Archive for Februar 2015

Entgeltgleichheit: Ein Kampf gegen Windmühlen

Februar 27, 2015
Ja, sie können es

Der Kampf für Emanzipation wird oft von den falschen Stellen geführt

Der Mindestlohn ist gerade erst beschlossen und von SPD-Politikern hämisch bejubelt worden („wer den Mindestlohn für zu bürokratisch hält, ist ein Gauner oder zu doof“ – Yasmin Fahimi), da braut sich schon ein neues Bürokratiemonster zusammen. Offenbar von der Oscar-Rede von Patricia Arquette beeindruckt, die sich für gleiche Löhne für Frauen aussprach, will die Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig nun ein „Entgeltgleichheitsgesetz“ beschließen, um die Lohnlücke von 22% zwischen Männern und Frauen zu schließen. Sie verspricht jedoch, es werde nicht zu bürokratisch: Immerhin werde man ja nur im einzelnen Betrieb gesetzliche Regelungen zu Transparenz- und Auskunftspflichten einführen. Ist ja alles keine überflüssige Bürokratie.

Das Thema habe ich schon vor zwei Jahren angesprochen: Frauen verdienen tatsächlich 22% weniger als Männer. Aber nur, wenn man ihre Löhne einfach pauschal vergleicht. So könnte man auch sagen: Jugendliche verdienen weniger als 50-jährige. Oder: Ausländer verdienen weniger als Deutsche. Tatsächlich spielen auch andere Faktoren bei der Lohnhöhe eine Rolle, z.B. der Stundenumfang (Frauen arbeiten weniger Stunden), die Branche (frauendominierte Berufe werden geringer bezahlt), die Position (Frauen sind seltener in Führungspositionen), sowie die Qualifikation, das Alter und die Wohnregion. Auch die Babypause spielt eine wichtige Rolle. Berechnet man all diese Faktoren mit, schmilzt die Lohnlücke auf etwa 2%. Dasselbe gilt auch für die USA, Miss Arquette.

Die meisten Probleme, die Politiker lösen wollen, sind zumindest reale Probleme, auch wenn ihre Lösungen falsch sind. In diesem Fall will die Regierung nun aber Probleme lösen, die gar nicht da sind. Der Wunsch „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ ist schon erfüllt. Möglicherweise wird jedoch das Entgeltgleichheitsgesetz, falls es wirklich beschlossen werden sollte, für reale Probleme sorgen. Immerhin wird man Betriebe mit neuen Vorschriften schikanieren und in die Lohnfindung eingreifen, das wird nicht schmerzfrei vonstattengehen. Diese Probleme werden dann auch der Politik auffallen. Und was wird die Lösung für diese Probleme sein? You already know. (more…)

Ayn Rand, Altruismus und Egoismus: Ein Missverständnis?

Februar 22, 2015
Der Grabstein von Ayn Rand

Ayn Rand ist tot, aber ihre Ideen werden auf ewig weiterleben

Ayn Rand ist eine der immer noch einflussreichsten Autorinnen in den USA. Sie vertrat politisch einen klassischen Liberalismus, basierend auf Individualrechten und der freien Marktwirtschaft. Dies begründete sie mit ihrer Philosophie, dem Objektivismus. Die Ethik des Objektivismus besagt, dass jeder Mensch sein Leben für sich selbst leben muss. Niemand sollte sich für andere aufopfern oder andere zwingen, sich für einen aufzuopfern. In ihren Schriften lobt sie den Egoismus und verdammt den Altruismus. Es gibt wohl nichts, was für Ayn Rand schlimmer ist als Altruismus. In ihrem Buch „Atlas Shrugged“ (deutsch: „Der Streik“) sind die Helden Personen, die nur im Eigeninteresse handeln und dies auch gar nicht verschweigen, während die Bösewichte, die die Welt zerstören, alle vorgeben, völlig selbstlos im Namen der Allgemeinheit zu handeln.

Obwohl ich Ayn Rand meist zustimme und ich den Objektivismus zusammen mit dem Stoizismus für die faszinierendste Philosophie halte, denke ich, dass es bei der Betrachtung von Egoismus und Altruismus einige Missverständnisse gibt. Der Erste ist, dass die Gegner von Ayn Rand missverstehen, was sie mit Egoismus meinte. Heute steht Egoismus weitgehend für Rücksichtlosigkeit und Selbstsucht, für Ayn Rand bedeutete es dagegen einfach, die eigenen Interessen zu verfolgen. Gerade zu Ayn Rands Zeiten – Sowjetunion, Nazi-Deutschland, Zweiter Weltkrieg – war die Botschaft „Du gehörst dir selbst, niemand darf dich zum Sklaven machen“ nicht selbstverständlich. Der Zweite ist Ayn Rands Verständnis von Altruismus. Für ihre Gegner bedeutet Altruismus, anderen Menschen zu helfen, sie verstand darunter, sich für niemanden aufzuopfern oder andere für sich zu opfern. Meiner Meinung nach liegen hier beide falsch.

Gibt es Altruismus?

Die Vorstellung, man könnte etwas tun, was völlig selbstlos ist, würden die wenigsten abstreiten. Menschen spenden für die Armen, sie helfen ihren Freunden und Familien beim Umzug, sie verzichten auf Reichtum, sie setzen als Feuerwehrmänner ihr Leben aufs Spiel, um völlig Fremden zu helfen. Selbstloses Verhalten schient umgibt uns überall. Wie kann man da abstreiten, dass es Altruismus gibt? Ganz einfach: Weil es absurd ist, zu glauben, man würde etwas tun, was nicht auch im eigenen Interesse ist. Wenn jemand Menschen hilft, die er mag, tut er das, weil er die Freundschaft erhalten will. Freundschaft ist meistens ein gegenseitiges Geben und Nehmen. Würde man nur nehmen, ginge die Freundschaft wahrscheinlich kaputt, und man wäre traurig und hätte selbst niemanden, der einem später beim Umzug hilft.

Wer für Arme spendet oder Fremden das Leben rettet, macht das, weil ihn sein Gewissen dazu treibt. Daran ist nichts Schlechtes. Würden Menschen kein Mitleid empfinden, wenn sie Arme sehen oder keinen Wunsch, Fremden in Not zu helfen, wäre das katastrophal. Es ist also unser eigenes Interesse, unser Wunsch nach innerem Wohlbefinden, der uns dazu treibt, anderen zu helfen. Aber was ist mit Mönchen, die allem Besitz entsagen und nur für andere Menschen leben? Sind diese nicht zutiefst altruistisch? Im Gegenteil. Ein Mönch, der jede einzelne Handlung seines Lebens darauf prüft, ob sie mit Gottes Vorgaben zu vereinbaren sind, handelt zutiefst im eigenen Interesse. Er will in den Himmel kommen. Es gibt wohl kaum etwas Egoistischeres, als sein ganzes Leben ausschließlich dem Ziel zu dienen, sich für ein späteres Leben im ewigen Himmelsreich zu qualifizieren. (more…)

Wie Whataboutismen die Welt zerstören

Februar 17, 2015

Keine Kritik an Nordkorea, solange Guantanamo nicht geschlossen ist!

Alles begann mit Jesus. Eines Tages brachten Pharisäer und Schriftgelehrte ihm eine Frau, die beim Ehebruch erwischt worden war. Sie sagten, Moses hätte für diese Sünde die Todesstrafe durch Steinigung vorgesehen, und sie fragten nun Jesus, was man mit der Frau tun sollte. Jesus bückte sich, schrieb etwas auf den Sand und sagte dann „Wer von euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie“. Natürlich traute sich keiner, einen Stein zu werfen, und die Frau wurde verschont. Viele Menschen fasziniert dieser Abschnitt. Ja, es ist ein toller Dialog. Eignet sich gut für einen Krimifilm. Genauso wie Denzel Washingtons Spruch „Vergebung ist eine Sache zwischen ihnen und Gott. Mein Job ist es, das Treffen zu arrangieren“ im Film „Mann unter Feuer“.

Aber ist Jesus‘ Spruch eine gute Moralanleitung? Die Antwort darauf ist dieselbe wie bei Denzel Washingtons Spruch: Nein. Es ist natürlich falsch, Ehebrecher zu steinigen. Doch das Argument, mit dem Jesus dies begründete, war albern. Was Jesus machte, war der erste nachweisbare „Whataboutism“ der Geschichte. Was Whataboutism ist, habe ich hier erläutert. Es ist der rhetorische Trick, Kritik zu erwidern, indem man einfach Gegenkritik äußert. Diese Taktik war besonders in der Sowjetunion üblich, um jede Kritik am sowjetischen System abzuschmettern. Jeder kann ein Whataboutism anwenden, um sich oder andere Personen vor Kritik in Schutz zu nehmen. Diese Taktik ist nicht nur falsch, sondern gefährlich.

Die Verunmöglichung von Kritik

Die Folgen des Whataboutism sieht man ständig in politischen Diskussionen. Als Oskar Lafontaine vor nicht allzu langer Zeit in einer Talkshow auf die Mauertoten angesprochen wurde, lautete seine Reaktion: Was ist mit den Drohnenmorden? Was ist mit den Toten im Mittelmeer? Er antwortete also gar nicht auf die gestellte Frage, sondern lenkte gleich vom Thema ab. Lafontaine steht damit ganz in der Tradition der DDR. Auf die Frage, was er über die Schüsse an der Mauer meinte, antwortete Honecker: „Wissen Sie, ich möchte nicht über die Schüsse sprechen, denn in der Bundesrepublik fallen soviel Schüsse täglich, wöchentlich, monatlich, die möchte ich nicht abzählen.“

Man mag nun einwenden, dass einige Verbrechen schlimmer sind als andere, so dass man sich nicht herausreden kann. Aber das stimmt nicht. Sogar die Nazis hätten Kritik an sich mit Whataboutismen abschmettern können: Hitler greift Polen an, die Welt ist empört. Aber warum? Polen war eine Diktatur, die Franzosen und Briten besaßen Kolonialreiche in Afrika und Asien, die Sowjetunion war 1939 eine noch schlimmere Diktatur als Nazi-Deutschland. Also, warum regt sich dann die Welt so sehr über die Nazi-Diktatur und den Angriff auf Polen auf? Warum!? Tatsächlich wendeten die Nazis Whataboutismen an. So titelte die Volkszeitung drei Tage nach der Reichskristallnacht: „Londoner Hetze wegen Glasscherben – aber kein Wort über zerstörte Araberdörfer in Palästina!“ (more…)

Der neue Paul

Februar 12, 2015
Rand Paul

Rand Paul

Seit dem letzten Präsidentschaftswahlkampf ist Ron Paul Geschichte. In den Jahrzehnten zuvor war er der wohl bekannteste Außenseiter im Kongress. Trotz seiner vernünftigen Positionen in wirtschaftlichen und sozialen Fragen machte er sich durch seine Kumpanei mit 9/11 Truthern und Rechtsextremen für viele liberal gesinnte Personen unwählbar. Noch bevor er sich vom Kongress verabschiedete, betrat bereits sein Sohn Rand Paul dieselbe Bühne. Er unterscheidet sich in vielen Positionen von seinem Vater, hat aber mehr Gemeinsamkeiten mit ihm als mit den anderen Kongressmitgliedern. Obwohl er erst seit 2011 im Kongress ist, hat er einen steilen Aufstieg hinter sich. Viele zählen ihn bereits zu einem ernsthaften Präsidentschaftskandidaten der Republikaner für 2016.

Der amerikanische Politikbetrieb wird nun schon seit Menschengedenken von den rechts-konservativen Republikanern und den links-sozialdemokratischen Demokraten beherrscht. Die größten Favoriten für die Republikaner dürften Leute wie Marco Rubio, Jeb Bush oder Ted Cruz sein. Auf Seiten der Demokraten gibt es eine große Favoritin: Hillary Clinton. Sie wäre eine Art Obama 2.0. Falls es Rand Paul gelingen sollte, Präsident zu werden, wäre er der erste liberale (im US-Sprachgebrauch „libertarian“) Präsident der USA. Rand Paul bezeichnete sich selbst als „libertarian“, lehnte jedoch später diesen Begriff ab. Man kann aber anhand seiner Positionen sehen, dass er sich vom Mainstream abhebt und einen neuen Schwung ins Weiße Haus bringen könnte.

Schauen wir uns Rands Ansichten mal genauer an. Der größte Unterschied zwischen Rand und seinem Vater ist wohl die Außenpolitik. Ron wollte alle ausländischen Militärbasen schließen, aus der NATO und UNO austreten und fiel oft mit anti-israelischen Kommentaren („KZ Gaza“) auf. Rand dagegen will zwar die Ausgaben für das Militär reduzieren, was angesichts des Schuldenstands mehr als verständlich ist, aber einige ausländische Militärbasen beibehalten. Auch ist er eher pro-israelisch eingestellt und kritisierte Putins Ukraine-Politik. Das macht ihn jedoch nicht zu einem Neocon: Er lehnte den Irakkrieg ab, ist ein strikter Gegner von Folter, gegen die Drohnenpolitik und lehnte auch einen Einsatz in Syrien und die Sanktionen gegen Russland ab. (more…)

Das wahre Interview

Februar 7, 2015
Die Flagge des kommunistischen Korea

Das tollste Land der Welt

Seit zwei Tagen ist es soweit: Am 5. Februar kam „The Interview“ in die deutschen Kinos. Das tollste Land der Welt wird im Kino verarscht. In Sachen Sony-Hack gehörte ich von Anfang an zu den Verschwörungstheoretikern, die die Drohung an Sony für einen Inside-Job hielten. Auch wenn es keine eindeutigen Beweise gibt, scheine ich Recht gehabt zu haben. Aber die False Flag-Operation hat letztlich niemanden geschadet, von daher ziehe ich meinen Hut und sage: Es war ein toller PR-Coup. Ich habe mir den Film schon angesehen und kann sagen: Der Film ist so, wie man ihn erwartet. Kein großes Oscar-Kino, aber viele Lacher, die bei den Freunden des Vulgär-Humors von James Franco und Seth Rogen für viele Schenkelklopfer sorgen werden.

Ohne viel spoilern zu wollen: Dem TV-Moderator Dave Skylark (gespielt von James Franco) gelingt es tatsächlich, Kim Jong-Un vor aller Welt bloßzustellen. Dabei hatte Kim zuerst alles unter Kontrolle und konnte sogar die Sympathie von Skylark gewinnen (u.a. mit einem Fake-Lebensmittelladen und der gemeinsamen Vorliebe für Katy Perry-Lieder), der sogar anfängt zu zweifeln, ob die ganzen Berichte über die Todeslager echt sind („Ich hab‘ keine gesehen, seitdem wir hier sind“). Die Geschichte ist natürlich unrealistisch. Diktatoren haben meist eine hohe Medienkompetenz, was sich bei ihren Auftritten zeigt: Vladimir Putin beim NDR, Mahmud Achmedinedschad beim ZDF oder Bashar al-Assad mit Jürgen Todenhöfer.

Das heißt jedoch nicht, dass Diktaturen mit Interviews nicht dennoch oft schwer auf die Nase gefallen sind. Ein legendäres Beispiel dafür war ein Interview, das von nordkoreanischen Reportern im Jahr 1990 geführt wurde. Dieses Interview hatte eine Vorgeschichte: Im Jahr 1989 fanden die Weltfestspiele der Jugend und Studenten in Pjöngjang statt, ein Jahr nachdem Seoul die Olympischen Spiele ausgetragen hatte. Damals versuchte der Norden noch mit dem Süden mitzuhalten. Eine mit Nordkorea sympathisierende südkoreanische Studentin, Lim Su-Kyung, wollte ein Zeichen für den Frieden setzen und reiste illegal nach Pjöngjang. Für das nordkoreanische Regime war dies ein spektakulärer Propagandaerfolg, den man ausschlachten wollte. (more…)

Zeit für mehr Saudi-Bashing

Februar 2, 2015
Abdullah, König von Saudi-Arabien, dem wichtigsten Verbündeten der USA im Nahen Osten

Verrecke in der Hölle, Abdullah!

Der Tod von König Abdullah hat Reaktionen hervorgerufen, die zeigen, wie normal es für Politiker ist, zu lügen, heucheln und alle seine Werte lächerlich zu machen. Von Deutschland über Ägypten bis zu Russland, alle äußerten ihr Beileid. Man könnte meinen, ein Philanthrop wäre gestorben. Jeder weiß, Abdullah war der Herrscher eines Königreiches, indem Menschen öffentlich geköpft, gesteinigt, ausgepeitscht und die Hände abgehackt werden. Die Strafen unterscheiden sich kaum von denen des IS in Irak und Syrien, nur dass sie derzeit wohl weniger häufig ausgeführt werden. Sich Sorgen über Salafisten oder Pegida zu machen und dann Abdullahs Tod zu betrauern zeigt, wie viel kognitive Dissonanz hinter offiziellen Verlautbarungen steht.

Ein Grund, warum man Saudi-Arabien weniger scharf angeht, ist sicher ihre im Vergleich zu einigen Nachbarn weniger destruktive Außenpolitik. Die offizielle Linie der saudischen Regierung ist eher der Status Quo oder Restauration, während Staaten wie der Iran und Organisationen wie die Hisbollah und Hamas eine neue Ordnung etablieren wollen. Vor allem aber: Die Saudis wollen mit dem Westen kooperieren. Der Westen würde auch mit den Mullahs im Iran kooperieren, wenn sie ihre feindliche Politik einstellen würden. Diese Punkte mögen zwar erklären, warum der Westen in Saudi-Arabien trotz dessen Ideologie keinen Feind sieht, aber es ist keine Rechtfertigung für einige Aspekte in den Beziehungen des Westens zu Saudi-Arabien.

Waffenlieferungen an Saudi-Arabien sind ein Skandal. Das Potential für deren Missbrauch ist sehr groß. Mit saudischen Panzern wurde der Aufstand in Bahrain 2011 niedergeschlagen. Bei einem möglichen Aufstand gegen die saudische Königsfamilie könnten Panzer benutzt werden, um ganze Wohnviertel in Schutt und Asche zu legen. Oder es kommen neue Herrscher an die Macht, die gerne die Waffen der Kuffar gebrauchen. Man stelle sich vor: Deutsche Panzer in den Händen des „Islamischen Staates“. Neben diesem Punkt kommt ein weiterer hinzu, der noch skandalöser ist: Von Saudi-Arabien aus wird die salafistische Ideologie, die Basis für den Dschihad, weltweit verbreitet, und der Westen nimmt es einfach hin. (more…)