Ausbeutung für den Antikapitalismus

Gegen den Kapitalismus kämpfen! Für eine bessere Welt und 2 Euro die Stunde!

Es ist nichts außergewöhnliches, dass kapitalismuskritische Organisationen ihren Mitarbeitern oft Löhne anbieten, die sie bei den Unternehmen, die sie pausenlos kritisieren, als Ausbeutung oder Sklaverei bezeichnen würden. Die Liste an Beispielen ist lang: Die SPD beschäftigte in Rostock Putzkräfte für 7,56 Euro die Stunde, als sie einen bundesweiten Mindestlohn von 8,50 Euro forderten. Die taz, die sich konsequent für Mindestlöhne einsetzt, beschäftigte Volontäre für 5,39 Euro. Nicht nur Löhne, auch die Arbeitsbedingungen bei antikapitalistischen Organisationen sind oft hart. So entließ die kommunistische Zeitung junge Welt einen Mitarbeiter ohne Angabe von Gründen, als der um eine Festanstellung bat, da sein Gehalt mehr als verdoppelt hätte werden müssen.

Viele weitere Beispiele für diese Doppelmoral der Antikapitalisten ließen sich finden. Dieselbe Ausbeutung, die sie bei anderen so anprangern, wird von ihnen praktiziert. Nun sind mir zwei Beispiele aufgefallen, die besonders erwähnenswert sind. Das erste stammt von der globalisierungskritischen Organisation Attac. Sie sind erbitterte Gegner des Freihandelsabkommens TTIP und bieten ein Praktikum an, mit dem Titel „TTIP stoppen“. Die Entlohnung für die Arbeit liegt bei 200-250 Euro pro Monat zu je 25-30 Stunden in der Woche. Umgerechnet ist das ein Lohn von 1,67 bis 2,50 Euro die Stunde. Also ein Praktikum mit dem Angebot: Gegen den Kapitalismus kämpfen! Für eine bessere Welt und 2 Euro die Stunde!

Man kann sich ausmalen, was Attac von Unternehmen halten würde, die solche Löhne zahlen (das Lustigste an der Stellenausschreibung ist jedoch ohne Frage die Anforderung „grundlegendes Verständnis von wirtschaftspolitischen Zusammenhängen insbesondere zu Handelspolitik und Freihandel“ – jeder, der so ein grundlegendes Verständnis hat, wüsste nämlich, dass Freihandel positiv ist, und würde sich deshalb gar nicht bei Attac bewerben). Der zweite Fall hat es ebenfalls in sich. Wie die taz (ja, die Volontären 5,39 Euro zahlende taz) gestern berichtete, hat die der Linkspartei nahestehende Rosa-Luxemburg-Stiftung in New York im März 2015 eine Mitarbeiterin ohne Angabe von Gründen fristlos gekündigt. Der mutmaßliche Grund würde Luxemburg im Grabe umdrehen lassen.

Die Stiftung ist gesetzlich nicht dazu verpflichtet, sich an Kündigungsschutzregeln zu halten. Die gefeuerte Mitarbeiterin wollte dies ändern und trat einer Gewerkschaft bei, um sich dafür zu engagieren, „ihre Rechte zu verschriftlichen“. Dies führte zu Spannungen zwischen der Büroleitung der Stiftung und der Mitarbeiterin, bis sie schließlich – offiziell aus finanziellen Gründen – entlassen wurde. Bis heute hat sie keine Möglichkeit bekommen, ihre eigene Sicht auf die Kündigung der Stiftungsleitung in Berlin darzustellen. Dass eine Stiftung mit dem Namen Rosa Luxemburg eine Mitarbeiterin entlässt, weil sie sich gewerkschaftlich engagiert, ist in etwa so, als würde eine Umweltschutzorganisation einen Mitarbeiter entlassen weil er sich für saubere Müllabfuhr einsetzt.

Sowohl Attac als auch die Rosa-Luxemburg-Stiftung müssten etwas aus diesen Fällen lernen. Jeder sollte den Lohn und den Kündigungsschutz anbieten dürfen den er möchte. Was sie machen dürfen, sollten auch alle anderen dürfen. Wobei ich mich schon frage, wieso Attac so wenig für Praktikanten übrig hat. Bei der taz kann ich es verstehen (einer der Gründe, warum die taz zu wenig Abonnements bekommt ist wohl der, dass der Markt für kapitalismuskritische Zeitungen bereits ausreichend gefüllt ist), aber die Kassen von Attac müssten eigentlich praller gefüllt sein. Oder muss Attac, seitdem sie in Deutschland besteuert werden, auf Einnahmen verzichten? Wer weiß. Aber welche Organisation ist gewöhnlich für hohe Steuern für alle wirtschaftlich agierenden Subjekte? Richtig: Attac.

5 Antworten to “Ausbeutung für den Antikapitalismus”

  1. Neverendingstory Says:

    Zitat:
    „Es ist nichts außergewöhnliches, dass kapitalismuskritische Organisationen ihren Mitarbeitern oft Löhne anbieten, die sie bei den Unternehmen, die sie pausenlos kritisieren, als Ausbeutung oder Sklaverei bezeichnen würden.“

    Der ganze Artikel hinkt doch an der Stelle: Wenn sich jemand bei einer Gewerkschaft, bei Attac oder dem WWF tut r das meist nicht aus finanziellen Gründen, sondern weil er glaubt, damit etwas für eine bessere Welt zu tun.
    Es mag vielleicht komisch klingen, aber: Er tut es aus ideellen Gründen und würde es vielleicht auch tun, wenn er damit kein Geld verdienen würde.

    Das, mit Verlaub gesagt, kann ich mir bei jemanden, der z. B. schwere Kisten im Lager schleppen muss oder am Fließband irgendwas zusammenbaut, nicht vorstellen. Es gibt vielleicht eine Minderheit, die so eine Motivation hat, aber die Mehrheit arbeitet doch des Geldes wegen.
    Wenn man genug Einkommen fordert, dass jeder ein menschenwürdiges Leben hat, dann schließt das ja nicht aus, dass trotzdem jemand 50% seines Einkommens für etwas spendet und deshalb vergleichsweise arm dran ist.

    Zitat:
    „([…]jeder, der so ein grundlegendes Verständnis hat, wüsste nämlich, dass Freihandel positiv ist, und würde sich deshalb gar nicht bei Attac bewerben)“

    Also kurz gesagt: Entweder jemand ist meiner Meinung oder er hat einfach keine Ahnung. Da kann man sich das diskutieren sparen. 😉

    • Paul Says:

      Wenn man sich das diskutieren sparen kann, warum diskutieren Sie dann trotzdem?

      Jeder Arbeitgeber ist verpflichtet den Mindestlohn zu zahlen. Auch der Arbeitnehmer muss sich an diese gesetzliche Vorgabe halten. Er ist nicht berechtigt, aus welchen Gründen auch immer, auf den Mindestlohn zu verzichten. Der Arbeitgeber macht sich sogar strafbar, wenn er den Mindestlohn nicht zahlt. Auf einen Verzicht des Arbeitnehmers kann er sich nicht berufen.

      Der Arbeitgeber hat die Möglichkeit seinen Idealismus auszuleben, indem er z.B. die Hälfte seines Einkommens dem Arbeitgeber als Spende überlässt. Das kann er tun, weil es keine Einschränkungen für ihn gibt mit seinem Geld zu machen was er will.

      Aber von vornherein verzichten darf er nicht.

      Meine Oma sagte immer: „Der Schneider trägt den schäbigsten Anzug.“

      Auf die im Beitrag genannten Arbeitgeber trifft das wirklich zu. Meine Oma hatte eben immer recht.

    • Gutartiges Geschwulst Says:

      @Neverendingstory: „Der ganze Artikel hinkt doch an der Stelle: …“

      Wenn Sie tatsächlich den ganzen Artikel gelesen hätten, sinnerfassend gelesen hätten, wüssten Sie immerhin, dass die SPD in Rostock Putzkräfte beschäftigte, für 7,56 Euro die Stunde. Haben diese Putzkräfte womöglich nur aus „ideellen Gründen“ geputzt, um „etwas für eine bessere Welt zu tun“?

      @Neverendingstory: „Er tut es aus ideellen Gründen und würde es vielleicht auch tun, wenn er damit kein Geld verdienen würde.“

      Ihre Ethik verursacht wahrlich keinen Vollrausch. Ist eine Organisation moralisch entlastet, wenn sie einem Mitarbeiter weniger Geld bezahlt, weil er Idealismus mitbringt?
      Wie verhält es sich mit Menschen in Pflegeberufen, die ihre Tätigkeit häufig aus idealistischen Gründen gewählt haben?
      Dürfen die auch weniger Geld bekommen?

      @Arprin: „…, hat die … Rosa-Luxemburg-Stiftung in New York … eine Mitarbeiterin ohne Angabe von Gründen fristlos gekündigt. Der mutmaßliche Grund würde Luxemburg im Grabe umdrehen lassen.“

      Sind Sie sicher, Arprin? War das Röschen wirklich so arbeiterfreundlich? Dies erlaube ich mir zu bezweifeln.

      • arprin Says:

        Sind Sie sicher, Arprin? War das Röschen wirklich so arbeiterfreundlich? Dies erlaube ich mir zu bezweifeln.

        Wahrscheinlich nicht „arbeiterfreundlich“, sondern freundlich gegenüber den Arbeitern, die ihre Ansichten teilen.
        Ich nehme mal an, sie hätte etwas gegen Stiftungen gehabt, die eine Mitarbeiterin kündigt, weil sie sich gewerkschaftlich engagiert.

    • arprin Says:

      Es mag vielleicht komisch klingen, aber: Er tut es aus ideellen Gründen und würde es vielleicht auch tun, wenn er damit kein Geld verdienen würde.

      Die Mindestlohnbefürwörter wollen aber keine Ausnahmen. Jeder, der Geld für eine Tätigkeit bekommt, muss mindestens 8,50 Euro die Stunde bekommen. Und warum soll es in Ordnung sein, sich aus ideellen Gründen „ausbeuten“ zu lassen, aber nicht für Geld?

      Also kurz gesagt: Entweder jemand ist meiner Meinung oder er hat einfach keine Ahnung. Da kann man sich das diskutieren sparen. 😉

      Ich habe eine Meinung, und die äußere ich in Artikeln. Aber ich bin offen für jedes Argument, wenn eines gebracht wird.

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