Wenn man eine Person suchen möchte, die ein Beispiel für erfolgreiche Integration ist, passt kaum einer besser als Mehmet Daimagüler, der Sohn von türkischen Gastarbeitern. Nachdem er es in der Schule schwer hatte, kämpfte er sich hoch, studierte Rechtswissenschaften, besuchte sogar die Harvard-Universität in den USA, wurde Jurist und war in den 1990ern für die FDP im Bundestag vertreten. Was Daimagüler erreicht hat, werden nicht mal die meisten Deutschen erreichen. Trotzdem ist er frustriert. Bei der letzten Talkrunde mit Frank Plasberg kamen ihm fast die Tränen, denn er fühlt sich trotz seiner Erfolge noch immer fremd in seinem eigenen Land. Warum? Die Gründe sind die immer wiederkehrenden Mikroaggressionen, denen er sich als Türkischstämmiger gegenübersieht.
„Mikroaggression“ ist der Name für ein Phänomen, dass man so bezeichnen kann: Alles, was keine Aggression ist. Wer etwas tut, was eine andere Person als abwertend betrachtet, begeht eine Mikroaggression. Besonders bedroht, Opfer von Mikroaggressionen zu werden, sind u.a. Ausländer, Schwarze, Frauen, Homosexuelle und Behinderte (oder einfach alle, die keine weißen, männlichen Heteros sind). Einem Ausländer zu sagen „Sie sprechen aber gut Deutsch!“, einer Frau die Tür aufzuhalten, einen Schwarzen zu fragen, ob man seine Haare anfassen kann – all das fällt in die Kategorie Mikroaggression. Daimagüler nannte bei Plasberg als weiteres Beispiel, dass er vor ein paar Tagen seinen Ausweis zeigen musste, während seine deutschen Kollegen durchgewunken werden.
Das am meisten gehörte Beispiel für Mikroaggressionen gegen Migranten ist die Erfahrung, dass man sie aufgrund ihres Namens oder ihres Phänotyps nach ihrer Herkunft fragt. Und dieses Beispiel zeigt, wie lächerlich das Geheule über Mikroaggressionen ist. Ich bin selbst ein Migrant und höre auch wirklich jedes Mal die Frage, aus welchem Land ich denn komme. Im Gegenzug frage ich Leute mit ausländischem Namen und Aussehen auch immer, woher sie kommen. Dahinter steht kein Rassismus, sondern Neugier. Menschen mit ausländischem Namen oder Aussehen haben sehr wahrscheinlich Vorfahren, die vor 1950 nicht in Deutschland lebten. Man zeigt Interesse an der Familiengeschichte und drückt nicht seine Ablehnung von minderwertigen Nicht-Ariern aus. (more…)