Archive for the ‘Syrien’ Category

Die Paten des Krieges

Oktober 30, 2015

Die Flüchtlingswelle in Europa hat den eigentlichen Grund für die Flucht etwas in den Hintergrund rücken lassen. Als sich Russland entschloss, militärisch in den Syrienkrieg einzugreifen, hatten viele schon den Überblick verloren, wer gerade in Syrien wen tötet und warum. Dabei ist die Lage nicht so unübersichtlich, sondern kann mit ein bisschen Hintergrundwissen verstanden werden:

Wie es aussieht, scheint Putin dieselbe Strategie zu fahren wie Erdogan: Vorgeben, den IS zu bekämpfen, und dabei tatsächlich ganz andere Gruppen bekämpfen. Die russischen Luftangriffe richteten sich bis jetzt überwiegend gegen Rebellengruppen, die weder zum IS gehörten noch mit ihm verbündet waren, sondern einfach den Assad-Truppen im Weg standen. Die Rebellen hatten im März dieses Jahres ihren größten militärischen Sieg errungen, als sie die Provinzhauptstadt Idlib eroberten und bedrohten weitere Positionen des Regimes. Der IS ist auf dem Schlachtfeld bis jetzt selten mit Assads Armee zusammengestoßen, sie operieren meist in Gegenden, die das Regime schon zuvor an andere Rebellengruppen verloren hatte.

Wie jüngste Meldungen zeigen, sind die russischen Angriffe nicht besonders erfolgreich, vor allem weil die syrische Armee nicht in der Lage ist, zurückeroberte Gebiete zu halten. Angeblich sollen deshalb russische Elitetruppen aus der Ostukraine nach Syrien verlegt werden (obwohl diese Elitetruppen offiziell nicht in der Ostukraine sind). Als Antwort darauf liefert Saudi-Arabien den Rebellen nun stärkere Waffen, mit denen russische Flugzeuge von der Luft geholt werden könnten. Die Folgen des russischen Einsatzes sind somit eine Verlängerung der Patt-Situation, ohne eine Schwächung des IS zu erreichen. Auch die Angriffe der „Anti-IS-Koalition“ zeigen keinen großen Erfolg, auch wenn sie wirklich dem IS gelten, wie ein deutscher Rapper erfahren musste. (more…)

Der Westen Schuld an den Flüchtlingsströmen?

September 10, 2015
Das Flüchtlingslager Zaatari in Jordanien ist mittlerweile die viertgrößte Stadt des Landes

Flüchtlingslager in Jordanien. Warum wollen alle nach Deutschland?

Die Flüchtlingskrise hat Deutschland fest im Griff. Einen Plan, wie man damit umgehen soll, scheinen nur wenige Politiker zu haben. Immerhin gibt es Forderungen, wie die Asylanträge schneller zu bearbeiten und die Integration am Arbeitsmarkt zu erleichtern, doch umgesetzt wurde bisher nichts. Stattdessen wird die Debatte dominiert von Schuldzuschreibungen, wer für die Flüchtlingswelle verantwortlich ist. Meistens sehen die Kommentatoren die Ursachen für die großen Fluchtbewegungen im Westen selbst. In der Regel werden zwei Gründe genannt: Der Westen hätte mit seiner Außenpolitik die Kriege verursacht, vor denen die Menschen jetzt fliehen, und die Ausbeutung durch westliche Konzerne würde die Menschen aus ihrer Heimat vertreiben.

Die letzte Behauptung kann man nur mit geballter Unkenntnis erklären. Josef Urschitz hat sie in einem Kommentar in der „Presse“ auseinandergenommen:

Amerikanisches Tablet aus China, Handy aus Südkorea, britische Schuhe aus Vietnam, deutsche Textilien aus Sri Lanka. Aber so intensiv man auch sucht: Nichts dabei aus Afghanistan, Tschetschenien, Irak, Syrien, Somalia oder Eritrea. Also von dort, wo die aktuellen Flüchtlingsströme wirklich herkommen.

Welche Daten und Sozialindikatoren man auch immer heranzieht (Löhne, Gesundheitssysteme, Bildungssysteme, Lebenserwartung, Kindersterblichkeit) – alle korrelieren positiv mit dem Grad der Einbindung in den Welthandel. Und die meisten haben sich dort verschlechtert, wo diese Einbindung aus den verschiedensten Gründen ausgeblieben ist.

Seine Schlussfolgerung: Fabriken sind besser als Grundzäune. In der Tat sind die Länder, die von der Globalisierung erfasst wurden, auch von großem Wachstum erfasst worden, der Hunderte Millionen Menschen aus absoluter Armut geholt hat. Es bräuchte also dringend mehr und nicht weniger kapitalistische Ausbeutung, wenn einem das Wohl der Menschen in diesen Ländern am Herzen liegt. Aber was ist mit der Behauptung, der Westen hätte mit seiner Außenpolitik für die Flüchtlingsströme gesorgt? Zuletzt hat Gregor Gysi diese These im Bundestag wiederholt, und nicht wenige Kommentatoren haben es sich zur Lebensaufgabe gemacht, den Westen für die Ursachen der Flüchtlingswelle verantwortlich zu machen.

Leider wird ein Schwarz-Weiß-Bild an die Wand gemalt. Entweder man gibt dem Westen für alles die Schuld, oder man hält ihn für komplett unschuldig. Tatsächlich ist es möglich, die westliche Außenpolitik zu kritisieren, und gleichzeitig den Westen nicht für alles Übel im Nahen Osten verantwortlich zu halten. Der Irakkrieg war ein Fehler, aber die derzeitige Flüchtlingswelle wurde nicht dadurch ausgelöst, sondern vom Bürgerkrieg in Syrien. Die Situation, die in Syrien zum Ausbruch des Bürgerkriegs führte, war eine ganz andere als im Irak 2003. Im Irak war die westliche Intervention tatsächlich der erste Auslöser für das darauffolgende Chaos. In Syrien hatten ganz andere Akteure die Hände im Spiel. (more…)

Die Zeit der Verhandlungen

November 28, 2013

Reichweite der iranischen Mittelstreckenrakete Shahab 3

Friedliche Verhandlungen sind momentan angesagt. Israel und die palästinensischen PLO-Vertreter haben Ende Juli angekündigt, nach vier Jahren Pause Verhandlungen aufzunehmen. Der neue „moderate“ iranische Präsident Hassan Rohani hat sich nach nur drei Monaten mit Obama verständigt. Selbst für die, die in Rohani einen Hoffnungsträger sahen, dürfte das eine überraschende Entwicklung gewesen sein. Kurz nach dem Genfer Durchbruch wurde bekannt, dass syrische Oppositionelle im Januar kommenden Jahres in Genf erstmals mit Vertretern des Regimes verhandeln werden.

Ein palästinensischer Journalist, der sowohl der PLO als auch der Hamas kritisch gegenüberstand, gab Israel den Tipp: „Mit jedem verhandeln, der verhandeln will, und auf jeden schießen, der auf dich schießt“. Es gibt keinen Grund, Verhandlungen kategorisch abzulehnen, das Wichtige ist, was dabei herauskommt. Nixon konnte mit Mao verhandeln, Begin konnte mit Sadat verhandeln, Reagan konnte mit Gorbachev verhandeln. Es ist jedoch sehr unwahrscheinlich, dass die Vereinbarungen zwischen dem Iran und dem Westen das Papier wert sind, auf dem sie unterschrieben werden.

Die Sanktionen haben die iranische Wirtschaft hart getroffen. Das Hauptinteresse des Iran ist es, den Westen dazu zu bewegen, die Sanktionen zu lockern, nicht friedliche Beziehungen zu den USA oder Israel herzustellen (und auch nicht ein Ende der Unterstützung für Assad, der Hisbollah und anderen Terrororganisationen). Ob die Genfer Vereinbarungen für den Iran einen Erfolg darstellen oder nicht, lässt sich jetzt noch nicht sagen. Natürlich werden sie von den Mullahs als Erfolg verkauft, aber noch sind nicht alle Details bekannt. Eine Gleichsetzung mit München 1938 ist nicht angebracht. Aber definitiv werden die Mullahs ihre feindselige Politik gegenüber Israel nicht einstellen. (more…)

Chemiewaffenkontrolle und Frieden in Syrien

Oktober 11, 2013
Das geteilte Syrien

In Syrien ist nach zweieinhalb Jahren weiterhin kein Frieden in Sicht

Es wäre nicht falsch zu sagen, dass die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) in den 16 Jahren ihrer Existenz viel gute Arbeit geleistet hat: 58.000 der 71.000 Tonnen Chemiewaffen auf der Welt sind vernichtet worden. Der Anlass für den Friedensnobelpreis für die OPCW ist jedoch nicht gut gewählt, da man noch nicht weiß, ob die vor gerade fünf Tagen gestartete OPCW-Mission in Syrien erfolgreich sein wird. Malala Yousafzai hätte ihn für ihren Einsatz für Bildung eher verdient gehabt.

Wird die OPCW-Mission in Syrien überhaupt helfen, um für Frieden zu sorgen? Durch die Chemiewaffenkontrolle wird – wenn es denn so läuft wie abgesprochen – den Kriegsparteien die Möglichkeit genommen, ihr Tötungspotenzial signifikant aufzustocken. Täglich sterben in Syrien etwa 100 Menschen. Der Chemiewaffenangriff auf Ghouta, bei dem die Indizien recht deutlich für eine Täterschaft des Assad-Regimes sprechen, forderte in einem Tag über 1.400 Tote, eine weit größere Dimension.

Frieden wird jedoch trotzdem nicht einkehren, der Krieg wird mit konventionellen Waffen weitergeführt. Das Regime mordet mit Panzern, Artillerie und Flugzeugen weiter, und die Rebellen verüben ebenfalls weiter Massaker. Um Frieden in Syrien zu erreichen, müsste sich die internationale Gemeinschaft auf andere Maßnahmen einigen, wie z.B. ein Waffenembargo nach Syrien, eine Flüchtlingskonferenz, die Bildung einer Übergangsregierung und eine UN-Mission. Damit wäre viel mehr getan als mit der Chemiewaffenkontrolle. (more…)

No-Win-Situation in Syrien

September 3, 2013
Das Flüchtlingslager Zaatari in Jordanien ist mittlerweile die viertgrößte Stadt des Landes

Humanitäre Katastrophe: Das Flüchtlingslager Zaatari in Jordanien ist mittlerweile die viertgrößte Stadt des Landes

Nachdem die Welt von der Nachricht erfuhr, dass in den frühen Morgenstunden des 21. August ein Chemiewaffenangriff auf von Rebellen kontrollierte Gegenden in Damaskus stattgefunden hatte, stellten sich die meisten sofort die Frage: Welchen rationalen Grund gäbe es für Assad, einen Tag nach Ankunft der UN-Inspektoren Chemiewaffen einzusetzen? Offensichtlich gar keine. Man kann zwar Erklärungen suchen, aber diese müssen davon ausgehen, dass sich das Assad-Regime völlig verkalkuliert hat, denn noch nie war ein Militärschlag näher als in den letzten Tagen. Wenn Assad wirklich geglaubt hat, mit einem Chemiewaffeneinsatz durchzukommen, ist er ein großes Risiko eingegangen.

Es gibt jedoch Hinweise, die für die Täterschaft des Assad-Regimes sprechen. Das Regime zögerte vier Tage lang (vom 21. bis zum 25. August), um den UN-Inspektoren die Erlaubnis zu geben, die vom Chemiewaffeneinsatz betroffenen Stellen zu untersuchen. Die Videos mit den Opfern wurden nicht von Rebellengruppen hochgeladen, sondern von zivilen Aktivisten, die inzwischen verstorben sein sollen. In diversen Pro-Assad-Seiten in Facebook wurde der Chemiewaffeneinsatz gefeiert, auch wenn diese Posts kurz nach ihrem Erscheinen verschwanden. Und es ist auch fraglich, ob die Rebellen in der Lage wären, einen solchen Einsatz mit Chemiewaffen durchzuführen.

Das sind aber keine handfesten Beweise, die für eine Verurteilung des Assad-Regimes ausreichen würden. Eine andere mögliche Erklärung könnte lauten, dass nicht vom Regime kontrollierte Teile des syrischen Militärs für den Angriff verantwortlich waren. Der einzige Hinweis, dass die Rebellen hinter dem Chemiewaffeneinsatz stecken, ist ein Bericht von „Mint Press“, der dann u.a. vom iranischen Sender PressTV und „Infowars“ aufgegriffen wurde, wonach der saudische Geheimdienst die Rebellen mit Chemiewaffen beliefert habe, die Rebellen aber damit nicht umgehen konnten und dann Opfer ihrer eigenen Waffen wurden. (more…)

Die Regeln des Propagandakriegs

Juli 21, 2013
Kann er Syrien retten?

Held der antiimperialistischen Fraktion: Bashar al-Assad

In der letzten Woche habe ich mich mit einem regelmäßigen Kommentator dieses Blogs auseinandergesetzt, der seit Januar 2012, anfangs noch unter dem Namen „Warbreak“, später „Nichtglauber“, diesen Blog besucht. In dem Artikel, in dem es um seine Truther-Logik ging, habe ich ein Thema außen vor gelassen, und zwar seine Ansichten zum Bürgerkrieg in Syrien.

Die meisten seiner nun schon mehr als 200 Kommentare in meinem und in Aron Sperbers Blog drehen sich um das Thema Syrien. Die Argumente, die Nichtglauber benutzt, um seine Ansichten zu Syrien zu formulieren, sind identisch mit den „Zehn Gebote des Antiimperialismus„. Anhand einiger Beispiele werde ich zeigen, woran seine Argumentation krankt. (more…)

Das Massaker von Hula: Ein Jahr danach

Mai 17, 2013
Das geteilte Syrien

Die Suche nach der Wahrheit in Syrien ist oft ein schwieriges Unterfangen

In der Nacht von dem 25. auf dem 26. Mai 2012 ereignete sich in der Ortschaft Hula ein Massaker, denen 108 Menschen, darunter 49 Kinder, 34 Frauen und 25 Männer zum Opfer fielen. International löste das Ereignis große Empörung aus, Deutschland und Frankreich wiesen die syrischen Botschafter aus. Bis heute gibt es zwei Versionen, wer für das Massaker verantwortlich ist. Die Version des Regimes, wonach die Rebellen regimetreue Familien ausgelöscht hätten, wurde von der staatlichen syrischen Nachrichtenagentur (SANA), der kleinen russischen Agentur Anna News und in Deutschland von Rainer Hermann (FAZ), Alfred Hackensberger und Jürgen Todenhöfer vertreten.

Auf der Gegenseite steht die Version der Opposition: Regimetreue Milizen (Shabiha) aus einem Dorf in der Umgebung hätten das Massaker verübt, nachdem zuvor Rebellen in Hula Checkpoints der syrischen Armee angegriffen und die syrische Armee Hula bombardiert hatte. Diese Version wurde von der UNO (die Syrien für das Massaker verurteilte, dank Russland wurde die Regierung aber nicht explizit als Schuldige benannt), den Menschenrechtsorganisationen Human Rights Watch und Amnesty International sowie verschiedenen Zeitungen wie Channel4, dem BBC, dem Guardian und dem SPIEGEL vertreten.

Obwohl nun schon fast ein Jahr vergangen ist und viele weitere Massaker verübt wurden, ist Hula der mediale Höhepunkt geblieben. Im Juni letzten Jahres veröffentlichte ich zwei Artikel, die sich mit Hula befassten. Die dort gesammelten Erkenntnisse sind noch ein bisschen reicher geworden, so besuchte Christoph Reuter vom SPIEGEL im August Hula und traf dort mutmaßliche Zeugen des Massakers. Es ist aus zwei Gründen sehr wahrscheinlich (von einer 100%igen Gewissheit kann man aber nicht sprechen), dass die Version der Opposition richtig ist: 1.) Die Zeugen vor Ort beschuldigen überwiegend das Regime und 2.) Die Version des Regimes ist widersprüchlich. (more…)

Die Revolution der Komiker

März 17, 2013
Die syrische Flagge von 1932-58 und 61-63 ist das Symbol der Demonstrationsbewegung

Widerstand gegen die Tyrannei: Die syrische Revolution wird zwei Jahre alt

Vor knapp zwei Jahren, am 15. März 2011, begann in Syrien mit Demonstrationen in vielen Städten, darunter auch in der Hauptstadt Damaskus, der Aufstand gegen das Assad-Regime. Der Bürgerkrieg hat bis jetzt mehr als 70.000 Tote und 4 Millionen Vertriebene zur Folge gehabt. Die bewaffneten Regimegegner haben Anfang März erstmals eine Großstadt (al-Raqqa) unter ihrer Kontrolle gebracht, und wie in Bagdad 2003 wurde eine Statue des ehemaligen Diktators Hafez al-Assad niedergerießen. Die friedliche, zivile Opposition, die am Jahrestag mehr als 200 Demonstrationen organisierte, wird immer weiter in den Hintergrund gedrängt. Der Westen tut auch wenig, um sie zu unterstützen.

Im Gegenzug erhält das Regime ununterbrochen militärische Unterstützung aus dem Ausland (aus Russland und vor allem dem Iran). Seine Abhängigkeit vom Iran demonstrierte Assad eindrucksvoll, als er im Tausch für die entführten iranischen „Pilger“ mehr als 2000 gefangene Regimegegner freiließ, während ihm Tausende regimetreue Syrer diesen Preis nicht wert waren. Es ist schon ein kleines Wunder, dass die Protestbewegung trotz der hohen militärischen Überlegenheit des Regimes, der fehlenden Unterstützung des Westens und des immensen Drucks aus dem Ausland nach so vielen Monaten immer noch nicht zusammengebrochen ist, sondern so stark ist wie nie zuvor.

In den ländlichen Gegenden gibt es einige von Assad befreite Dörfer, und einige davon sind wirklich frei – also auch nicht unter Kontrolle von Islamisten. Das Dorf Yabrud schaffte es, sich ganz ohne bewaffneten Widerstand zu befreien (mittlerweile hat das Regime mit Gewalt zurückgeschlagen). Auf dem Weg in die Geschichtsbücher ist das 25.00-Seelen-Dorf Kafranbel. Seit mehreren Monaten demonstrieren die Menschen dort gegen das Regime, am 10. August 2012 wurde das Dorf befreit. Die stärksten Waffen aus Kafranbel sind aber nicht Maschinengewehre: Es ist die Waffe des Humors. (more…)

Die Welt der Truther

Februar 13, 2013

Am 17. Januar hielt der belgische Parlamentsabgeordnete Laurent Louis eine erstaunliche Rede:

Kurz zusammengefasst:

– Der Westen bewaffnet Islamisten und bringt sie an die Macht
– Dem Westen geht es nur um Rohstoffe
– Es werden Kriegsgründe vorgetäuscht (u.a. 9/11)

In einer komplexen Welt sind einfache Weltbilder bequemer als die Realität. Vor allem das Internet ist zu einem Sammelsurium für Weltverschwörungstheorien geworden, die für alles Übel dieser Welt einer kleinen Elite die Schuld geben. Laurent Louis wurde mit seiner Rede zum Helden der sogenannten „Trutherszene“. Die Argumente der Truther sind immer dieselben: Alles, was auf der (politischen) Welt passiert, ist im Voraus geplant, es gibt eine geheime Elite, die hinter diesen Plänen steckt, und wir werden natürlich systematisch belogen. Egal ob bei 9/11, Syrien oder Mali – hinter allem sehen die Truther die geheime Elite am Werk (die „Zionisten“), die ihren geheimen Plan umsetzen wollen (die Errichtung der NWO). Oft stützen sich die Truther auf tatsächliche Begebenheiten, ziehen jedoch falsche Schlussfolgerungen daraus. Hier ein paar Beispiele.

Gibt es eine geheime Elite?

Regierungen schließen Allianzen, wenn sie gemeinsame Interessen haben. Aber diese Allianzen sind nicht immer so eng, dass alle Mitglieder einer Allianz immer dieselbe Strategie/Plan/Verschwörung verfolgen oder dass jeder Schritt zwischen den beiden Seiten abgesprochen ist. Nur, weil die USA eine strategische Allianz mit Saudi-Arabien haben, heißt das nicht, dass die USA mit allem, was die Saudis tun, einverstanden ist. Dasselbe gilt mit anderen Allianzen wie Syrien und dem Iran. Während es sich bei diesen beiden Allianzen um Zweckehen handelt, gehen die Beziehungen zwischen den USA und Israel weit über gemeinsame strategische Interessen hinaus. Doch selbst hier gibt es manchmal große Differenzen. Die USA und Israel spionieren sich sogar gegenseitig aus, der israelische Spion Jonathan Pollard sitzt in den USA eine lebenslange Haftstrafe ab.

Aber von solchen Kleinigkeiten lässt man sich nicht von seinem Weltbild abbringen. Es gibt ja noch so viele andere Beweise für die jüdische Weltverschwörung zionistische NWO. Angeblich hat Ariel Sharon in der Sendung Radio Islam gesagt: „Wir, das jüdische Volk, kontrollieren Amerika – und die Amerikaner wissen es“ (hier hilft ein anderes Zitat weiter: „Glaube nicht jedes Zitat, dass du im Internet gelesen hast.“ – Abraham Lincoln). Und auch wenn die syrische Opposition antisemitische Verschwörungstheorien verbreitet, der türkische Ministerpräsident Erdogan Israel zum „terroristischen Staat“ erklärt und der Emir von Katar das „besetzte“ Gaza besucht – das alles ändert für die Truther natürlich nichts daran, dass die Saudis, Katar, die Türkei, die syrischen Opposition, die USA und Israel alle Freunde sind und keinerlei Differenzen haben. (more…)

Wäre er doch nur in London geblieben

Januar 19, 2013

Mörderischer Familienclan: Die Assad-Familie herrscht seit 4 Jahrzehnten über Syrien (Bashar ist der zweite von links)

Es ist der 31.Januar 2011. Zwei arabische Diktatoren, Ben Ali und Mubarak, sind bereits von ihrem Volk gestürzt worden. Ein anderer arabischer Diktator gibt der amerikanischen Zeitung „Wall Street Journal“ ein Interview, indem er tönt: „Wir leben in schwierigeren Umständen als die meisten arabischen Länder, und trotzdem ist Syrien stabil.“ Zwei Monate später veröffentlicht das amerikanische Modemagazin „Vogue“ ein Interview, dass sie später noch bereuen wird, in der die Frau des Diktators als „Eine Rose in der Wüste“ bezeichnet wird.

22 Monate später ist alles anders. Der Diktator befindet sich nach Geheimdienstinformationen nicht mehr im Präsidentenpalast, sondern in einer von Sicherheitskräften geschützten geheimen Unterkunft. Der Chefredakteur einer russischen Zeitung sagt, dass er davon überzeugt ist, von seinen eigenen Leuten getötet zu werden, falls er versuchen sollte zu fliehen, und von seinen Gegnern getötet zu werden, falls er in Syrien bleibt. Er schläft jede Nacht in einem anderen Bett und kontrolliert genau, was er zu sich nimmt.

Es gibt für ihn, wenn er in Syrien bleibt, wohl nur noch 3 Alternativen: Der Gaddafi/Mussolini-Style: Von seinen Feinden gelyncht werden, der Ludwig XVI./Saddam-Style: Nach einem Prozess hingerichtet werden oder den Hannibal/Hitler-Style: Selbstmord. Wenn er aus Syrien flieht, hätte er noch eine vierte Variante: Der Pinochet/Pol Pot-Style: Friedlich im Sterbebett, ohne je zur Rechenschaft gezogen zu werden. Doch wird er noch rechtzeitig den Absprung schaffen? Oder wird er bald sein Youtube-Video bekommen? (more…)