Markus Lanz war in Amerika. Er hat dort, wie Jürgen Todenhöfer bei seinen Nahost-Reisen, mit eigenen Augen gesehen, was der Westen so alles anrichtet. Ungleichheit, Rassismus, Drogen, Trump. Ganz furchtbar: Eine Frau aus der ehemals superreichen Vanderbilt-Dynastie kann sich Schuhe für 900 Dollar leisten, während Schwarze in Baltimore 800 Dollar für Miete zahlen müssen. Der Untergang steht kurz bevor. Die Reichen wissen das, so Lanz. Sie bereiten ihren Abgang vor, um den Mistgabeln zu entgehen, wenn die Armen sich endlich erheben. Die Jets sind schon vollgetankt, um die Reichen nach Kanada oder Südamerika zu evakuieren, versichert uns Lanz.
So ganz geht die Rechnung aber nicht auf. Wenn Amerika heute kurz vor dem Bürgerkrieg steht, hätte es in den 1980ern kurz vor dem Völkermord stehen müssen. Damals war die Kriminalitätsrate fast doppelt so hoch wie heute. Seit 1992 ist die Mordrate in den USA um mehr als 40% gesunken, ebenso die Rate an anderen Gewaltverbrechen (schwere Körperverletzung, Raub). 1992 gab es Unruhen in Los Angeles, die in 6 Tagen 53 Tote forderten. Das waren Unruhen, Ferguson und Baltimore waren ein laues Lüftchen dagegen. Noch schlimmer: Auch nach dem Ausbruch der Finanzkrise ab 2008 ist die Kriminalitätsrate nicht massiv gestiegen, sondern weiter gesunken. Es gab nicht mal Lynchmorde an Reiche. Die Tatsache, dass sie Jets haben und sich nach Häusern in Kanada und Südamerika umsehen, hängt wohl eher damit zusammen, dass Reiche nun mal Jets haben und gerne ins Ausland gehen.
Trotzdem warnen uns Transproletarier wie Markus Lanz und Jakob Augstein in Deutschland oder Michael Moore und Paul Krugman in den USA, die den Schmerz der Arbeiterklasse so mitempfinden als wenn sie selbst 40 Stunden in der Woche am Fließband stehen würden, dass der Untergang kurz bevorsteht. Warum? Es ist ganz klar: Der Wunsch ist der Vater des Gedankens. Sie haben sich nicht mit den Fakten beschäftigt und sind so zu dem Schluss gekommen, dass die USA vor dem Bürgerkrieg stehen, sie sehnen sich selbst die Mistgabeln herbei. Ihr Hass auf „die Reichen“ (zu denen sie sich natürlich nicht selber zählen) ist so groß, dass sie sich endlich ein schönes Blutbad der Armen an den Reichen wünschen.
Das ist nicht übertrieben dargestellt. Michael Moore hat z.B. in seinem Buch „Downsize this!“ für seine Leser einen Fahrplan für neue Unruhen in Los Angeles entworfen. Dafür hat er eine Stadtplan-Skizze mit den Viertel der Reichen gezeichnet und erklärt, wie man Brände legt. Nicht alle sind so ehrlich wie Moore. Meistens formulieren sie ihre Wünsche als eine angebliche Befürchtung. Statt „Gibt endlich euer Einkommen an die Armen ab!“ sagen sie „Habt ihr keine Angst, dass, wenn ihr euer Einkommen nicht an die Armen abgibt, die Armen euch umbringen werden?“ (was im Übrigen so ist, als würde man Frauen fragen, ob sie nicht Angst haben, vergewaltigt zu werden, wenn sie sich nicht häufiger Männern anbieten). Aber die Wahrheit ist: Ihr Wunsch wird nicht eintreten. Selbst wenn die Reichen nicht ihr Einkommen an die Armen abgeben, werden sie nicht von ihnen umgebracht werden. (more…)