Als Papst Johannes Paul und Benedikt im Amt waren, spielten die Missbrauchsvorwürfe gegen die katholische Kirche eine große Rolle in den Medien. Vor allem Benedikt hatte es schwer, in den Medien gut wegzukommen. Nachdem Franziskus Papst wurde, änderte sich der Ton etwas. Denn Franziskus war anders. Im Gegensatz zu den als „rechts“, „reaktionär“ und „ewiggestrig“ geltenden Johannes Paul und Benedikt äußerte sich Franziskus als erster Papst positiv über Homosexuelle, forderte höhere Steuern für Reiche, zeigte sich besorgt über die Globale Erwärmung und fand, dass Europa mehr Flüchtlinge aufnehmen sollte. Das liebten die Medien natürlich: Ein Papst, der den Grünen näher zu stehen scheint als irgendeiner konservativen Partei, obwohl er natürlich noch nicht ganz vergrünt ist (so ist Homosexualität für die Kirche nach wie vor eine Sünde).
Nun steht der Papst im Zentrum eines möglichen Skandals. Der Erzbischof Carlo Maria Viganò hat Franziskus in einem 11-seitigen Schreiben dazu aufgefordert, zurückzutreten. Der Grund: Er soll mitgeholfen haben, die Missbrauchsfälle des Kardinals Theodore McCarrick zu vertuschen. Von Reportern dazu gefragt, äußerte sich Franziskus zu den Vorwürfen – indem er sagte, dass er sich „mit keinem Wort“ dazu äußern würde. Später äußerte sich ein Kardinal in Chicago, Kardinal Blase Cupich, in einem Interview mit der NBC über die Vorwürfe gegen den Papst. Wie er sich darüber äußerte, ist aber erstaunlich. Ebenso erstaunlich ist die Tatsache, dass es keine größere Empörung in den Medien dazu gab. Hier die originalen Worte von Cupich:
Der Papst hat eine größere Agenda. Er muss sich mit anderen Dingen beschäftigen, er muss über die Umwelt sprechen und über den Schutz von Migranten. Wir werden das nicht näher untersuchen.
Außerdem sagte er, die Gegner von Franziskus würden ihn nicht mögen, weil er ein Latino sei. Die Rassismus-Karte durfte eben nicht fehlen. Cupich meinte später, er sei „missverstanden worden“, denn er hätte nicht die Missbrauchsvorwürfe als unwichtig abtun wollen, sondern lediglich das Schreiben von Viganò – ein großer Unterschied für Cupich. Unabhängig von diesen skandalösen Aussagen ist die Empörung in den Medien weitgehend ausgeblieben. In keinem deutschen Medium schafften es Cupichs Aussagen auf die Startseite. Der Spiegel brachte nicht einmal eine Kommentarspalte in ihrem Artikel zum Thema. Den Vogel schoss die New York Times ab: Sie meinte in einem Artikel, dass „die konservative Opposition den Missbrauchsskandal zu einer Waffe gegen den Papst gemacht hat, die nicht nur seine Agenda gefährdet, sondern seine gesamte päpstliche Amtszeit.“ (more…)