Archive for Januar 2016

Der Vorwurf der Utopie

Januar 29, 2016
Das waren noch Zeiten: Che Guevara und Fidel Castro beim Revolutionieren

Schlimmer Verdacht: Ist der Liberalismus genauso utopisch wie der Kommunismus?

Als Utopie gilt im modernen Verständnis eine Idee, deren Umsetzung aufgrund der Natur des Menschen oder aufgrund der Realität unmöglich ist. Besonders der Kommunismus wird als utopisch bezeichnet, wenn man die ganzen erfolglosen Versuche sieht, das Paradies für die Arbeiter zu errichten. Aber genau betrachtet fällt nicht nur der Kommunismus in diese Reihe. Ich wünsche mir z.B. eine Welt ohne Steuern, Drogenverbote und mit wirklich offenen Grenzen und Märkten. Stand jetzt ist das alles utopisch. Deshalb könnte man auf die Idee kommen, der Liberalismus sei genauso utopisch wie der Kommunismus, weil er im realen Leben aufgrund der Natur der Menschen nicht möglich ist.

Es gibt aber einen Unterschied zwischen Umsetzung und dem Ergebnis. Kommunismus und Liberalismus mögen zumindest heute in Deutschland nicht umsetzbar sein, aber die Ergebnisse der Umsetzung wären vollkommen andere. Viele sagen „Kommunismus ist schön in der Theorie, in der Praxis funktioniert er nicht“, aber das Gegenteil ist der Fall: Der Kommunismus ist barbarisch in der Theorie, aber er ließ sich leider umsetzen, wie man an der Kollektivierung der Landwirtschaft in der Sowjetunion, dem Großen Sprung nach vorn in China und den Volkseigenen Betrieben in der DDR sehen konnte. Die Umsetzung führte nur nicht zum vorausgesagten Ergebnis. Der Liberalismus würde dagegen in der Umsetzung durchaus die vorausgesagten Ergebnisse erzielen. Man kann das, wenn es um das Thema Wirtschaft geht, z.B. an Hongkong und Singapur sehen, von den Kommunisten gehasste Orte, weil dort die totale Ungleichheit herrscht.

Allerdings ist klar, dass, trotz des wichtigen Punkts, dass die eine Utopie ins Elend und die andere in den Wohlstand führt, beide Utopien sind. Das heutige Deutschland ist aufgrund der Mehrheitsmeinung der Bevölkerung weit weg vom Ideal einer freien Wirtschaftsordnung. Weltfrieden hätte auch schöne Ergebnisse, ist aber derzeit nicht umsetzbar. Sind deshalb Liberalismus wie Kommunismus gleichermaßen totaler Unsinn? Von einigen Leuten habe ich solche Botschaften vernommen. Weil er von vornherein aussichtslos ist, sei der Liberalismus einfach nur eine Utopie, mit der man sich gar nicht beschäftigen sollte. In den kommenden Jahrzehnten wird es kein liberales Utopia in Deutschland geben. An diese Leute gerichtet habe ich erstmal eine Frage:

Glaubt ihr wirklich, ich weiß das nicht?

Ich weiß es, es ist mir schmerzlich bewusst. Dennoch ist es für mich kein Unsinn, liberal zu sein. Es spricht nichts dagegen, sich mit der Theorie auseinanderzusetzen, um zu sehen, was einem als langfristiges Ziel vorschwebt, auch wenn das Ziel kurzfristig unerreichbar ist. Frauenrechtler in Saudi-Arabien können von einer Welt träumen, in der Frauen kopftuchfrei mit dem Auto in ein auch von Männern besuchtes Stadion fahren dürfen, ohne vorher ihren männlichen Vormund um Erlaubnis gefragt zu haben. Das ist nicht schlimm. In der Realität werden sie viel gemäßigtere Zwischenziele aufstellen. Negativ wird das Festhalten an eine Utopie nur, wenn man sich nur mit der radikalen Komplettumsetzung zufriedengibt und jeden kleinen Kompromiss als „Verrat“ ablehnt. (more…)

Rassenschande in Hollywood

Januar 24, 2016

Hier sehen wir den größten Skandal der Oscar-Verleihung der letzten Jahre:

Leider ist das nicht das große Thema, das Hollywood derzeit beschäftigt. Die Schlagzeilen beherrscht die fehlende Nominierung von schwarzen Schauspielern bei allen Kategorien für die Oscars 2016. Unter dem Hashtag „oscarssowhite“ machte sich Frust über die mangelnde ethnische Diversität breit, der Oscar-Jury wurde Rassismus vorgeworfen. Jada Pinkett Smith und Spike Lee kündigten an, die Oscar-Verleihung aus Protest zu ignorieren. Das muss man sich in etwa so vorstellen: Schauspieler, die Millionen verdient haben und zu den oberen 1% gehören, stellen sich die Frage: „Was hätte ich erreichen können, wenn es keinen Rassismus gäbe?“.

Natürlich sind sie bei dieser Debatte die eigentlichen Rassisten. Wer bei den Nominierungen für einen Preis nicht auf die Leistungen schaut, sondern auf die Hautfarbe der Nominierten, der … nun ja, reduziert Menschen auf ihre Hautfarbe, das ist die Definition von Rassismus. Es gab schwarze Oscar-Gewinner: Jamie Foxx, Halle Berry und Forest Whitaker und andere. Sie alle wurden für ihre Leistungen ausgezeichnet, nicht weil es eine Schwarzen-Quote gab. Warum sollte es aber unbedingt jedes Jahr einen schwarzen Nominierten geben? Was, wenn es in einem Jahr keine herausragenden Leistungen eines Schwarzen gab oder die Nicht-Schwarzen einfach besser waren?

Das heißt nicht, die Oscar-Jury sei unfehlbar. Sicher urteilen die Juroren manchmal falsch, das gibt es bei allen Jurys, aber es ist doch absurd zu glauben, ein objektives Urteil könne es nur geben, wenn ethnische Minderheiten gleichmäßig vertreten sind. Der eigentliche Skandal bei den Oscars ist nicht die fehlende Nominierung von Schwarzen für die Darstellerkategorien, sondern die Tatsache, dass unser deutscher Expat Leonardo DiCaprio noch immer keinen Oscar gewonnen hat. Dabei hätte er für seine Leistung in „The Wolf of Wall Street“ nicht nur den Oscar, sondern auch gleich den Nobelpreis verdient. Was auch auffällt ist das gähnende Schweigen über die mangelnde ethnische Diversität in anderen Bereichen, wie z.B. der NBA. (more…)

Glaube keiner Statistik, die du nicht verstanden hast

Januar 19, 2016
Die "Pyramide des kapitalistischen Systems"

Leben wir in einer neuen Feudalgesellschaft?

Oxfam hat es wieder getan. Wie schon 2014, als sie sagten, die reichsten 85 Menschen würden soviel besitzen wie die ärmste Hälfte der Menschheit, und 2015, als schon die reichsten 80 soviel hatten wie die ärmste Hälfte, sind es 2016 ihren Angaben nach schon die reichsten 62 Menschen. Die Medienresonanz ist erneut gewaltig, ebenso wie die Falschheit der Behauptung. Es gibt einen großen Unterschied zwischen Vermögen, Einkommen und Kaufkraft. Ein verschuldeter Amerikaner mit einem Nettovermögen von 0 hat zwar weniger Vermögen als ein Slumbewohner in Nairobi, der 10 Cent Vermögen hat, hat aber eine viel höhere Kaufkraft. Da Oxfam diesen Unterschied nicht berücksichtigt, gehören ihren Angaben nach 40 Millionen Amerikaner zu den ärmsten 10% der Menschheit.

Eine große Resonanz hatte im letzten Monat auch eine Statistik vom Pew Research Center in den USA, wonach die Mittelschicht immer weiter schrumpft. Gehörten im Jahr 1971 noch 61% der Amerikaner zur Mittelschicht, waren es 2015 nur noch 50%. Die Medien titelten: „Der amerikanische Traum stirbt“, „Die Mittelschicht verschwindet“, „Immer mehr Ungleichheit“. Was jedoch wenig beachtet wurde ist, dass die Oberschicht im selben Zeitraum von 14% auf 21% gestiegen ist. Die Mittelschicht verschwindet also, weil immer mehr in die Oberschicht aufsteigen (bei der Verschiebung der Einkommensschichten spielen auch demografische Entwicklungen eine Rolle, z.B. der veränderte Anteil von Rentnern und Jugendlichen, der Zustrom von armen Einwanderern, usw.).

Statistiken, die einem nicht gefallen, als falsch abzutun, ohne sich mit dem Inhalt beschäftigt zu haben, ist unterstes Niveau. Aber Statistiken sollten auch richtig verstanden werden. Natürlich kann eine Statistik auch falsch sein, aber nicht schlimmer ist es, eine richtige Statistik falsch zu interpretieren, vor allem, wenn dadurch politische Maßnahmen rechtfertigt werden sollen. Zu was auch eine falsche Statistik führen kann, zeigt ein Beispiel aus Deutschland. Im Jahr 2009 gab es einen Schock, als das Deutsche Institut für Wirtschaft (DIW) behauptete: 16,3% der deutschen Kinder leben in Armut. Die schwarz-gelbe Koalition beschloss eine Erhöhung des Kindergelds. Später kam heraus: Die Zahlen waren eine Statistikpanne, die tatsächliche Prozentzahl der Kinderarmut lag bei 8,3%. (more…)

Wie die Ukraine einfror

Januar 14, 2016
Der unangefochtene Herrscher im Kreml

Er schafft neue Zombie-Staaten

Die Nachrichtendichte aus der Ukraine hat seit Monaten merklich abgenommen. Dabei gab es eigentlich kein Ende des Konflikts. Das Assoziierungsabkommen der EU mit der Ukraine gilt seit Beginn dieses Jahres, doch der Streit zwischen Russland und der EU um die Ausrichtung der Ukraine ist ungelöst. Die Krim ist russisch, der völkerrechtliche Status bleibt aber umstritten und die gegenseitigen Sanktionen gelten weiterhin. Donezk und Luhansk sind weiter von der Ukraine abgespalten, aber auch nicht unabhängig und nicht Teil Russlands. Wäre ein Filmregisseur am Werk gewesen, würde man sagen: Kein befriedigendes Ende. Keines der Plotpunkte wurde gelöst, die Geschichte ist in der Mitte stehen geblieben. Setzen, Sechs.

Wenn man sich jedoch die Vorgänge in Russland und seiner Nachbarschaft ansieht, hätte man es vorhersehen können. Hier brechen regelmäßig Kriege aus, die nach vergleichsweise kurzer Zeit „eingefroren“ sind, ohne ein echtes Ende gefunden zu haben. Die Liste bis jetzt: Transnistrien, Bergkarabach, Südossetien, Abchasien und nun die „Volksrepubliken“ Donezk und Luhansk. Diese Staaten sind nicht unabhängig, aber auch nicht Teil eines anderen Staates, es sind im Grunde „Zombie-Staaten“. Überall herrscht derzeit Frieden, seit einem neuen Waffenstillstand im September letzten Jahres auch in Donezk und Luhansk. Aber es ist ein kalter Frieden. Nirgendwo wurde ein Friedensvertrag geschlossen, immer wieder brechen Scharmützel aus, die den kalten Frieden aber nicht gefährden.

Ein solches Szenario könnte auch die Zukunft in Donezk und Luhansk darstellen. Eine friedliche Einigung zwischen Russland und der Ukraine ist kaum denkbar, zu groß sind die nationalistischen Ideologien auf beiden Seiten, aber eine Wiederbelebung des Konflikts ist auch unwahrscheinlich. Putin ist derzeit mehr mit seinem Krieg in Syrien beschäftigt, die Wirtschaft befindet sich in einer tiefen Krise und könnte bei weiteren Sanktionen als Reaktion auf eine Annektion von Donezk und Luhansk weiter in den Keller rutschen, die Ukraine ist wirtschaftlich auch am Boden und nicht in der Lage, die Gebiete zurückzuerobern. Die Folge könnte sein, dass der Konflikt, sowie in den anderen pro-russischen Zombie-Staaten, „einfrieren“ wird. (more…)

Freiheit verständlich für alle

Januar 8, 2016

Es braucht gute Argumente für Freiheit

Politische Debatten leiden oft daran, dass eine Person komplizierte Theorien aufstellt und daraus alle seine Schlussfolgerungen ableitet, was bedeutet: Wenn jemand die Theorie ganz am Anfang nicht teilt, sind alle nachfolgenden Schlussfolgerungen für die Katz. Rawls Theorie vom „Schleier des Nichtwissens“, vor allem bei Sozialdemokraten beliebt, ist ebenso ein Beispiel dafür wie die liberale Theorie vom Selbsteigentum und dem Nicht-Aggressionsprinzip und so gut wie alle anderen Theorien für die Rechtfertigung einer bestimmten Gesellschaftsordnung. Umso erfrischender ist es, wenn jemand aus einer anderen Position heraus argumentiert, die für alle verständlich ist.

Diese Aufgabe meistert der amerikanische Philosoph Michael Huemer. Ihm gelingt es, mit Anwendung von Alltagsmoral die Idee der Freiheit den Massen verständlich zu machen. In dem Buch „Wider die Anmaßung der Politik“ hat Thomas Leske fünf Essays von Huemer erstmals ins Deutsche übertragen. Um seine Ausführungen zu verstehen, muss man keine Theorie der Gerechtigkeit voraussetzen, die für jede einzelne Handlung gilt. Huemers Hauptaussage ist viel einfacher: Jeder Mensch hat ein Anscheinsrecht (prima facie) auf Handlungen, die anderen nicht schaden. Wer jemandem eine Handlung verbieten will, muss dafür nachweisen, dass diese Handlung im Konflikt mit anderen Handlungen steht (Ausnahme) oder extrem großen Schaden anrichtet (Verdrängung).

In den ausgewählten Essays geht es um die Fragen, ob es ein Recht auf Waffenbesitz, Drogenkonsum und Einwanderung gibt, und ob Politikverdrossenheit und Ungleichheit wirklich problematisch sind. Huemer benutzt Analogien, die es in sich haben und jedem zum Nachdenken bringen sollten, der wirklich offen für Argumente ist. Er setzt dabei keine liberale Grundhaltung voraus. So gut sind Huemers Argumente, dass es nach der Lektüre auch dem deutschen Durchschnittsleser schwer fallen sollte, gegen das Recht auf Waffenbesitz zu sein oder ein Problem mit Ungleichheit zu haben. (more…)

Ökonomismus als Gefahr?

Januar 3, 2016
Die globale Leitwährung ist sehr begehrt

Dreht sich bei Ökonomen alles nur um Geld?

Zu den vielen Dingen, über die sich die Kritiker der Moderne, überwiegend Linke und Grüne (aber auch Konservative), echauffieren, gehört der „Ökonomismus“, die angebliche „Ökonomisierung“ aller Lebensbereiche. Egal, um welchen Bereich es geht, es geht nur ums Geld, alles wird nur nach seiner ökonomischen Verwertbarkeit gemessen. Früher stand das Wohl der Menschen im Mittelpunkt, heute nur noch der Profit. Es sei falsch, alle Probleme ökonomisch anzugehen und lösen zu wollen, also nach finanziellen Aspekten. Dieser „Materialismus“ wird verworfen, Geld sei nicht die Lösung für alle Probleme und Geld mache auch nicht glücklich.

Die Kritik des „Ökonomismus“ beinhaltet zwei große Irrtümer. Erstens wird nicht verstanden, womit sich das Feld der Ökonomie in seiner ursprünglichen Bedeutung beschäftigt. Ökonomie ist keinesfalls auf Geldfragen beschränkt, das Forschungsfeld umfasst einen viel größeren Bereich, was den Vorwurf, Ökonomen würden sich mit Fragen beschäftigen, die nichts mit ihrem Forschungsfeld zu tun hat, weitgehend entkräftet. Zweitens wird übersehen, wer die größten Ökonomisten sind: Die Ökonomismuskritiker selbst. Gerade für die Linken sind alle Probleme der Welt ein Geldproblem. Sie kritisieren etwas, was sie selbst fleißig praktizieren.

Das falsche Verständnis von Ökonomie

Wenn die meisten Menschen heute an „Ökonomie“ denken, haben sie die Vorstellung, dieses Feld würde sich nur mit den Dingen beschäftigen, die irgendetwas mit Geld zu tun haben. Auch wenn Geld eine große Rolle in diesem Forschungsgebiet spielt, ist es nicht das, worum sich Ökonomie dreht. Ökonomie beschäftigt sich mit der Frage, wie man mit begrenzten Mitteln ein Ziel erreicht, oder, in der Fachsprache ausgedrückt: mit knappen Ressourcen ein Bedürfnis deckt. Immer, wenn sich jemand mit einer Frage beschäftigt, die diese Aspekte beinhaltet, ist Ökonomie im Spiel. Obwohl Geld in unserer Gesellschaft fast überall eine Rolle spielt, muss Geld nicht im Spiel sein, damit etwas mit Ökonomie zu tun hat.

Um das zu verdeutlichen: Man kann einen Großteil von sozialen Themen „ökonomisch“ angehen. Warum einige Katastrophen mehr Aufmerksamkeit erregen als andere, kann man mit der Aufmerksamkeitsökonomie erklären, denn Aufmerksamkeit ist ein knappes Gut. Es gibt eine Ökonomie der Warteschlangen, eine Ökonomie der Heiratens oder eine Ökonomie von Neujahrsvorsätzen. All das hat nicht unbedingt etwas mit Geld zu tun, aber mit Ökonomie. Mit dem Vorwurf des „Ökonomismus“ muss man somit vorsichtig umgehen, denn Ökonomie ist eben nicht nur alles, was mit Geld zu tun hat, sondern alles, was mit der Frage zu tun hat, wie man knappe Ressourcen am effizientesten verwendet. (more…)