Als die Kurden in Syrien 2012 anfingen, sich vom Assad-Regime unabhängiger zu machen und daraus mit der Zeit ein fast komplett neuer Staat entstand, empfand ich das als gute Entwicklung. Die Kurden in Syrien waren wie im Irak, der Türkei und dem Iran von der Zentralregierung unterdrückt worden, sie durften ihre eigene Kultur nicht ausleben und erlebten bei Protesten gegen ihre Zwangsassimilation Gewalt, wie 2004 in Qamishli, als Dutzende Menschen zu Tode kamen. Mit der Zeit wurde aus dem kurdischen Autonomiegebiet in Syrien (auch „Rojava“ genannt) ein guter Verbündeter im Kampf gegen den IS, der zurecht von den USA militärisch unterstützt wurde. Es ist nicht Assad oder Putin zu verdanken, dass der IS in Syrien fast gänzlich besiegt wurde, sondern den syrischen Kurden, einigen sunnitischen Rebellengruppen und den westlichen Luftbombardments.
Nun hat sich die Lage geändert. Die kurdische Autonomie wird wieder bedroht, aber nicht von Assad oder dem IS. Erdogan hat, mithilfe von syrischen Söldnern einen Krieg gegen die kurdische Autonomie gestartet. Meiner Ansicht nach gehört die Türkei schon lange aus der NATO geworfen. Sie sind kein verlässlicher Verbündeter der NATO-Mitgliedsländer, und wenn die NATO nicht bloß eine Militärgemeinschaft sein soll, sondern eine Wertegemeinschaft, steht außer Frage, ob ein autoritärer Staat wie die Türkei dazugehört. Gleichzeitig bin ich gegen eine militärische Unterstützung der Kurden gegen Erdogan. Denn leider sind die Kurden in diesem Konflikt nicht als das klare kleinere Übel zu erkennen. Nur weil es richtig war, die Kurden gegen den IS zu unterstützen, heißt das nicht, dass dasselbe gegen Erdogan gilt.
Es gibt im Irak seit 2005 ein kurdisches Autonomiegebiet. Dieser Quasi-Staat war trotz der autoritären Führung immerhin ein guter Bündnispartner (der Versuch, die volle Unabhängigkeit vom Irak auszurufen, endete Oktober letzten Jahres unter erstaunlich wenig internationaler Aufmerksamkeit desaströs) und unterstütze nicht die PKK. Die PKK ist nach wie vor terroristisch tätig, sie scheut nicht davor zurück, unschuldige Zivilisten zu massakrieren, wenn es ihren politischen Zielen nützt, darunter auch Kurden, die die PKK ablehnen. Umso trauriger ist, dass das kurdische Autonomiegebiet in Syrien von der PYD, dem syrischen Arm der PKK, geführt wird, und sie nach allen Erkenntnissen eine (kommunistisch angehauchte) Diktatur aufgebaut hat. Die Sorge der Türkei, dass von dort aus eines Tages Terror gegen die Türkei ausgehen könnte, rechtfertigt nicht Erdogans Einmarsch – aber sie ist nicht falsch. (more…)