Archive for Januar 2018

No Billag, No GEZ

Januar 31, 2018

Am 4. März werden die Schweizer in einer Volksabstimmung, der „No-Billag-Initiative“ über die Zukunft der Rundfunkgebühren im Land entscheiden. Im Rahmen der Abstimmung machte das NDR Werbung für die Befürworter der Initiative:

Nein, das war natürlich nur Spaß. Tatsächlich meinte das NDR es ernst: Eine Welt ohne Tatort, Bergdoktor, Tagesschau und Panorama wird als Dystopie ausgegeben. Ich nehmen an, für den NDR würde besonders die Abwesenheit des Bergdoktors den Bestand unserer Demokratie gefährden.

Was ich davon halte, muss ich nicht mehr ausführen. Selbstverständlich gibt es kein Recht, Menschen zu zwingen, für Radio- und Fernsehprogramme zu zahlen. Weder für das Billag-Regime in der Schweiz, noch für das GEZ-Regime in Deutschland. Das GEZ-Regime hat aber zusätzlich aus einem anderen Grund weitere Antipathie-Punkte bei mir gesammelt: Ihre ideologische Ausrichtung. Es ist nicht möglich, die Programme der Öffentlich-Rechtlichen in Deutschland zu beobachten, ohne die linksgrüne Färbung der meisten politischen Sendungen zu erkennen. Zwangsgebühren sind schlimm genug, aber Zwangsgebühren für Volkserziehungsfernseen sind ein noch größeres Ärgernis. Wer noch immer an die Neutralität der Öffentlich-Rechtlichen glaubt, dem seien drei Beispiele aus letzter Zeit vor Augen geführt.

Im Oktober letzten Jahres strahlte das ZDF den Historienfilm „Maximilian – Das Spiel von Macht und Liebe“ aus. Der Film wurde von einer privaten Filmproduktionsgesellschaft produziert, jedoch von österreichischen und deutschen Subventionsgeldern gefördert und im österreichischen Staatssender ORF zuerst ausgestrahlt. Es ging um den im 15. und frühen 16. Jahrhundert lebenden österreichischen Herzog und späteren Kaiser Maximilian. Wie könnte man ausgerechnet hier moderne politische Botschaften einfließen lassen? Na, hören sie selbst:

Verjagt vom französischen König, fliehen unzählige Bauern nach Gent, wo Maria von Burgund ihnen Zuflucht in der Kirche bietet. Als ein Berater an der Beherbergung der Flüchtlinge Zweifel äussert, sagt sie: «Wir schaffen das!» Deutlich sind Angela Merkels Worte aus dem Mund der burgundischen Thronfolgerin zu hören. … Maria-Merkel, die Verfechterin der europäischen Vereinigung. Die türkische Gefahr im Osten. Die bösen Ungarn – deren König Corvinus im Film übrigens der Einzige ist, der einen Akzent hat.

Das zweite Beispiel ist weniger subtil. Im Dezember strahlte das ARD den Tatort „Dunkle Zeit“ aus. Hier wurde der Aufstieg einer rechtspopulistischen Partei dargestellt, den „Neuen Patrioten“, die der AfD angelehnt ist. Die Parteivorsitzende der Neuen Patrioten, Nina Schramm, ist die Böse, der Polizist Thorsten Falke ist der Gute. Am Ende kommt es zu einem Showdown zwischen beiden. Nina Schramm stellt Falke zur Rede und beklagt, dass die Kriminalität von Migranten verschwiegen wird und Polizeistellen gestrichen werden. Der Polizist Falke holt zur Gegenrede aus, die im Spiegel aus pädagogischen Gründen in ihrer Gänze wiedergegeben wurde: (more…)

Zwei Drecksäcke machen keinen Saubermann

Januar 26, 2018
Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan

Ein Drecksack kommt selten allein

Als die Kurden in Syrien 2012 anfingen, sich vom Assad-Regime unabhängiger zu machen und daraus mit der Zeit ein fast komplett neuer Staat entstand, empfand ich das als gute Entwicklung. Die Kurden in Syrien waren wie im Irak, der Türkei und dem Iran von der Zentralregierung unterdrückt worden, sie durften ihre eigene Kultur nicht ausleben und erlebten bei Protesten gegen ihre Zwangsassimilation Gewalt, wie 2004 in Qamishli, als Dutzende Menschen zu Tode kamen. Mit der Zeit wurde aus dem kurdischen Autonomiegebiet in Syrien (auch „Rojava“ genannt) ein guter Verbündeter im Kampf gegen den IS, der zurecht von den USA militärisch unterstützt wurde. Es ist nicht Assad oder Putin zu verdanken, dass der IS in Syrien fast gänzlich besiegt wurde, sondern den syrischen Kurden, einigen sunnitischen Rebellengruppen und den westlichen Luftbombardments.

Nun hat sich die Lage geändert. Die kurdische Autonomie wird wieder bedroht, aber nicht von Assad oder dem IS. Erdogan hat, mithilfe von syrischen Söldnern einen Krieg gegen die kurdische Autonomie gestartet. Meiner Ansicht nach gehört die Türkei schon lange aus der NATO geworfen. Sie sind kein verlässlicher Verbündeter der NATO-Mitgliedsländer, und wenn die NATO nicht bloß eine Militärgemeinschaft sein soll, sondern eine Wertegemeinschaft, steht außer Frage, ob ein autoritärer Staat wie die Türkei dazugehört. Gleichzeitig bin ich gegen eine militärische Unterstützung der Kurden gegen Erdogan. Denn leider sind die Kurden in diesem Konflikt nicht als das klare kleinere Übel zu erkennen. Nur weil es richtig war, die Kurden gegen den IS zu unterstützen, heißt das nicht, dass dasselbe gegen Erdogan gilt.

Es gibt im Irak seit 2005 ein kurdisches Autonomiegebiet. Dieser Quasi-Staat war trotz der autoritären Führung immerhin ein guter Bündnispartner (der Versuch, die volle Unabhängigkeit vom Irak auszurufen, endete Oktober letzten Jahres unter erstaunlich wenig internationaler Aufmerksamkeit desaströs) und unterstütze nicht die PKK. Die PKK ist nach wie vor terroristisch tätig, sie scheut nicht davor zurück, unschuldige Zivilisten zu massakrieren, wenn es ihren politischen Zielen nützt, darunter auch Kurden, die die PKK ablehnen. Umso trauriger ist, dass das kurdische Autonomiegebiet in Syrien von der PYD, dem syrischen Arm der PKK, geführt wird, und sie nach allen Erkenntnissen eine (kommunistisch angehauchte) Diktatur aufgebaut hat. Die Sorge der Türkei, dass von dort aus eines Tages Terror gegen die Türkei ausgehen könnte, rechtfertigt nicht Erdogans Einmarsch – aber sie ist nicht falsch. (more…)

Hoffen auf die Jusos

Januar 20, 2018
Der nächste gescheiterte Kanzlerkandidat (Bild: Mettmann)

Wird er Deutschland endgültig an Brüssel verkaufen?

Ja, ganz klar.

– Martin Schulz am 25. September 2017, auf die Frage, ob er eine Große Koalition ausschließt.

Weltweit ist die Hoffnung groß, dass die SPD dafür sorgt, dass Deutschland endlich Frankreich die Hand reicht zur Erneuerung und Stärkung Europas. Denn alle haben gesehen, dass CDU/CSU, Grüne und FDP dazu nicht bereit und in der Lage waren. Viele sehen jetzt die Chance, dass Europa in einer immer aggressiveren Welt ein Ort der Hoffnung und eine starke Stimme der Freiheit und der Demokratie ist. Und die SPD kann dafür der Garant werden.

– Sigmar Gabriel am 16. Januar 2018 über seinen Wunsch für eine neue Große Koalition.

Es dauerte in der oberen Basis der SPD weniger als vier Monate, um aus einem kategorischen „Nein“ zu einer Großen Koalition ein „Ja, denn der Weltfrieden hängt davon ab“ zu machen. Ich befürchte, unser Gabriel hat die Bedeutung dieses Themas dennoch dramatisch überschätzt. Es wird sich kaum jemand außerhalb Europas überhaupt im Klaren sein, dass in Deutschland gerade Koalitionsverhandlungen anstehen, und selbst in Europa dürfte es für die meisten keine überragende Bedeutung haben. Aber nun gut, für Deutschland wird es wohl eine Bedeutung haben, wer regiert, auch wenn der Unterschied zwischen den Koalitionen in den letzten Legislaturperioden nicht sonderlich hoch erschien. Bevor die SPD morgen darüber entscheidet, stellt sich die Frage: Was sollen wir von einer neuen Großen Koalition erwarten?

Wie ich hier offenbarte, wünsche ich mir eine lange Regierungskrise. Doch das, worauf sich die CDU/CSU und SPD geeinigt hatten, erschien mir nicht so fürchterlich wie es hätte sein können: Keine Bürgerversicherung, keine Steuererhöhungen, ein schrittweiser Abbau des Solis, eine Quasi-Obergrenze, keine Schuldenunion. Zwar wollte ich deshalb keine Große Koalition, aber das Grauen war ein bisschen Weg. Ich dachte mir: Vielleicht ist das alles, was wir realistisch gesehen bekommen können. Nun hat sich die Lage aber geändert: Eine Reihe von frustrierten, ökonomisch ungebildeten und machthungrigen SPD-Mitgliedern wünscht sich mehr „Zugeständnisse“ für eine erneute Regierungsbeteiligung. Wie man Merkel kennt, könnte sie darauf eingehen und diese Zugeständnisse (wahrscheinlich Bürgerversicherung und Schuldenunion) als ihre schon immer geltende Überzeugung verkaufen. Damit stehen wir von einer neuen, unerwarteten Situation: Vom „Nein“ der SPD-Mitglieder, die Merkel absurderweise kein Prinzipienverrat zutrauen, hängt die wirtschaftliche Zukunft des Landes ab. (more…)

Kriminellen-Auszug statt Familiennachzug

Januar 11, 2018

Wie viele Araber kommen bald nach Deutschland?

Das Thema Flüchtlingskriminalität hat es nach dem Mord an der 15-jährigen Mia in Kandel ganz nach oben in die Medien geschafft (sogar im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, wenn auch widerwillig). Der Reflex, wonach man nie von einem Fall auf die Gesamtsituation schließen sollte, verfing sich schnell, denn die Gesamtsituation wird durch den Fall Kandel gut repräsentiert. Nach einem stetigen Fallen der Gewaltkriminalität ab den 2000ern hat diese ab 2016 wieder zugenommen, und der Hauptgrund dafür ist offensichtlich der Zustrom an Flüchtlingen (oder Asylbewerbern, wie es dann heißt). Allein in Niedersachen stieg die Gewaltkriminalität zwischen 2014 und 2016 um 10,4%, und 92,1% des Anstiegs geht auf die Flüchtlinge zurück. Außerdem dürfte jedem Menschen bei Verstand klar sein, dass wir einen massiven Anteil an Fake-Minderjährigen haben.

Was ist die Lösung für das Problem? Eine Reihe von Soziologen und Kriminologen hat darüber nachgedacht und eine Studie verfasst. Das Ergebnis ist: Mehr Kurse, mehr Betreuungskonzepte, mehr Praktika für Flüchtlinge. Und noch eine Sache:

Ein wichtiger Aspekt des Problems sei, dass Migranten in Deutschland häufig in Männergruppen lebten – ohne Partnerin, Mutter, Schwester oder andere weibliche Bezugsperson, wie es in der Studie heißt. „Überall wirkt sich negativ aus: der Mangel an Frauen“, sagt Kriminologe Pfeiffer dazu. Dieser Mangel erhöhe die Gefahr, dass junge Männer sich „an gewaltlegitimierenden Männlichkeitsnormen orientieren“, heißt es in der Studie. Pfeiffer hält die Idee des Familiennachzugs deshalb für „nicht dumm“.

Der Familiennachzug wird gerade jetzt scharf diskutiert. Im März soll darüber entschieden werden, ob der Familiennachzug wie bis jetzt weiter ausgesetzt bleiben soll oder ob er freigegeben wird. Die meisten Argumente, die für den Familiennachzug genannt wurden, waren bis jetzt humanitärer Natur. Familien sollten geeint werden, eine christliche Partei sollte für christliche Werte stehen (in Richtung CDU), und das psychische Wohlergehen durch die Anwesenheit der Familie wird bei der Integration helfen, wie die gelungene Integration der arabischen Familienclans in Berlin zeigt. Nun kommt ein weiteres Argument: Der Familiennachzug soll gegen die Kriminalität von Flüchtlingen helfen. Wenn man die derzeitige Situation betrachtet, wird schnell klar: An diesem Argument ist nicht wenig richtig. Sondern gar nichts. (more…)

Ein iranischer Frühling?

Januar 1, 2018

Die Flagge des Iran 2018?

Das neue Jahr beginnt gleich mit einem Knall. Das Mullah-Regime im Iran wackelt gewaltig. In mehr als 70 Städten in allen Provinzen des Landes kommt es zu Demonstrationen gegen das Regime, es werden Parolen gegen Ayatollah Khamenei gerufen, einige Berichte sprechen von scharfer Munition gegen Demonstranten und Angriffe auf öffentliche Gebäude. Das iranische Staatsfernsehen spricht schon von 12 Toten. Erleben wir den Beginn eines neuen Frühlings im Iran? Noch ist es an der Zeit, abzuwarten, das Regime könnte mit massiver Gewalt die Demonstrationen schnell beenden. Wenn das nicht eintrifft, stellt sich die Frage nach den Alternativen: Bürgerkrieg? Putsch aus dem Inneren? Oder eine gelungene Revolution, die das Mullah-Regime für alle Zeiten beendet?

Für das iranische Volk wäre letztere Option sicher die beste. Die brutale Unterdrückung der Frauen, das Fehlen jeglicher Meinungsfreiheit, die Todesstrafe für Homosexuelle, Blasphemisten und Apostaten würde unter einer neuen Regierung mit großer Wahrscheinlichkeit zurückgeschraubt werden. Ich meine damit nicht die immer wiederkehrenden Berichte über die „wilde“ und weltoffene iranische Jugend. Denn es ist schwer zu prüfen, wie repräsentativ solche Berichte sind, und es gibt sicher auch viele anders denkende Bevölkerungsteile. Es dürfte jedoch klar sein, dass, selbst wenn nicht sofort die westliche Moderne im Iran einzieht, die Bevölkerung weniger fundamentalistisch eingestellt ist als das Regime. So scheint z.B., wie das sehr locker getragene Kopftuch und zahlreiche „Ablege“-Kampagnen zeigen, der Kopftuchzwang unter Millionen Frauen verhasst zu sein.

Dazu muss man wissen, dass sich die Lage der Frauen in den letzten Jahrzehnten erheblich verändert hat. Der Zugang zu Geburtenkontrolle wurde vereinfacht, die Geburtenrate sank von 6,1 im Jahr 1979 auf 1,7 im Jahr 2015, und mehr als die Hälfte der Universitätsabsolventen sind Frauen (wie besonders Apologeten des Mullah-Regimes immer wieder gerne betonen). Aber gerade deshalb muss es den Frauen ein Dorn im Auge sein, dass sie in Kopftücher gezwungen werden, ohne männlichen Vormund nicht arbeiten oder reisen dürfen, im Familienrecht massiv diskriminiert werden, keine Stadien betreten, kein Sport machen, ja nicht mal singen dürfen. Ein Sturz des Mullah-Regimes würde der Hälfte der Bevölkerung mehr Rechte geben. Aber es gibt auch einige erhebliche Probleme, die eine Revolution mit sich bringen würde. (more…)