Wie man das Milo-Problem lösen kann

Der Stern von Milo Yiannopoulos ist in den letzten Tagen teilweise erloschen. Grund dafür ist, dass der Trump-Fan und (ehemalige) Breibart-Blogger, der sich selbst zu keiner Bewegung verordnet und weder zu den Alt-Right noch zu den Konservativen noch zu den Libertarians zählt, in einem vor kurzem bei Twitter verbreiteten Interview Aussagen tätigte, die als Verharmlosung von Kindesmissbrauch gewertet wurden. Er selbst bestreitet das, allerdings hat er wie üblich einen übertriebenen Sarkasmus benutzt, der ihm offenbar zum Verhängnis wurde: Sein Buchvertrag für „Dangerous“ wurde gekündigt, er wurde aus der konservativen CPAC-Konferenz ausgeladen und kündigte heute selbst seinen Rücktritt aus „Breitbart“ an. Aber seine Karriere will er trotzdem fortsetzen.

Vor genau einer Woche stellte das ZDF Milo dem deutschen Publikum vor. Der Bericht war so, wie man ihn erwartete:

Milo wurde als jemand dargestellt, der „die Meinungsfreiheit missbraucht.“ In amerikanischen Universitäten gelte „unbegrenzte Meinungsfreiheit“ (sic!), deshalb könnten sie nichts gegen Milo machen. Teilweise wurden Milos Aussagen verdreht, so wurde seine Gegnerschaft zu Black Lives Matter als Gegnerschaft zur „Schwarzen-Bewegung“ dargestellt, als Black Lives Matter für alle Schwarzen stehen würde. Die brutale Gewalt, die es bei seinem versuchten Auftritt in der Universität von Berkeley gab, wurde mit keinem Wort verurteilt. Stattdessen wurde Verständnis für die linken Studenten gezeigt, die sich zu Opfern stilisierten: Dank Milo sei der „falsche Eindruck“ entstanden, dass es Konservative in Unis schwer hätten, dabei könne jeder Konservative in jeder Uni alles sagen, was er will, die linken Studenten würden es tolerieren, und ein viel größeres Problem als die Gewalt in Berkeley sei … natürlich der Hassprediger Milo.

Jeder, der die Zustände in amerikanischen Unis kennt, weiß, wie weit von der Realität diese Beschreibungen sind. Tatsächlich sind amerikanische Unis mittlerweile so feindlich gegenüber nicht-linken Ansichten eingestellt, dass mit einer „Make America Great Again“-Kappe herumzulaufen genauso ist wie mit einer Kippa in Berlin-Neukölln herumzulaufen: Kann man machen, sollte man aber nicht, wenn man seine körperlichen Unversehrtheit nicht in Gefahr bringen will. Derzeit ist es besonders brutal, da eine ganze Menge an Studenten bereit sind, gegen den neuen Faschismus zu kämpfen, in dem sie Fensterscheiben einschlagen, Bücher verbrennen und den Auftritt eine schwulen Juden mit Gewalt zu verhindern. Aber es gibt eine viel einfachere Lösung, von der alle – ja, auch die linken Studenten! – profitieren können, und die das Milo-Problem lösen kann.

Bevor ich zu dieser Lösung komme, möchte ich meine Meinung zu Milo äußern. Ich halte ihn für einen meistens sehr unterhaltsamen Kerl, der die linke Logik oft völlig zurecht auseinandernimmt. Bei Themen wie Islam, Feminismus, Black Lives Matter und anderen teile ich auch seine Ansichten, auch wenn er sich sehr, sehr frech äußert. Gleichzeitig bin ich im Gegensatz zu ihm überhaupt kein Trump-Fan, und verstehe auch nicht, wie man als Liberaler (wobei sich Milo, wie gesagt, selbst nicht als Libertarian bezeichnet, aber er bekennt sich zu Kapitalismus und Meinungsfreiheit) jemanden gut finden kann, nur weil er nicht politisch korrekt ist, und sein gesamtes anderes Programm mehr oder weniger ignoriert. Aber Milo ist kein Rassist, Sexist oder Homophober. Er hat selbst gesagt dass er gegen jede Form von Identitätspolitk ist, auch gegen die von Weißen, Männern und Heteros, und – man kann es nicht oft genug sagen – er ist kein Mitglied der Alt-Right.

Außerdem habe ich eine Sympathie für seinen übertriebenen Sarkasmus (obwohl es ihm nun offenbar große Probleme gebracht hat), weil er damit die ganze Intoleranz und den Hass auf andere Ansichten bei den Linken zur Schau stellt:

When a society becomes overly restrictive of expression, provocateurs inevitably arise to challenge the status quo: Take, for instance, George Carlin (“Save the children? F*** the children!”), Trey Parker and Matt Stone (“America? F*** Yeah!), and now Milo (“Darling, F*** your feelings!”). (…) For those on the Left already predisposed to disliking what he has to say, the line between satire and serious commentary becomes blurred, garnering outrage and calls for censorship.

(…)

You may be asking why this is important. Everything I’ve discussed, from calls for censorship, to violent protests, to social media bans are all within the realm of culture, not legislation. You could even argue that private social media companies are free to enforce their community standards as they see fit, with which I would agree. Culture precedes legislation; wars won on the cultural front today will often find their way to the politician’s pen tomorrow. … Freedom of expression is the bedrock upon which all other liberties stand; we should be thankful to people such as Milo for courageously drawing out and critiquing the anti-speech culture so that we may resist their attempted repression.

Nun aber zur Lösung des Milo-Problems an linken Unis. Ich habe die Idee von einem Facebook-Freund, Isaac Morehouse, einem Bildungs-Unternehmer, der seine Idee auch in seinem Blog darlegte. Es ist ganz einfach: Anstatt gewalttätige Proteste zu riskieren, sollte Milo eine KickStarter-Kampagne starten, und wenn genug Menschen spenden, sagt er seinen Auftritt ab. Die Milo-Gegner geben für jeden Protest Geld für Transport, Schilder und für die Organisation der Proteste aus, insgesamt wohl mehr als 5 Dollar pro Kopf. Nehmen wir an, ein Sprecher verdient 10.000 pro Auftritt – um einen Milo-Auftritt zu verhindern, müssten nur 2.000 der 38.000 Berkeley-Studenten 5 Dollar spenden, es würde also locker reichen. Jeder gewinnt: Die Studenten müssen Milo nicht hören, sie sparen etwas Geld, Milo bekommt Geld und er ist in Sicherheit. In toleranten Unis kann Milo weiterhin auftreten, und für die linken Unis kann er Online-Auftritte machen (oder er fordert seine Anhänger dazu auf, für einen Auftritt zu spenden).

Seht ihr? Der Markt bietet für alles eine Lösung. Man muss nur einen Preis setzen.

10 Antworten to “Wie man das Milo-Problem lösen kann”

  1. Asdrendeluxe Says:

    Nun ja er war ja selbst ein Missbrauchsopfer. Er wollte sich nicht als Opfer ansehen drum sagte er diese dinger.

    • arprin Says:

      Ich fande auch nicht, dass seine Aussagen Kindesmissbrauch verharmlosen. Er ist nur sehr sarkastisch. Und er hat sich ja selbst gegen Kindesmissbrauch eingesetzt.

  2. Klatschnik Says:

    Kickstarter ist nicht politisch neutral, siehe Patriot-Peer-App der Identitätsunsicheren.

  3. Eloman Says:

    Milo kommt mir ein wenig wie ein Lenny Bruce des 21. Jahrhunderts vor.

    • arprin Says:

      Bezüglich des Schock-Potenzials ähneln sich beide in der Tat, Lenny Bruce hatte aber wohl mehr Auftrittsverbote. Aber Milo hat noch Zeit, um aufzuholen.

  4. Adrian Says:

    Unwahrscheinlich dass Linke diese Lösung annehmen. Gewalt ist für sie billiger und wird nicht sanktioniert.

    • arprin Says:

      Theoretisch kann so eine Spendenkampagne ja billiger sein. Aber ich denke, dass das Gefühl, gegen den Faschismus zu kämpfen, für sie einfach unbezahlbar ist, deshalb würden sie die Lösung wohl ablehnen.

  5. Martin Says:

    Zu Milo kann ich eigentlich nur sagen, dass er ein denkbar schlechter Aufhänger ist, um über die freie Meinungsäußerung zu diskutieren, da er in meinen Augen einfach nur ein Mensch ist, der mit billigen Provokationen, die am Rande des guten Geschmacks entlangschrammen, sein Geld verdient, nachdem er vorher in seinem leben nichts Gescheites zu Stande gebracht hat.

    Viel interessanter finde ich den von Ihnen ausgelassenen Teil des Zitats von beinglibertarian.com:

    „Culture precedes legislation; wars won on the cultural front today will often find their way to the politician’s pen tomorrow. We need only to gaze across the Atlantic to see that free expression is under assault in Western civilization, from the banning of pro-life websites in France to prison sentences for Holocaust deniers in Germany.“

    Den Holocaust zu leugnen und wie die pro-life Bewegung pseudowissenschaftliche Fakten zu verbreiten ist offensichtlich für den von Ihnen zitierten Autor ein Angriff auf die freie Meinungsäußerung. Unterschlagen wird dabei allerdings, dass einige Anhänger dieser Meinungen ebenso zu Gewalt neigen wie einige Anhänger linker Meinungen, um ihre Sicht der Dinge durchzusetzen oder schlimmer noch die opponierende Meinung komplett zu verbieten oder gar den dahinter stehenden Menschen physisch zu vernichten.

    Was macht jetzt eigentlich die linke „anti-speech culture“ schlimmer, als die rechte der Holocaustleugner oder die nicht recht einzuordnende der pro-life Bewegung?

    Ich würde sagen, es ist der Standpunkt von dem man aus spricht und somit würde ich behaupten, dass es einigen Linken, K. Augustus ebenso wie Milo Yiannopoulos oder Ihnen nicht im Geringsten um die Verteidigung der freien Meinungsäußerung geht. Diese dient nur als Deckmantel um die eigenen Ansichten (ob nun für Geld, politische Ziele, Eitelkeit, Aufmerksamkeit, etc.) zu erhöhen und die Anderer zu verunglimpfen.

    Mit besten Grüßen

    Martin

    • arprin Says:

      Den Holocaust zu leugnen und wie die pro-life Bewegung pseudowissenschaftliche Fakten zu verbreiten ist offensichtlich für den von Ihnen zitierten Autor ein Angriff auf die freie Meinungsäußerung.

      Ja, und ich sehe das auch so.

      Unterschlagen wird dabei allerdings, dass einige Anhänger dieser Meinungen ebenso zu Gewalt neigen wie einige Anhänger linker Meinungen, um ihre Sicht der Dinge durchzusetzen oder schlimmer noch die opponierende Meinung komplett zu verbieten oder gar den dahinter stehenden Menschen physisch zu vernichten.

      Was macht jetzt eigentlich die linke „anti-speech culture“ schlimmer, als die rechte der Holocaustleugner oder die nicht recht einzuordnende der pro-life Bewegung?

      Die Gewalt, ob von links oder rechts, lehnen die Leute bei beinglibertarian.com (also auch K. Augustus), sicher ab, immerhin ist das selbst eine Einschränkung der Meinungsfreiheit. Es geht nur darum, dass man Dinge sagen darf, mehr nicht.

      Und ich würde Milo nicht in eine Linie mit Holocaustleugnern stellen. Er ist zwar sehr sarkastisch, und ich stimme nicht allen seinen Ansichten zu, aber er ist kein Rassist, Sexist oder Homophober.

      Ich würde sagen, es ist der Standpunkt von dem man aus spricht und somit würde ich behaupten, dass es einigen Linken, K. Augustus ebenso wie Milo Yiannopoulos oder Ihnen nicht im Geringsten um die Verteidigung der freien Meinungsäußerung geht. Diese dient nur als Deckmantel um die eigenen Ansichten (ob nun für Geld, politische Ziele, Eitelkeit, Aufmerksamkeit, etc.) zu erhöhen und die Anderer zu verunglimpfen.

      Ob es den Leuten um die Verteidigung der Meinungsfreiheit geht, ist erstmal bezüglich der Frage, ob sie selbst Meinungsfreiheit haben sollten, egal. Die Gewalt in Berkeley gehört verurteilt.

      Milo sagt immer, dass er keine Meinungsverbote befürwortet, und dass jeder ihm widersprechen darf. Sein Eintreten für Meinungsfreiheit erscheint mir daher glaubwürdig. Klar, er „nutzt“ es aus, um viel auszuteilen, aber er kann auch einstecken.

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