Der iranische Frühling ist ziemlich schnell zusammengebrochen. Die Mullahs sind so fest im Sattel wie vorher, und damit wird sich auch im gesamten Nahen Osten wenig ändern. Aber es deutet einiges darauf hin, dass es in einem mindestens ebenso wichtigen Land im Nahen Osten einen echten Frühling geben könnte. Denn er kommt nicht aus dem Volk, sondern von den Herrschern. Der junge saudische Kronprinz Mohammed bin Salman hat einige Ansichten verkündet, die in Saudi-Arabien revolutionär sind. Im Land hat es bereits einige Änderungen gegeben, die im Gegensatz zu vielen früheren Reformen nicht mikroskopisch klein waren, sondern im Alltag bemerkt werden konnten. Kinos sind erlaubt, israelische Flugzeuge dürfen saudisches Territorium durchqueren, bald werden Frauen ihren Führerschein machen können, außerdem deutete Salman eine Aufhebung des Verschleierungszwangs an.
Nun hat Salman dem „Time“ ein Interview gegeben. Hier hat er seine Ansichten klar dargelegt. Man sieht klar, dass er kein Kind von Traurigkeit ist. Er verteidigt das Verhaften von Bloggern, denn auch Osama bin Laden hätte „die Meinungsfreiheit missbraucht“, für die saudische Königsfamilie hat er nur Lob übrig (sie hätten das Land aufgebaut, sie seien „super-clean“ und nicht korrupt, sie hätten niemals Extremismus ins Ausland verbreitet, eine absolute Monarchie sei nicht immer schlecht, usw.), die saudische Intervention in Jemen ist für ihn ausschließlich eine humanitäre Anti-Terror-Maßnahme. Es ist klar: Salman ist ein Unterdrücker und Mörder, wie für einen Anwärter des saudischen Königsthrons zu erwarten. Dennoch macht er auch Aussagen, die Hoffnung für eine Besserung der Situation in Saudi-Arabien und im Ausland machen.
Salman spricht einige Dinge an, die eine elementare Bedeutung für den Nahen Osten und den Westen haben – und was er da sagt, klingt nicht so schlecht. Geradezu revolutionär halte ich seine Aussagen zur Muslimbruderschaft und ihrer Rolle zur Radikalisierung von Muslimen in Europa, denn wenn der zukünftige saudische König sowas sagt, besteht wirklich Grund auf Besserung in dieser Hinsicht. Aber es ist auch ein politisches Erdbeben, was er zu den Beziehungen zu Israel sagt und wie er sich die Zukunft Saudi-Arabiens vorstellt (allerdings hat er einige dieser Aussagen schon getätigt, also dürften sie nicht mehr so überraschend klingen). Selbst seine Position zu Syrien klingt nicht unvernünftig. Im Folgenden habe ich einige seiner Aussagen gesammelt, die auf einen baldigen saudischen Frühling hindeuten, der sowohl für Saudi-Arabien als auch für die Nachbarn im Nahen Osten und den Westen sehr positiv wäre. (more…)