macht und die Gewalt der Drogenmafia, die keine Angst vor der Staatsgewalt hatte. Aber mit der Zeit wanderte die Macht ab, Richtung Norden. Heute haben nicht mehr das Cali- oder Medellin-Kartell das Sagen, sondern das Zeta- oder Sinaloa-Kartell. Mexiko wurde zum neuen Paradies der Kartelle, deren Macht nun in vielen Gebieten grenzenlos scheint und deren Gewaltmethoden nicht mal vom „Islamischen Staat“ übertroffen werden. Mit Folgen für die Kolumbianer: Die Kartelle sind heute nur noch Kuriere der Mexikaner, und Kolumbien ist viel friedlicher als vor 30 Jahren.
Aber Frieden gibt es noch lange nicht. Die beiden größten Terrororganisationen des Landes, die FARC und die ELN, die ursprünglich eine kommunistische Revolution in Kolumbien wollten, befinden sich seit 50 Jahren im Kriegszustand mit der Regierung. Die FARC engagiert sich, genauso wie rechte Paramilitärs, im Drogengeschäft. Damit generiert sie den Großteil ihrer Einnahmen. Ihre Ideologie spielt heute kaum eine Rolle, obwohl einige Kolumbianer und sogar Europäer sich noch immer für die Revolutionsrhetorik begeistern. Jedes Jahr sterben Hunderte Rebellen, Polizisten, Soldaten und Zivilisten, es gibt Hunderttausende Binnenflüchtlinge und eine unbekannte Zahl von Geiseln.
Die Macht der FARC hat aber deutlich nachgelassen. Es gibt immer weniger Kämpfer, sie werden gefangen genommen, getötet oder desertieren. In den letzten zwölf Jahren verlor die FARC wohl die Hälfte ihrer früher bei 20.000 liegenden Manneskraft. Im Jahr 2008 starb der FARC-Gründer und Chef Manuel Marulanda und der Vize Raul Reyes wurde bei einem Angriff der kolumbianischen Armee in Ecuador getötet. Nachdem 1982-84 und 1998-2002 zwei Friedensverhandlungsrunden scheiterten, führt die kolumbianische Regierung seit 2012 erneut Verhandlungen, die vielversprechend sind und den 50-jährigen Krieg beenden könnten.
Die FARC ließ Mitte 2012 die letzten „nicht-zivilen“ Geiseln (Polizisten, Soldaten) freigelassen und erfüllte so die Bedingungen für die Aufnahme von Friedensverhandlungen, die im Oktober 2012 begannen. Seit dieser Zeit sind sich die Regierung um Präsident Juan Manuel Santos und die Rebellen in drei Punkten einig geworden: Eine Landreform, die Möglichkeit für ehemalige FARC-Kämpfer, in der Politik tätig zu werden, und gemeinsam den Drogenanbau zu bekämpfen. Die letzten beiden Punkte, die derzeit in der kubanischen Hauptstadt Havanna verhandelt werden, sind jedoch die heikelsten: Es geht um den Umgang mit den Tätern und der völligen Entwaffnung der FARC.
Da für die Verhandlungen keine Waffenruhe vereinbart wurde, gehen die Anschläge der FARC weiter. Als Folge davon sterben zweijährige Kinder und Städte werden tagelang von der Stromversorgung abgeschnitten. Sollte eine Amnestie durchgesetzt werden, würden die grausamen Verbrechen der letzten Jahrzehnte ungesühnt bleiben. Sowas geschah schon in Mosambik und Libanon. In diesen Ländern wurde die Gerechtigkeit für den Frieden geopfert, die Kriegsverbrecher mussten keine Strafen fürchten. In Kolumbien profitierte bereits 1990 die Miliz „M-19“ von einer Amnestie und wandelte sich in eine politische Partei um. Es ist zu wünschen, dass bei der FARC zumindest eine Art Wahrheitskommission eingesetzt wird.
Beim Thema Drogen ist es allerdings unwahrscheinlich, dass mit der Einigung auch das Problem der Drogenkriminalität verschwinden wird. Selbst wenn sich die FARC vom Drogengeschäft verabschiedet, wird die Nachfrage in den USA und Europa weiterbestehen und die mexikanischen Kartelle sind mächtig genug, um weiter große Teile Mexikos zu kontrollieren. Hier muss ein internationales Umdenken stattfinden, auch bei den USA: Der Krieg gegen Drogen muss beendet werden. Sollte unabhängig davon tatsächlich bald ein Friedensvertrag abgeschlossen werden und der Krieg in Kolumbien enden, ist der Friedensnobelpreis für Kolumbiens Präsidenten Santos unausweichlich.
In der Bevölkerung hat die FARC so gut wie keine Unterstützung. Umfragen zeigen, dass nur 1% der Kolumbianer eine positive Meinung zur FARC haben, weit geringer als z.B. die Hamas, Hisbollah, al-Qaida und ISIS im Nahen Osten, und 53,7% würden einen hypothetischen Wahlsieg der FARC nicht anerkennen. Im Februar 2008 demonstrierten Millionen Kolumbianer gegen die FARC. Die größte Unterstützung genießt die FARC wohl in den Regierungen Venezuelas, Nicaraguas und Ecuadors. Nach dem Tod von Marulanda und Reyes in Ecuador kam es zu einer diplomatischen Krise, die beinahe in einen Krieg von Kolumbien gegen Ecuador und Venezuela mündete.
In der Netflix-Serie House of Cards sagt ein chinesischer Geschäftsmann „Mao is dead, and so is his China“. Aber nicht nur Mao ist tot: Che Guevara ist tot, Pablo Escobar ist tot. Die FARC gehört in den Kehrichthaufen der Geschichte. Die Grabesrede hat Gustavo Petro, ein ehemaliger Guerillero der M-19, der in die Politik wechselte und nun Bürgermeister von Bogota ist, bereits nach Marulandas Tod gehalten: „Im 20. Jahrhundert haben Krieger Geschichte gemacht, und im 21. Jahrhundert werden diejenigen Geschichte machen, die Kolumbien aus dem Krieg herausbringen. Marulanda hat diese Veränderung nicht begriffen“.
Was wir aus dem Krieg lernen können ist:
1. Der Kommunismus ist tot.
2. Der Krieg gegen Drogen ist sinnlos.
3. Frieden heißt nicht gleich Gerechtigkeit.
Oktober 12, 2014 um 14:46 |
Guter Artikel! Ein kleiner Hinweis: Manuel Marulanda Vélez „Tirofijo“ ist nicht bei besagtem Luftangriff der kolumbianischen Armee auf ecuadorianisches Territorium am 1. März 2008 ums Leben gekommen, sondern am 26. März des gleichen Jahres eines natürlichen Todes gestorben.
https://en.wikipedia.org/wiki/Manuel_Marulanda#Death
Oktober 13, 2014 um 00:09 |
Danke für den Hinweis. Ich hab’s berichtigt.