Waffen und Gewaltverbrechen

Brauchen wir härtere Waffengesetze gegen Amokläufe?

Es dürfte kein anderes Thema geben, indem die politischen Ansichten zwischen den USA und Deutschland so weit auseinanderliegen wie beim Thema Waffenrecht. In den USA haben viele Bundesstaaten ein liberales Waffenrecht, die Bürger können leicht an Waffen rankommen und tun das oft auch, in Deutschland herrschen einige der strengsten Waffengesetze der Welt, jeder, der legal an eine Waffe kommen will, muss einen bürokratischen Marathon bewältigen und selbst nach Erlangen der Waffe mit ständigen Kontrollen rechnen. Während in Deutschland völliger Konsens herrscht, tobt in den USA seit Jahren eine heftige Debatte um Sinn und Unsinn der Gesetze. Beide Seiten benutzen dabei fragwürdige Argumente.

Die Befürworter eines liberalen Waffenrechts meinen, Waffen seien für Selbstverteidigung notwendig, es bräuchte folglich mehr Waffen um für mehr Sicherheit zu sorgen („The only thing that stops a bad guy with a gun is a good guy with a gun“), Waffenverbote würden in eine Diktatur führen und man könne auch mit Küchenmessern Menschen töten. Ich finde die Vorstellung, mehr Waffen würden automatisch für mehr Sicherheit sorgen, albern, es kommt immer auf den verantwortungsvollen Umgang damit an, außerdem hat selbst mit einem liberalen Waffenrecht nicht jeder immer eine Waffe dabei, wenn ein Amokläufer an seine Tür klopft. Das Dammbruch-Argument ist willkürlich, ein Staat kann durchaus Waffenverbote haben ohne KZ’s aufzumachen. Küchenmesser haben immerhin eine andere (Haupt-)Funktion als eine Pistole, deren einziger Sinn es ist, und sei es Selbstverteidigung heraus, andere zu verletzen (oder zu töten).

Aber auch die Befürworter von Waffenverboten argumentieren verkehrt. Sie meinen, härtere Waffengesetze würden zu mehr Sicherheit führen. Der Grund für die niedrigere Mordrate z.B. in Deutschland oder Japan im Vergleich zu den USA liege bei den härteren Waffengesetze in den ersten beiden Ländern, das „Heilmittel“ gegen die Amokläufe in den USA seien daher ebenfalls härtere Waffengesetze. Man kann aber aus den statistischen Daten keine Korrelation zwischen härteren Waffengesetzen und niedrigerer Mordrate feststellen, weder in den US-Bundesstaaten noch im internationalen Vergleich. Waffen machen nicht sicherer, aber auch nicht gefährlicher.

Schauen wir uns die Daten an: In den USA sterben jährlich 32.000 Menschen durch Schusswaffen. Das ist eine unglaublich hohe Zahl. Doch dabei muss man beachten, dass zwei Drittel dieser Todesfälle, also etwa 20.000, Selbstmorde sind. Nun könnte man argumentieren, es gäbe nur deshalb so viele Selbstmorde in den USA, weil es so viele Waffen gibt. Aber die Selbstmordrate in den USA ist nicht viel höher als in Ländern mit härteren Waffengesetzen. Japan z.B. hat trotz seiner extrem harten Waffengesetze (im Jahr 2006 gab es im ganzen Land zwei Tote durch Schusswaffen) eine doppelt so hohe Selbstmordrate. Selbstmord hat eine lange Tradition in der japanischen Kultur. Früher hatten die Japaner noch eine coolere Art, ihn zu verüben, den „Seppuku„:

Beim Seppuku schnitt sich der im Seiza sitzende Mann nach Entblößung des Oberkörpers mit der in Papier gewickelten Klinge oder Dolch den Bauch ungefähr sechs Zentimeter unterhalb des Bauchnabels in der Regel von links nach rechts mit einer abschließenden Aufwärtsführung der Klinge auf. … Nach Ausführung der Schnitte wurde von einem bereitstehenden Assistenten der Hals mit einem Katana von der Halswirbelsäule her weitgehend durchtrennt, um einen schnellen Tod herbeizuführen. … Zu einem offiziellen Seppuku mit einem Assistenten gehörten das Tragen von weißer Kleidung als Symbol für die spirituelle Reinheit, die Anwesenheit eines Shintō-Priesters und eines Protokollanten, die Einnahme einer letzten Mahlzeit und das Verfassen eines Todesgedichtes

Durch die Globalisierung ist diese Tradition heute, ebenso wie die Harakiri- und Kamikaze-Kultur, weitgehend verschwunden, stattdessen machen es die Japaner auf die langweilige, westliche Art. Aber der lockere Umgang mit Selbstmord ist geblieben. Es gibt ein Buch, dass im freien Handel erhältlich ist und indem Tipps gegeben werden, auf welche Art man am besten schmerzfrei Selbstmord begeht, der Wald „Aokigahara“ erlangte Berühmtheit, weil sich nach Veröffentlichung eines Romans, indem dieser Wald als Kulisse für einen Selbstmord diente, dort so viele Menschen selbst umbringen. Die nach der Privatisierung sehr erfolgreiche japanische Bahn geht pragmatisch mit den Selbstmorden um:

Es gilt die Vorgabe, dass nach einem Suizid die Strecke 30 Minuten später wieder frei sein muss. … Das Warnschild mit der Aufschrift „Bitte springen Sie nicht in der Hauptverkehrszeit“ musste angesichts massiver Proteste entfernt werden.

Die Selbstmordrate eines Landes hat wenig mit dem Waffenrecht zu tun, die Kultur eines Landes und der Zustand der Gesellschaft sind entscheidend. Ohne Schusswaffen würden die Amerikaner einen anderen Weg finden, sich auszuknipsen, sowie die Japaner, die keine Schusswaffen nehmen dürfen. Es bleiben aber immer noch die übrigen 12.000 Tote in den USA durch Schusswaffen. Hier muss man zwei andere Dinge beachten: Die Gewaltkriminalität in den USA sinkt seit Jahren, und es gibt keine Korrelation zwischen härteren Waffengesetzen und niedrigeren Verbrechensraten. Beides wird in der Regel von den Befürwortern härterer Waffengesetze ignoriert, dabei kann man nur so sehen, ob ihr Heilmittel wirklich funktioniert.

Die Gewaltkriminalität in den USA begann Mitte der 1960er anzusteigen, dieser Trend setzte sich in den 1970ern und 1980ern fort und erreichte Anfang der 1990er ihren Höhepunkt, seitdem geht sie stetig zurück. Im Jahr 1992 gab es 757,7 Gewaltverbrechen pro 100.000 Einwohner, 2014 waren es 365,5. Fast alle Städte in den USA sind sicherer geworden, in New York gab es Anfang der 1990er 2000 Morde pro Jahr, 2014 waren es 300. Gegenden wie Harlem haben sich unglaublich verändert. Gewalt in den Schulen ist heute weitaus seltener als vor einigen Jahrzehnten, und auch Amokläufe sind seltener geworden, trotz der hohen medialen Beachtung. Die USA waren noch nie ein so sicherer Ort wie heute.

Wo liegt der Grund für den Rückgang der Gewaltkriminalität? Sicher nicht in härteren Waffengesetzen, denn seit den 1990ern sind die Waffengesetze eher liberaler geworden. Außerdem zeigen die Daten: Die Mordrate korreliert nicht mit den Waffengesetzen. Rein statistisch betrachtet haben Gebiete mit härteren Waffengesetzen sogar leicht höhere Mordraten, aber der Unterschied ist so klein, dass er nicht ins Gewicht fällt. In vielen Gegenden mit vergleichsweise hohen Mordraten ist es schwer, legal an eine Waffe zu kommen, ein Beispiel dafür ist Chicago, eine Stadt mit harten Waffengesetzen und hohen Mordraten. Dann gibt es noch Länder wie Finnland, die Schweiz oder Israel, in denen ein ebenso großer Teil der Bevölkerung legal über Schusswaffen verfügt wie in den USA, während die Mordrate dort viel niedriger ist.

Die Befürworter von liberalen Waffengesetzen benutzen meistens falsche Argumente. Waffen machen nicht sicherer, Waffenverbote müssen nicht in eine Diktatur führen und Schusswaffen kann man nicht mit Küchenmessern gleichsetzen (auch wenn man sagen kann, dass Morde mit Messern nicht besser sind als Morde mit Schusswaffen und wir alle gegen alle Versuche sein sollten, das „Recht“ auf das Tragen von Messern einzuschränken). Aber in einem haben sie Recht: Härtere Waffengesetze sind kein Heilmittel gegen Gewaltkriminalität und sollten deshalb auch nicht angewendet werden. Und, nebenbei, Japan ist ein faszinierendes Land mit einer faszinierenden Kultur.

7 Antworten to “Waffen und Gewaltverbrechen”

  1. EinsamerIrrer Says:

    Ich selbst bin inzwischen so weit, dass ich zu dieser Frage keine Meinung mehr habe.

    Btw, es ist irgendwie merkwürdig, so sachlich über dieses Themen zu schreiben. Hoffe ich, werde jetzt nicht der totalen Bösmenschen:

    Allerdings: Ich halte es für einen Strohmann, dass man behauptet, die Anhänger der Waffenliberalität glauben, dass Waffen eine Dikatur verhindern können. So naiv sind sie mit Sicherheit nicht.
    Was sie allerdings behaupten (ob das richtig ist, sei dahingestellt), ist, dass es für organisierten Widerstand gegen die Staatsgewalt mehr Möglichkeiten gibt, wenn sich Waffen legal im Umlauf befinden als wenn diese staatlich registriert oder gar komplett verboten sind.
    Das ist zumindest vorstellbar. Die Frage ist nur, ob (und auch wen) das im Zweifelsfall helfen würde. Gegen eine moderne, gut ausgerüstete Armee hätte eine fanatisierte Gruppe von Freiwilligen, die sich als „Bürgerrechtler“ sieht, keine Chance.
    In den USA sind – sorry, hier verlasse ich mich auf die notorisch unzuverlässigen Medienberichte – neben den Teilstreitkräften der Staaten (Nationalgarde) vor allen rechte Polit-Sekten bewaffnet.
    Ich möchte nicht ausschließen, dass viele von denen einfach nur einen liberalen Staat durchsetzen möchte und dabei im Privaten ihre eher rechte Ansichten frühnen, aber auszuschließen ist es nicht.
    Was einzelne Bürger angeht, die sich dann zusammenschließen würden, jenseits von rechten Gruppierungen usw., da bleibt es abzuwarten.

    Wenn die USA eine Diktatur würden (was Gott verhüten möge), dann wird die Bundesregierung sehr wahrscheinlich trotzdem die Möglichkeit haben, einen großen Teil der im Umlauf befindlichen Waffen einfach einzusacken. Den Rest könnte man wahrscheinlich duruch gewöhnliche Kriminalisierung innerhalb von wenigen Monaten auch reduzieren.
    (Dass es dabei vielleicht das ein oder andere Massaker zwischen Polizei und militanten Gruppen bewaffneter Bürger geben würde, wäre für eine Diktatur selbst bei nicht vollständig gleichgeschaltet oder zensierten Medien höchstwahrscheinlich kein Hindernis.)

    Was das Argument der Kriminalitätsbekämpfung angeht: Hier sehe ich eher psychologische Gründe. Man fühlt sich subjektiv eben sicherer, wenn man eine Knarre dabei hat. Ist man deshalb auch wirklich sicherer? Eher nicht.
    Es besteht, so sagen es jedenfalls die Kriminologen, eher die Gefahr, dass die an sich harmlose Situation sogar noch weiter eskaliert, weil der kleinkriminelle Dieb oder Schläger sich auf einmal einer Waffe gegenübersieht. Zumal die Verbrecher auf aufrüsten müssen, wenn potentiel jedes Opfer bewaffnet sein könnte.
    Andererseits sind Polizisten natürlich auch die Interessenvertreter des staatlichen Gewaltmonopols…

    Ich glaube, es geht hier auch viel um Stolz. Man will sich als „kleiner Bürger“ nicht wehr- und hilflos ausgeliefert fühlen. Weder den bösen Verbrecher, der einen die Brieftasche klaut, noch gegenüber den Staat. Das Gefühl der Ohnmacht wird durch eine Waffe sicherlich etwas reduziert. Tatsächlich hilfreich ist sie wahrscheinlich aber nicht.
    (Okay, ich kenne Waffenanhänger, die gleich ein paar sehr gute Beispeile gegen den Verbrecher nennen würden…)

    Eine Begründung für die Waffenliberalität dagegen kann ich überhaupt nicht nachvollziehen und ich lehne sie rundheraus ab: Das angebliche „Recht“ von Bürgern, Jäger zu spielen.
    Ein richtiger Jäger zu werden erfordert eine lange, komplizierte Ausbildung, die sowohl Jagttechniken als auch ökologische Faktoren umfasst. Man kann über den Jagtsport geteilter Meinung sein, aber menschliche Jäger spielen eben in unserem System eine Rolle bei der Bestandskorrektur von Tierpopulationen. Dies muss aber aus ökologisch-biologischen Gesichtspunkten heraus entstehen, das kann man nicht den Laien überlassen, die weder das Tier möglichst schmerzfrei töten, noch die Bedeutung dieser Tötung abschätzen können.
    Für mich als Europäer ist es unverständlich, wieso Privatleute da mitmischen wollen. Allerdings sind die USA da auch etwas „wilder“ als wir in Europa. So ein Braunbär beim Camping, da wünscht man sich vielleicht eine Waffe.

    Historisch und mein letzter Punkt: In der Schweiz und den USA haben die Waffengesetze noch eine andere Bedeutung. Sie stammen mehr oder weniger aus der Idee der Bürger- oder Milizheere. In der ursprünglichen amerikanischen Verfassung…

    • EinsamerIrrer Says:

      … war ein stehendes Herr, gar noch unter dem Oberbefehl der Bundesregierung, nicht vorgesehen. Vielmehr sollte der Präsident in Kriegszeiten wie ein Feudalfürst über die Gouvaneure der Bundeststaaten seine Truppen sammeln.
      Diese Regelung stellte sich schnell als vielleicht doch nicht gangbar heraus, so dass das United States Marine Corps gegründet wurde.
      Heute – im vollen Widerspruch zu den Vorstellungen der Gründerväter, die allerdings die Verhältnisse dieses Jahrhunderts auch nicht vorhersehen konnten – ist das amerikanische Verteidigungsministerium einer der größten Arbeitgeber der Welt!
      Daran, dass die USA ihre bewaffneten Bürger erst im Kriegsfall zu den Waffen rufen ist heute nicht mehr zu denken, im Gegenteil, von der Wehrpflicht hat man sich bewusst verabschiedet. Das geht sogar soweit, dass es (Medienbericht) in den USA sogar Subunternehmen des US-Verteidigungsministeriums gibt, die soldatische Hilfskräfte z. B. für den Irak oder Afghanistan zur Verfügung stellen.

      Der Grund, ein Volksheer zu bilden ist für die US-Waffengesetze also entfallen.
      Der zweite Zusatzartike der Verfassung, auf die sich die Freunde des freien Waffenrechts in den USA berufen, nimmt aber genau darauf bezug, wenn von einem „wohlgeordneten Militär“ die Rede ist. Jefferson soll, so habe ich gelesen, diese Rechtsnorm sehr wohl mit dem Widerstand gegen die Staatsgewalt in Verbindung gebracht haben; das gibt der Wortlaut aber nicht her.

      Der „Sonderfall“ Schweiz ist übrigens ähnlich aufgebaut. Die Wehrdienstleistenden bekommen am Ende ihrer Dienstzeit eine Waffe zur Aufbewahrung überreicht. Dies lässt den Charakter durchaus erkennen:
      Es handelt sich hier um Reservisten eines Milizheeres, die im Angriffsfall zumindest theoretisch zu den Waffen gerufen werden könnte. Aus Sicht eines neutralen Staates, der seine Unabhängigkeit jahrhundertelang vor allem der eigenen Wehrhaftigkeit verdankte, durchaus verständlich. Das wird aber inzwischen auch schon abgebaut von den lieben Schweizern, weil es wegen der EU um die Schweiz herum so muggelig geworden ist.

      Unter heutigen technischen, logistischen und militärischen Gesichtspunkten wäre es wahrscheinlich sehr wohl machbar, moderne Milizionäre erst wenn es soweit ist mit einer Waffe zu versorgen, okay die Schweiz musste sich praktisch auf die Situation vorbereiten, überrannt zu werden.

      Was bleibt abschließend noch zu sagen?
      Küchenmesser hin oder her, es gab und gibt unter Jugendlichen die Übung, mit Handelsüblichen Mitteln durchaus provisorische Geschosse herzustellen. Wenn man die Übung etwas weiter treibt, hat man wieder ein bewaffnetes Volk. 😉

  2. Thomas Leske Says:

    „Die Befürworter eines liberalen Waffenrechts meinen, Waffen seien für Selbstverteidigung notwendig, es bräuchte folglich mehr Waffen um für mehr Sicherheit zu sorgen“

    Die Formulierung ist schon kollektivistisch. Zunächst einmal gibt es aus liberaler Sicht, die allgemeine Handlungsfreiheit, die schonmal ein gewisses Anscheinsrecht des Einzelnen auf Waffenbesitz begründet. Das Recht auf Waffenbesitz erhält durch das Recht auf Selbstverteidigung Gewicht, weil letzteres mit dem Recht auf Leben ein sehr wichtiges Recht schützt.

    Und empirisch zeigen Daten innerhalb der USA, dass liberalere Waffengesetze tatsächlich die Sicherheit erhöhen (John Lott, „More Guns, Less Crime!“).

    „außerdem hat selbst mit einem liberalen Waffenrecht nicht jeder immer eine Waffe dabei, wenn ein Amokläufer an seine Tür klopft.“

    Oft genug hat in den USA jemand eine Waffe dabei, wenn es die Gesetze nicht verhindern. Deshalb auch die Kritik an den „Gun-Free-Zones“. John Lott zeigt in „The Bais against Guns“, dass ein liberales Waffengesetz auch gegen Amokläufe hilft oder zumindest deren Folgen mildert. (Auch wenn die Statistik von Amokläufen sich auf viel weniger Daten stützen kann.)

    Der Philosoph Michael Huemer begründet in seinem Aufsatz „Gibt es ein Recht auf Waffenbesitz?“, warum Selbstmorde kein Argument für Waffenverbote sind: Erstens greift ein Waffenverbot in die Rechte von Waffenbesitzern ein, ohne andere zu schützen. Zweitens leben Selbstmordkandidaten kein glückliches Leben, so dass die rein „technische Verhinderung“ eines Selbstmordes aus utilitaristischer Sicht nicht besonders erstrebenswert ist.

    • EinsamerIrrer Says:

      Die Formulierung ist schon kollektivistisch.

      Ketzerei? 😮

      Im Ernst: Sicherheit ist nunmal ein kollektives Gut, ein „öffentliches Gut“.
      Daran rüttelt ja auch der Liberale nicht, wenn er der staatlichen Gewalt die alleinige oder zumindest Hauptaufgabe zuweist, für Sicherheit zu sorgen. Ebenso wie übrigens auch Gesundheit, siehe Herdenimmunität.

      Zunächst einmal gibt es aus liberaler Sicht, die allgemeine Handlungsfreiheit, die schonmal ein gewisses Anscheinsrecht des Einzelnen auf Waffenbesitz begründet.

      „Anscheinsrecht“?

      Auch bei Locke usw. tritt der einzelne einige seiner Rechte, eben das Recht auf Gewalt, zugunsten eines Souveräns ab, der dafür die Geltung der Rechte garantieren muss.

      Zweitens leben Selbstmordkandidaten kein glückliches Leben, so dass die rein “technische Verhinderung” eines Selbstmordes aus utilitaristischer Sicht nicht besonders erstrebenswert ist

      Das ist eine andere Diskussion…

      • Thomas Leske Says:

        Nein keine Ketzerei. Arprin will den Standpunkt für ein liberales Waffenrecht wiedergeben, verwendet dafür aber sozialistische Formulierung der Art „WIR brauchen mehr Waffen (Kindergartenplätze, Sozialarbeiter), weil …“
        Dabei geht der Liberalismus doch vom einzelnen Handelnden aus.

        Bei Notwehr gibt es gar keinen Konflikt zwischen staatlichen und privaten Aufgaben, weil der Staat einfach nicht zur Stelle ist. (Wenn neben mir ein Polizist steht, kann ich mich nach deutschem Recht nicht auf Notwehr berufen, weil ja der Polizist die Rechtsordnung verteidigen kann und ich das nicht selbst tun muss.)

        Stichwort Herdenimmunität: In US-Bundesstaaten, die verdecktes Führen von Schusswaffen erlauben, sinkt allgemein die Gewaltkriminalität. Kriminelle wissen nämlich nicht, ob sie auf bewaffnete Opfer/Passanten stoßen oder nicht, und scheuen das Risiko.

        “Anscheinsrecht” ist meine Übersetzung von „prima facie right“: Ein Recht, das normalerweise gilt, aber durch besondere Umstände verdrängt werden kann bzw. in Sonderfällen nicht gilt.

        Ein Staat muss also rechtfertigen, warum er in das Recht, Waffen zu besitzen, eingreift. Zumindest wenn er ein Rechtsstaat sein will. (Ob man der Vertragstheorie des Staates anhängt oder nicht, spielt in dem Zusammenhang keine Rolle.)

        Zum Beispiel diskutiert Huemer, ob das Anscheinsrecht, Waffen zu besitzen, durch die Schäden verdrängt wird, die Schusswaffen anrichten.

        Wenn ich hier etwas Schleichwerbung betreiben darf, empfehle ich wärmstens meine Übersetzung von Huemers Aufsatz „Is There a Right to Own a Gun?“:
        http://edition.leske.biz/?q=node/5

      • arprin Says:

        Dabei geht der Liberalismus doch vom einzelnen Handelnden aus.

        Das „Wir“ war nicht kollektivistisch gemeint, es war nur eine Formulierung.

        Wenn ich hier etwas Schleichwerbung betreiben darf, empfehle ich wärmstens meine Übersetzung von Huemers Aufsatz “Is There a Right to Own a Gun?”

        Huemer ist immer eine Lektüre wert, ich werde mir mal zuerst die englische version anschauen.

    • arprin Says:

      Zunächst einmal gibt es aus liberaler Sicht, die allgemeine Handlungsfreiheit, die schonmal ein gewisses Anscheinsrecht des Einzelnen auf Waffenbesitz begründet.

      Ja, das streite ich gar nicht ab.

      Und empirisch zeigen Daten innerhalb der USA, dass liberalere Waffengesetze tatsächlich die Sicherheit erhöhen (John Lott, “More Guns, Less Crime!”).

      Vielleicht ist das in einigen Gegenden so, aber sicher nicht überall auf der Welt. Es kommt auf den verantwortungsvollen Umgang an.

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