Archive for the ‘Arabischer Frühling’ Category

Humor für den Frieden

Januar 17, 2014
kl

Was wurde aus dem Arabischen Frühling?

Die Hoffnung für Ägypten ist noch nicht gestorben, denn der wichtigste Mann des Landes hat seine Rückkehr angekündigt. Er steht für ein besseres Ägypten, tolerant, weltoffen, modern und humorvoll. In Umfragen gilt er als die mit Abstand beliebteste Person im Land. Im letzten Jahr sahen ihn jede Woche über 30 Millionen Menschen, wie er das politische Geschehen des Landes kommentierte. In diesen instabilen Zeiten, in denen die Menschen ihr Vertrauen auf die Politik längst verloren haben, ist seine Rückkehr ein Hoffnungsschimmer. Natürlich handelt es sich um den TV-Komiker Bassem Youssef.

Youssefs Witze sind ein Gradmesser für die Freiheit in Ägypten. Er startete seine Karriere bei Youtube während der Proteste gegen Mubarak und avancierte später zum ersten Polit-Satiriker des Landes. Im Fernsehen machte er Witze über das Militär, die Muslimbrüder und deren Antisemitismus. Im April letzten Jahres wurde er wegen seiner Witze über Mursi verhaftet und stundenlang verhört, aber zum Glück wieder freigelassen. In seiner ersten Sendung nach dem Putsch machte er dann auch Witze über General Sissi, prompt wurde die Show abgesetzt. Nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass Menschen schon verhaftet wurden, weil sie Affen nach Sissi benannten.

General Sissi ist viel weniger schlimm als ein islamistischer Gottesstaat, aber er ist ein Despot. Nicht nur gewaltbereite Mursi-Anhänger, sondern auch Hunderte unbewaffnete Demonstranten wurden nach dem Putsch getötet. Sissis „Antiterrorkampf“ beschränkt sich jedoch längst nicht mehr auf die Muslimbrüder. Säkulare Aktivisten werden verhaftet und zu jahrelangen Gefängnisstrafen verurteilt, weil sie das Militär kritisieren. Die für die ägyptische Wirtschaft desaströsen Privilegien der Militärs bleiben unangetastet. So kann man über die ägyptische Revolution sagen: Sie hätte deutlich schlimmer scheitern können, aber: Ja, sie ist gescheitert. (more…)

No-Win-Situation in Syrien

September 3, 2013
Das Flüchtlingslager Zaatari in Jordanien ist mittlerweile die viertgrößte Stadt des Landes

Humanitäre Katastrophe: Das Flüchtlingslager Zaatari in Jordanien ist mittlerweile die viertgrößte Stadt des Landes

Nachdem die Welt von der Nachricht erfuhr, dass in den frühen Morgenstunden des 21. August ein Chemiewaffenangriff auf von Rebellen kontrollierte Gegenden in Damaskus stattgefunden hatte, stellten sich die meisten sofort die Frage: Welchen rationalen Grund gäbe es für Assad, einen Tag nach Ankunft der UN-Inspektoren Chemiewaffen einzusetzen? Offensichtlich gar keine. Man kann zwar Erklärungen suchen, aber diese müssen davon ausgehen, dass sich das Assad-Regime völlig verkalkuliert hat, denn noch nie war ein Militärschlag näher als in den letzten Tagen. Wenn Assad wirklich geglaubt hat, mit einem Chemiewaffeneinsatz durchzukommen, ist er ein großes Risiko eingegangen.

Es gibt jedoch Hinweise, die für die Täterschaft des Assad-Regimes sprechen. Das Regime zögerte vier Tage lang (vom 21. bis zum 25. August), um den UN-Inspektoren die Erlaubnis zu geben, die vom Chemiewaffeneinsatz betroffenen Stellen zu untersuchen. Die Videos mit den Opfern wurden nicht von Rebellengruppen hochgeladen, sondern von zivilen Aktivisten, die inzwischen verstorben sein sollen. In diversen Pro-Assad-Seiten in Facebook wurde der Chemiewaffeneinsatz gefeiert, auch wenn diese Posts kurz nach ihrem Erscheinen verschwanden. Und es ist auch fraglich, ob die Rebellen in der Lage wären, einen solchen Einsatz mit Chemiewaffen durchzuführen.

Das sind aber keine handfesten Beweise, die für eine Verurteilung des Assad-Regimes ausreichen würden. Eine andere mögliche Erklärung könnte lauten, dass nicht vom Regime kontrollierte Teile des syrischen Militärs für den Angriff verantwortlich waren. Der einzige Hinweis, dass die Rebellen hinter dem Chemiewaffeneinsatz stecken, ist ein Bericht von „Mint Press“, der dann u.a. vom iranischen Sender PressTV und „Infowars“ aufgegriffen wurde, wonach der saudische Geheimdienst die Rebellen mit Chemiewaffen beliefert habe, die Rebellen aber damit nicht umgehen konnten und dann Opfer ihrer eigenen Waffen wurden. (more…)

Die anti-islamistische Bewegung

August 7, 2013
Die Muslimbrüder wollen die Folterstrafen einführen

Keine gute Zeit, um ein Muslimbruder zu sein

Als seine Brüder die Blasphemiker abholten, hat er geschwiegen, denn er war ja kein Blasphemiker.
Als seine Brüder die Apostaten abholten, hat er geschwiegen, denn er war ja kein Apostat.
Als seine Brüder die Präsidentenwitzemacher abholten, hat er geschwiegen, denn er war ja kein Präsidentenwitzemacher.
Als er abgeholt wurde, gab es niemanden mehr, der protestieren konnte – außer die EU!

Der Sturz von Mursi kam zu einem Zeitpunkt, in der sich die öffentliche Meinung in Ägypten zu Ungunsten der Muslimbrüder gewandelt hatte. In Umfragen schnitten die Islamisten so schlecht ab wie nie zuvor, weniger als ein Drittel war mit Mursi zufrieden. Der landesweit bekannte Satiriker Bassem Youssef meinte in seiner jüngsten Kolumne, dass er im Nachhinein den Menschen empfohlen hätte, bei den Parlamentswahlen die Muslimbrüder zu wählen, damit sie merken, wie unfähig die Muslimbrüder sind, um die Probleme des Landes zu lösen. Allerdings wäre dieser Rat natürlich nur dann klug gewesen, wenn er gewusst hätte, wie dumm sich die Muslimbrüder angestellt und das Militär nicht entmachtet hätten.

Die Präsidentschaft von Mursi erinnert an die kurze Herrschaft von Salvador Allende in Chile. Genauso wie Mursi war Allende demokratisch an die Macht gekommen. Genauso wie Mursi hatte sich Allende und seine Partei bereits vor ihrer Machtübernahme zu ihrer totalitären Ausrichtung bekannt. Genauso wie Mursi hatte Allende es nicht geschafft, die wirtschaftlichen Probleme des Landes in den Griff zu bekommen. Genauso wie Mursi hatten Allendes Anhänger sich blutige Straßenschlachten mit ihren politischen Gegnern geliefert. Jetzt stellt sich nur die Frage, ob El-Sissi der neue Pinochet wird oder ob er die Macht an eine demokratisch gewählte Regierung abgibt. (more…)

Militärputsch im Namen des Volkes

Juli 3, 2013

Millionen Ägypter gegen Mursi:

“In Ägypten hat das Militär die Kontrolle übernommen. Die Armeespitze hat Präsident Mursi seines Amtes enthoben und eine Übergangsregierung eingesetzt, die das Land bis zu Neuwahlen führen soll. Bis dahin wird der Chef des Verfassungsgerichts die Aufgaben des Präsidenten übernehmen. Die Verfassung, die von den Muslimbrüdern in einem umstrittenen Referendum durchgepeitscht wurde, wird vorübergehend außer Kraft gesetzt. … Auf dem Tahrir-Platz brach im Anschluss an die Erklärung ohrenbetäubender Jubel aus. Die Menschen feiern den Sturz des Präsidenten und die Aufhebung der Verfassung. Feuerwerk stieg in den Himmel.” (Spiegel)

Soll man sich nun darüber freuen, dass das Militär einen demokratisch gewählten Präsidenten gestürzt hat oder nicht? Normalerweise ist das keine gute Nachricht. Zumal das Militär Ägypten sechs Jahrzehnte lang beherrscht hat und eine erhebliche Mitverantwortung für die politische, wirtschaftliche und soziale Misere im Land trägt. Aber der Putsch gegen Mursi war kein gewöhnlicher Putsch. Er ist eher vergleichbar mit den Ereignissen im Februar 2011, als Mubarak gestürzt wurde: Dem Putsch gingen Massendemonstrationen bevor, er wurde quasi vom Volk erzwungen und er stürzte einen autoritär herrschenden Präsidenten.

Alles begann, als im April Mursi-Gegner aus verschiedenen Oppositionsgruppen die Kampagne „Tamarod“ (Rebellion) ins Leben riefen. Das Ziel war, bis zum 30. Juni, dem ersten Jahrestag der Machtübernahme Mursis, mehr als 15 Millionen Unterschriften gegen Mursi zu sammeln (dies war die Anzahl an Wählerstimmen, die Mursi bei den Präsidentschaftswahlen für sich erringen konnte). Dieses Ziel gelang bereits am 15. Juni, insgesamt sind 22 Millionen Unterschriften zusammengekommen. Anschließend wurde für den 30. Juni eine Massenkundgebung geplant, in der die Opposition Mursi zum Rücktritt auffordern sollte. (more…)

Das Massaker von Hula: Ein Jahr danach

Mai 17, 2013
Das geteilte Syrien

Die Suche nach der Wahrheit in Syrien ist oft ein schwieriges Unterfangen

In der Nacht von dem 25. auf dem 26. Mai 2012 ereignete sich in der Ortschaft Hula ein Massaker, denen 108 Menschen, darunter 49 Kinder, 34 Frauen und 25 Männer zum Opfer fielen. International löste das Ereignis große Empörung aus, Deutschland und Frankreich wiesen die syrischen Botschafter aus. Bis heute gibt es zwei Versionen, wer für das Massaker verantwortlich ist. Die Version des Regimes, wonach die Rebellen regimetreue Familien ausgelöscht hätten, wurde von der staatlichen syrischen Nachrichtenagentur (SANA), der kleinen russischen Agentur Anna News und in Deutschland von Rainer Hermann (FAZ), Alfred Hackensberger und Jürgen Todenhöfer vertreten.

Auf der Gegenseite steht die Version der Opposition: Regimetreue Milizen (Shabiha) aus einem Dorf in der Umgebung hätten das Massaker verübt, nachdem zuvor Rebellen in Hula Checkpoints der syrischen Armee angegriffen und die syrische Armee Hula bombardiert hatte. Diese Version wurde von der UNO (die Syrien für das Massaker verurteilte, dank Russland wurde die Regierung aber nicht explizit als Schuldige benannt), den Menschenrechtsorganisationen Human Rights Watch und Amnesty International sowie verschiedenen Zeitungen wie Channel4, dem BBC, dem Guardian und dem SPIEGEL vertreten.

Obwohl nun schon fast ein Jahr vergangen ist und viele weitere Massaker verübt wurden, ist Hula der mediale Höhepunkt geblieben. Im Juni letzten Jahres veröffentlichte ich zwei Artikel, die sich mit Hula befassten. Die dort gesammelten Erkenntnisse sind noch ein bisschen reicher geworden, so besuchte Christoph Reuter vom SPIEGEL im August Hula und traf dort mutmaßliche Zeugen des Massakers. Es ist aus zwei Gründen sehr wahrscheinlich (von einer 100%igen Gewissheit kann man aber nicht sprechen), dass die Version der Opposition richtig ist: 1.) Die Zeugen vor Ort beschuldigen überwiegend das Regime und 2.) Die Version des Regimes ist widersprüchlich. (more…)

Bassem Youssef und die Muslimbrüder

April 4, 2013

Als die Nachricht kam, dass der ägyptische Starkomiker Bassem Youssef mehrere Stunden von der Polizei verhört wurde, war klar, dass Jon Stewart Solidarität mit ihm zeigen würde:

Dazu muss man wissen, dass Youssef schon lange als der „Jon Stewart Ägyptens“ gilt und er im Juni 2012 auch in der Jon Stewart Show auftrat. Vor der Revolution gab es in Ägypten keine Politsatiriker, außer vielleicht solche, die mit rabiatem Antisemitismus in der Bevölkerung Stimmung machten. Youssef begann seine Karriere im März 2011, damals noch bei Youtube. Nachdem er Millionen Klicks generiert hatte, bekam er ab dem August 2011 eine eigene Show, die den Namen „Das Programm“ (El Bernameg) trägt. Dort macht sich der gelernte Herzchirurg über alles lustig, ob nun die Muslimbrüder oder die säkulare Opposition.

Im Januar machte sich Youssef in seiner Sendung über Mursis Aussage, die Ägypter sollten ihre Kinder zum Hass gegen die Zionisten und Juden erziehen, lustig, in dem er behauptete, die Ägypter hätten schon genug Hass gegen Christen, Schiiten, Baha’i, Frauen und Fans des Fußballvereins Zamalek. Er wurde zum Held der liberalen, säkularen Ägypter. Über mehrere Monate konnte er unbeschadet sein Programm durchziehen. Aber die Muslimbrüder wären nicht die Muslimbrüder, wenn sie nicht irgendwann einen Haftbefehl wegen „Beleidigung des Staatspräsidenten und des Islam“ gegen ihn erwirkt hätten. (more…)

Die Revolution der Komiker

März 17, 2013
Die syrische Flagge von 1932-58 und 61-63 ist das Symbol der Demonstrationsbewegung

Widerstand gegen die Tyrannei: Die syrische Revolution wird zwei Jahre alt

Vor knapp zwei Jahren, am 15. März 2011, begann in Syrien mit Demonstrationen in vielen Städten, darunter auch in der Hauptstadt Damaskus, der Aufstand gegen das Assad-Regime. Der Bürgerkrieg hat bis jetzt mehr als 70.000 Tote und 4 Millionen Vertriebene zur Folge gehabt. Die bewaffneten Regimegegner haben Anfang März erstmals eine Großstadt (al-Raqqa) unter ihrer Kontrolle gebracht, und wie in Bagdad 2003 wurde eine Statue des ehemaligen Diktators Hafez al-Assad niedergerießen. Die friedliche, zivile Opposition, die am Jahrestag mehr als 200 Demonstrationen organisierte, wird immer weiter in den Hintergrund gedrängt. Der Westen tut auch wenig, um sie zu unterstützen.

Im Gegenzug erhält das Regime ununterbrochen militärische Unterstützung aus dem Ausland (aus Russland und vor allem dem Iran). Seine Abhängigkeit vom Iran demonstrierte Assad eindrucksvoll, als er im Tausch für die entführten iranischen „Pilger“ mehr als 2000 gefangene Regimegegner freiließ, während ihm Tausende regimetreue Syrer diesen Preis nicht wert waren. Es ist schon ein kleines Wunder, dass die Protestbewegung trotz der hohen militärischen Überlegenheit des Regimes, der fehlenden Unterstützung des Westens und des immensen Drucks aus dem Ausland nach so vielen Monaten immer noch nicht zusammengebrochen ist, sondern so stark ist wie nie zuvor.

In den ländlichen Gegenden gibt es einige von Assad befreite Dörfer, und einige davon sind wirklich frei – also auch nicht unter Kontrolle von Islamisten. Das Dorf Yabrud schaffte es, sich ganz ohne bewaffneten Widerstand zu befreien (mittlerweile hat das Regime mit Gewalt zurückgeschlagen). Auf dem Weg in die Geschichtsbücher ist das 25.00-Seelen-Dorf Kafranbel. Seit mehreren Monaten demonstrieren die Menschen dort gegen das Regime, am 10. August 2012 wurde das Dorf befreit. Die stärksten Waffen aus Kafranbel sind aber nicht Maschinengewehre: Es ist die Waffe des Humors. (more…)

Bye-bye, Gaddafi!

Februar 17, 2013
Gaddafis Zeit in Libyen läuft langsam aber sicher ab

Das neue Libyen

Heute ist der 2. Jahrestag der libyschen Revolution. Im „Daily Beast“ schrieb Fuoad Ajami, dass der Westen von einer perversen „Gaddafi-Nostalgie“ umgeben sei. Er nannte als Beispiele Artikel in der „Financial Times“ und der „New York Times“. Aber Gaddafi-Nostalgiker, die auch die Intervention in Libyen als dummen Fehler betrachten, findet man natürlich vor allem im Internet. In vielen Internetseiten verbreitete sich eine Liste von Propagandamythen, die die 42-jährige Herrschaft von Gaddafi glorifizierten. Staunen sie selbst über “Gaddafis politisches Testament“ – Die Mutter aller Propaganda.

Die 10 gängigsten Gaddafi-Mythen sind:

1. Gaddafi hat seinem Land Wohlstand und Bildung gegeben.
2. Gaddafi war ein säkularer Herrscher.
3. Gaddafi zeigte Toleranz gegenüber Schwarzafrikanern.
4. Die Mehrheit der Libyer stand hinter Gaddafi.
5. Gaddafi hat keine Verbrechen am eigenen Volk begangen.
6. Die NATO und die Rebellen haben Verbrechen am Volk begangen.
7. Libyen wird ein Failed State werden.
8. Dem Westen ging es nur um das libysche Öl.
9. Gaddafi hat für Stabilität in der Region gesorgt.
10. Der Krieg in Mali ist eine Folge der Intervention in Libyen.

Schauen wir uns mal einige dieser Mythen genau an und prüfen nach, ob die Gaddafi-Nostalgiker Recht haben.

1. Gaddafi hat seinem Land Wohlstand und Bildung gegeben.

Tatsächlich war Libyen das Land mit dem höchsten Entwicklungsstand in Afrika. Aber wer sowas behauptet, muss auch den Grund dafür nennen, wie dieser für afrikanische Verhältnisse große Wohlstand zustande kam: Libyen ist ein Land mit nur 6,5 Millionen Einwohnern und 45 Milliarden Barrel Öl. Von daher ist es nicht ökonomischen Wundertaten des Gaddafi-Clans zuzuschreiben, dass es den Libyern unter Gaddafi gelang, einen höheren Gesundheits- und Bildungsstandard zu erreichen als vor ihm.

Und dennoch sind viele Mythen über Gaddafis Herrschaft frei erfunden. Es gab keinen kostenlosen Strom, es gab keine 50.000 Dollar Heiratsgeld, keine 5.000 Dollar Kindergeld, ein Heim/Zuhause zu haben war kein Menschenrecht, es wurde nichts vom libyschen Ölverkauf direkt an die Konten der Bürger gutgeschrieben und das Bildungs- und Gesundheitssystem waren auch nicht herausragend. 40% der Libyer lebten unterhalb der Armutsgrenze, 30% waren arbeitslos. Die Analphabetenrate der Frauen lag bei 29% und die der Männer bei 8%, insgesamt 17%. (more…)

Das Ende des Frühlings

Januar 29, 2013
kl

Demonstranten im Tahrir-Platz im Februar 2011

Iran ist anders, weil man dort schon seit 30 Jahren islamisches Recht anwendet und jeder dort weiß, es ist dunkelste Misere, es meint Brutalität und Unzivilisiertheit und die Menschen haben genug davon. Hätten das iranische Volk die freie Wahl, es würde sich der Mullahs entledigen.

Auch die arabischen Gesellschaften müssen diesen schweren Weg gehen, das ist ihre Tragödie. Erst erlebten sie den Panarabismus, dann gingen sie über zu säkularen Diktaturen und nun, ohne mit der Wimper zu zucken, zur islamistischen Herrschaft. Ja, vielleicht müssen Sie durch diese dunkle Gasse, bis sie es mit einer liberalen Regierung versuchen, die meiner Meinung nach entscheidend ist, um aus dem ökonomischen Sumpf heraus zu kommen und um die Menschen wirklich ins 21. Jahrhundert zu führen.

Benjamin Netanyahu in der WELT, 22. April 2012

Der Arabische Frühling wird zwei Jahre alt. Die Transformation des Nahen Ostens dürfte bald vollendet sein, die alten Regimes sind bis auf wenige Ausnahmen endgültig Geschichte. Nach der kurzen Phase Euphorie wurde der Arabische Frühling zum “islamistischen Winter”. In Tunesien bekamen die Islamisten bei den neuen Wahlen 37%, in Ägypten sogar 78%, in Libyen dagegen nur 14%, dafür treiben dort islamistische Milizen ihr Unwesen. Die Triumphwelle für die Islamisten hat einige Analysten im Westen dazu veranlasst, dass man lieber auf Diktatoren statt auf gewählte Islamisten setzen sollte, die immer noch besser seien als die arabische Straße.

Der Weg von einer autoritären Diktatur zu einer liberalen Demokratie ist ein langer Prozess. Ludwig von Mises sagte, dass das einzige Mittel, das Liberale in diesem Kampf haben, das ist, Überzeugungsarbeit in der Bevölkerung zu leisten. Überzeugungsarbeit kann man nur leisten, wenn es erlaubt ist, seine Ansichten zu verbreiten. In der Vergangenheit gab es Reformer, die in autoritären Regimes bürgerliche Freiheiten eingeführt haben. Das jüngste Beispiel ist Burma, wo sich die Militärdiktatur friedlich geöffnet hat. Hans-Magnus Enzensberger nannte die kommunistischen Parteiführer Wojciech Jaruzelski, Janos Kadar und Michail Gorbatschow in einem 1989 veröffentlichten Essay „Helden des Rückzugs“. (more…)

Wäre er doch nur in London geblieben

Januar 19, 2013

Mörderischer Familienclan: Die Assad-Familie herrscht seit 4 Jahrzehnten über Syrien (Bashar ist der zweite von links)

Es ist der 31.Januar 2011. Zwei arabische Diktatoren, Ben Ali und Mubarak, sind bereits von ihrem Volk gestürzt worden. Ein anderer arabischer Diktator gibt der amerikanischen Zeitung „Wall Street Journal“ ein Interview, indem er tönt: „Wir leben in schwierigeren Umständen als die meisten arabischen Länder, und trotzdem ist Syrien stabil.“ Zwei Monate später veröffentlicht das amerikanische Modemagazin „Vogue“ ein Interview, dass sie später noch bereuen wird, in der die Frau des Diktators als „Eine Rose in der Wüste“ bezeichnet wird.

22 Monate später ist alles anders. Der Diktator befindet sich nach Geheimdienstinformationen nicht mehr im Präsidentenpalast, sondern in einer von Sicherheitskräften geschützten geheimen Unterkunft. Der Chefredakteur einer russischen Zeitung sagt, dass er davon überzeugt ist, von seinen eigenen Leuten getötet zu werden, falls er versuchen sollte zu fliehen, und von seinen Gegnern getötet zu werden, falls er in Syrien bleibt. Er schläft jede Nacht in einem anderen Bett und kontrolliert genau, was er zu sich nimmt.

Es gibt für ihn, wenn er in Syrien bleibt, wohl nur noch 3 Alternativen: Der Gaddafi/Mussolini-Style: Von seinen Feinden gelyncht werden, der Ludwig XVI./Saddam-Style: Nach einem Prozess hingerichtet werden oder den Hannibal/Hitler-Style: Selbstmord. Wenn er aus Syrien flieht, hätte er noch eine vierte Variante: Der Pinochet/Pol Pot-Style: Friedlich im Sterbebett, ohne je zur Rechenschaft gezogen zu werden. Doch wird er noch rechtzeitig den Absprung schaffen? Oder wird er bald sein Youtube-Video bekommen? (more…)