Archive for September 2017

Nazi-Jäger im Bundestag

September 27, 2017
Das Logo der Alternative für Deutschland

Werden sie bald mitregieren?

Die SPD fällt, die CDU folgt langsam, die Kleinparteien legen zu, und das wirklich Wichtige: Die AfD ist da. Eine rechte Partei im Bundestag hat es in Deutschland hat es seit 1998 nicht gegeben (damals war es noch die CDU), und deshalb macht sie nach der Wahl die größten Schlagzeilen. Der Niedergang der SPD ist dagegen ein gewohntes Thema. Wird die AfD nur ein kurzzeitiges Phänomen sein und in 10 Jahren kaum mehr eine Rolle spielen, oder sind sie da, um dauerhaft im Bundestag zu bleiben und sogar eines Tages mitzuregieren? Ironischerweise spricht für das erste Szenario das Personal der AfD, das sich schon jetzt selbst zerfleischt, und für das zweite das Personal der etablierten Parteien, das noch immer nicht weiß, wie sie mit der AfD umgehen soll.

Man muss sich das mal vorstellen: Mitte März machte ein Fußballer ein Foto mit einer Person, der sich später als AfD-Mitglied entpuppte, woraufhin der Fußballer sofort die Löschung des Fotos forderte und sie schließlich mit einer einstweiligen Verfügung erzwang. Eine Gewerkschaft veröffentlichte kurz darauf in einem Flyer Tipps, wie man mit Menschen umgehen soll, die AfD-Anhänger sind, darunter „Isolierung der Person“, „öffentliches Outing“ oder das „Anschwärzen beim Arbeitgeber.“ Kurz vor der Wahl beendete ein Fernsehmoderator seinen Wahlaufruf mit „Leute, geht wählen. Nur nicht AfD.“ Es ist gut möglich, dass Menschen, die so ticken, bald neben AfD-Mitgliedern im Bundestag sitzen werden.

Die Taktik des Beschimpfens und Boykottierens lässt die AfD nicht verschwinden, das wurde schnell klar, aber auch das väterliche „Liebe Enttäuschte und Abgehängte, wir werden uns jetzt bessern, damit ihr nicht mehr so eine kranke Partei wählt“ wird auf Dauer scheitern. Es gibt nämlich kaum einen Unterschied dazu, jemanden zu beschimpfen oder ihn zu boykottieren, oder ihn als Enttäuschten zu bezeichnen, der den Verstand verloren hat. Sollte den Nazi-Jägern nichts mehr einfallen, könnte der AfD eine glänzende Zukunft bevorstehen. Momentan spricht einiges dafür, dass es genauso kommen wird. Hier z.B. einige Reaktionen der polit-medialen auf das hohe Wahlergebnis der AfD in Sachsen:

Tschechien, wie wär’s: Wir nehmen Euren Atommüll, Ihr nehmt Sachsen?
– Ansgar Mayer, Kommunikationsdirektor des Erzbistums Köln, per Twitter

Es war ein Fehler, Dresden wieder aufzubauen.
– Jutta Ditfurth per Twitter

Was ist eigentlich euer Problem in Sachsen?
– Ulf Poschardt, Chefredeakteur der Welt, per Twitter

Bitte, liebe Russen, nehmt Sachsen zurück, bitte, bitte, bitte.
– Leserkommentar, der von der Redaktion von Zeit Online empfohlen wurde (more…)

Lehren aus der Wahlarena

September 18, 2017
Der nächste gescheiterte Kanzlerkandidat (Bild: Mettmann)

Martin Schulz stellte sich den Fragen der Bürger

Während das Wahlduett zwischen Merkel und Schulz in der Öffentlichkeit kaum Aufmerksamkeit erregt hat, haben die Wahlarenen praktisch keine erregt. Dabei habe ich persönlich aus den Wahlarenen mehr mitgenommen als aus dem Wahlduett. Immer wieder wird – zurecht – auf Politiker geschimpft, während der Wähler gut davonkommt. In den Wahlarenen zeigte sich aber, dass beide gut harmonieren. Die Wähler haben unendliche Ansprüche an den Staat. Und genau deshalb lieben es die Politiker, ihnen alles zu versprechen. Am Ende ist dann die Realität, die diese Harmonie beendet: Die Wünsche der Wähler können nicht von den Politikern erfüllt werden, also finden die Wähler die Politiker plötzlich doof.

Als ich sah, wie die Wähler Merkel und Schulz um mehr Geld vom Staat baten, sehnte ich mich nach einem Politiker der Marke Barry Goldwater. Er trat 1964 als Kandidat der Republikaner bei den Präsidentschaftswahlen gegen Lyndon B. Johnson an und erlitt eine Rekordniederlage. Gleichzeitig war er wahrscheinlich der freiheitlichste Kandidat der amerikanischen Geschichte. So schrieb er 1960 in „Gewissen eines Konservativen“:

I have little interest in streamlining government or in making it more efficient, for I mean to reduce its size. I do not undertake to promote welfare, for I propose to extend freedom. My aim is not to pass laws, but to repeal them. It is not to inaugurate new programs, but to cancel old ones that do violence to the Constitution, or that have failed their purpose, or that impose on the people an unwarranted financial burden. I will not attempt to discover whether legislation is „needed“ before I have first determined whether it is constitutionally permissible.

Ein solcher Kandidat hätte natürlich wenig Chance, heute in Deutschland mehr als 0,1% der Stimmen zu bekommen. Es wäre aber schon unterhaltsam, die Reaktion der Wähler auf seine Antworten zu sehen. Im Jahr 2017 liegt die Mehrheit der Deutschen dem Staat zu Füßen. Die massive Kritik an Politiker ist keine Kritik am Anspruch der Politiker, das Leben der Menschen zu bestimmen. Es ist die Kritik, dass der (Gott-)Vater Staat das Leben der Menschen nicht so bestimmt, wie sie es sich wünschen. Egal ob es um das Thema Rente, Mieten, Flüchtlinge, Bildung, Sozialstaat, Digitalisierung: Überall hält der Deutsche „Mehr Staat“ für die einzige Lösung. Ich kann in dieser Hinsicht den Wählern kein besseres Zeugnis ausstellen als den Politikern: Sie sind für die Probleme des Landes mindestens genauso verantwortlich.

Besonders deutlich wird das, wenn es um das Thema Rente geht. Wie die Wahlarenen zeigen, sind die Wähler zutiefst enttäuscht, dass die Politiker ihnen keine höheren Renten ermöglichen (oder später ermöglichen werden). Gleichzeitig sind sie aber empört, wenn über Erhöhung der Rentenbeiträge, Erhöhung des Renteneintrittsalters oder private Altersvorsorge gesprochen wird. Im Klartext: Die Wähler fordern von den Politikern, dass sie die Renten erhöhen sollen, ohne die Rentenbeiträge und das Renteneintrittsalter zu erhöhen oder private Vorsorge attraktiver zu machen. Die Politiker sollen zaubern. Das ist kein Witz: Laut einer Umfrage von Yougov glauben satte 48% der Deutschen, dass es „alleinige Aufgabe des Staates“ ist, für die Rente zu sorgen. (more…)

Spektakel in Barcelona

September 10, 2017

Die katalanische Flagge (Bild: Martorell)

Oft passiert es, dass man sich nicht vorstellen kann, dass etwas wahr wird, bevor es tatsächlich vor den eigenen Augen geschieht. Niemand hätte gedacht, dass die Berliner Mauer fällt, bevor es wahr wurde. Niemand hätte gedacht, dass der Aufstand in Tunesien die ganze arabische Welt anstecken würde, bevor es wahr wurde. Niemand hätte gedacht, dass Donald Trump US-Präsident wird, bevor es wahr wurde. Nun stehen wir vor einem anderen Ereignis dieser Sorte. Seit Jahrzehnten träumen die Katalanen von der Unabhängigkeit, und seit Jahrzehnten verläuft das Vorhaben negativ. Aber in drei Wochen kann es wahr werden: Katalonien wird unabhängig.

Die katalonische Regionalregierung ist so entschlossen wie nie, und die spanische Zentralregierung ist so besorgt wie nie. Für den 1. Oktober ist ein Referendum angekündigt, falls die Mehrheit sich für die Unabhängigkeit ausspricht, soll am 3. Oktober die Unabhängigkeit Kataloniens ausgerufen werden. Alle Versuche der Madrider Regierung, das Vorhaben zu stoppen, sind – bis jetzt – gescheitert, so dass die Verteidigungsministerin sogar angedeutet hat, notfalls das Militär nach Katalonien zu schicken. Welche Folgen könnte ein „Ja“ der Katalanen haben? Wie wird sich Katalonien entwickeln? Wie wird die EU reagieren? Wie werden andere mit Sezession sympathisierende Völker das Referendum aufnehmen? Und was passiert mit dem FC Barcelona? Alles der Reihe nach.

Wäre ein unabhängiges Katalonien ein Plus für die Freiheit?

Möglich, aber nicht gewiss. Die erst vor zwei Jahren gegründete politische Bewegung für die Unabhängigkeit, Junts pel Si, hat als Programm wenig mehr als die Unabhängigkeit. Die zweitpopulärste Partei, CPU, ist sozialistisch und grün und fordert u.a. kostenloses Wohnen, Strom und Wasser sowie ein garantiertes Mindesteinkommen für alle und die Verstaatlichung der Banken. Ob die praktische Politik des spanischen Zentralstaates aber das kleinere Übel wäre als das eines unabhängigen Kataloniens, darf bezweifelt werden (vor allem, wenn die linksextreme Podemos in Madrid an Einfluss gewinnen sollte). Immerhin: Katalonien ist die wohlhabendste Region Spaniens, ist also nicht von Subventionen abhängig, und Dezentralisierung bietet immer eine große Chance für mehr Freiheiten für die Bürger.

Werden Spanien und die EU ein unabhängiges Katalonien zulassen?

Spanien ist ein demokratisches Land, es ist daher sehr unwahrscheinlich, dass es wirklich zum Bürgerkrieg kommt. Wahrscheinlicher ist, dass sie Katalonien in einen langen, juristischen Kampf verwickeln, in der Hoffnung, dass sie irgendwann entnervt aufgeben. Die EU dürfte sich auf die Seite Spaniens stellen und die Katalanen mit derselben Abstrafung drohen wie den Briten. Für die EU wäre ein „Ja“ der Katalanen vor allem symbolisch ein schwerer Rückschlag: Brüssel wünscht sich immer mehr Zentralisierung, das Auseinanderdriften eines Mitgliedslandes wäre ein großes „Fuck you“ für diese Ambitionen, sowie der Brexit oder die Haltung der Visegrad-Staaten zur Flüchtlingsumverteilung. Letztlich müssten sie aber die Unabhängigkeit Kataloniens akzeptieren, wenn diese bis zum bitteren Schluss dafür kämpfen. (more…)

Das geteilte Land

September 3, 2017

Das bessere Deutschland

Deutschland 2017. Die Schulen faulen vor sich hin. No-Go-Areas machen sich breit. Die Integration von Migranten funktioniert nicht. So sieht das gängige Bild aus, dass wir vor allem von der SPD zu hören bekommen. Sicher ist was an diesen Dingen dran, aber die Aussagen sind leider ziemlich pauschalisierend. Denn es gibt große Unterschiede innerhalb Deutschlands. Im Folgenden möchte ich zwei erfolgreiche Bundesländer – Bayern und Baden-Württemberg – mit den weniger erfolgreichen Gegenden Nordrhein-Westfalen, Berlin und Bremen (also sozialdemokratischen Stammländern) vergleichen. Man wird schnell feststellen, dass die Unterschiede so groß sind wie normalerweise zwischen zwei Staaten mit völlig unterschiedlichem Entwicklungsstand und sich wundern, warum es in Bayern keine große Sezessionsbewegung gibt.

Wirtschaft

Die Arbeitslosigkeit in Bayern lag im Juli 2017 bei 3%, in Baden-Württemberg bei 3,4%. Viele bewerten diese Zahlen als „nahe der Vollbeschäftigung.“ Die beiden Länder gehören zusammen mit Hessen zu den drei Netto-Einzahlern beim Länderfinanzausgleich. Die Arbeitslosigkeit in Nordrhein-Westfalen liegt bei 7,9%, das Land ist hoffnungslos verschuldet. Dabei kann man nicht behaupten, dass die Bürger in NRW diese hohe Verschuldung mit erstklassigen öffentlichen Dienstleistungen zurückerstattet bekommen – im Gegenteil. Am höchsten liegt die Arbeitslosigkeit in Bremen (10,3%) und Berlin (8,8%). Wie kann man diese Diskrepanz zwischen den Ländern erklären? Möglicherweise liegt es am Grad der wirtschaftlichen Freiheit, bei der Bayern und Baden-Württemberg seit Jahren vorne liegen, während Berlin den letzten Platz hütet? Aber vielleicht ändert sich das jetzt mit Rot-Rot-Grün (ja, war ein Witz).

Kriminalität

Bayern und Baden-Württemberg sind die mit Abstand sichersten Bundesländer. Im krassen Gegensatz dazu ist Nordrhein-Westfalen, wenn man die drei Stadtstaaten mit ihrer deutlich höheren Raten abzieht, das nach Sachsen-Anhalt gefährlichste Bundesland. Nun könnte man das damit erklären, dass es in NRW viel mehr Großstädte gibt, aber so ganz geht die Rechnung nicht auf, denn auch die Städte in Bayern sind sicherer – München und Augsburg waren 2016 die sichersten Städte Deutschlands, Berlin dagegen die gefährlichste. Man sieht bei den Statistiken ein deutliches „Nord-Süd-Gefälle“: Der Norden ist viel krimineller als der Süden.

Viele Beobachter glauben, das Problem von NRW oder Berlin liege an zu wenig staatlichen Ausgaben für Sicherheit. Aber das eigentliche Problem ist die politische Ideologie. So bekommen z.B. Einbrecher in Bayern die höchsten Strafen. Die Regierung in Hamburg duldet rechtsfreie Räume wie die Rote Flora, in Berlin duldet man die Rigaer Straße – beides Orte, in denen Linksextremismus und Gewaltkriminalität floriert. Besonders bezeichnend: Als sich im Görlitzer Park in Berlin, früher ein Ort für Familien, Drogendealer breitmachten, reagierte die Berliner Regierung nicht etwa mit Polizei, sondern mit „Parkläufern“, die den Dealern Lehrstellen anbieten sollten. Jan Fleischhauer kommentierte dies treffend:

Ich stelle mir vor, die Drogenhändler würden im Englischen Garten im großen Stil ihre Geschäfte betreiben. In München würde man eine Einheit berittener Polizei schicken, dann wäre der Spuk vorbei. Niemand scheint sich zu fragen, warum es immer anderswo No-go-Areas gibt, niemals in Bayern.

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