Archive for the ‘Terrorismus’ Category

Die Finanziers des Terrors

Juni 16, 2018
Taliban in Herat, Afghanistan

Werden auch diese Jungs von einem Arbeitsamt finanziert?

Das gesellschaftliche Klima ist vergiftet, das trifft derzeit sicher zu. Ausgerechnet in diesem Moment plante ein von Hartz IV lebender Tunesier, es mit seinem bei sich zuhause lagernden Rizin noch weiter zu vergiften, auch wenn die Staatsanwaltschaft wie üblich nur von einer „hohen Wahrscheinlichkeit“ eines vereitelten Anschlags ausgeht. Der besagte Tunesier hat die Zutaten für seine geplante Tat, wie es aus den Berichten hervorgeht, mit dem Geld aus seinen Hartz IV-Bezügen bezahlt. Das ist Sarkasmus auf die Spitze getrieben. Nicht nur, dass man in ein Land einwandert, um einen Terroranschlag zu verüben – nein, man lässt diesen auch noch von den eingesessenen Bürgern finanzieren. Als würde ein Rentner einen Jugendlichen überfahren und dann seine Organe gespendet bekommen, um eine schwere Krankheit zu überleben.

Aber hinter der Geschichte des Tunesiers steckt mehr als Sarkasmus: Sie reiht sich in ein seit Jahren bekanntes Muster ein. Viele gehen davon aus, dass die Finanziers des islamistischen Terrors im Westen reiche Scheichs aus dem Persischen Golf sind. Früher war das auch oft so. Die Anschläge von al-Qaida wurden überwiegend von saudischen Geldgebern finanziert, die, wie bei Philanthropen üblich, Teile ihres Geldes unbedingt für (ihrer Ansicht nach) wohltätige Zwecke spenden wollten. Mittlerweile sind die Finanziers eher andere. In Zeiten des Lone-Wolf-Terrors von jungen, arbeitslosen, muslimischen Rappern haben sich die reichen Scheichs aus der Terrorfinanzierung etwas zurückgezogen. Heute tritt eine andere Institution als hauptsächlicher Finanzier auf, wenn auch unfreiwillig: Das Arbeitsamt.

Der Rizin-Tunesier ist sowas wie der Regelfall. Fast alle islamistischen Terroristen der letzten Jahre haben massig Geld vom Arbeitsamt bekommen. Anis Amri z.B. hat unter mehreren Identitäten soviel Sozialhilfe kassiert, dass tatsächlich sogar Ermittlungen wegen Sozialbetrug aufgenommen worden waren. Salman Abedi, der Selbstmordattentäter von Manchester, wurde während seines Aufenthalts als Student in England mit mehreren Tausend Pfund unterstützt (er soll nie einen Job gehabt haben), der Auto-Attentäter Khalid Masood war vor seiner Tat ebenfalls arbeitslos und lebte von Sozialhilfe, die fünf Attentäter von Paris im November 2015 bekamen zusammengerechnet rund 50.000 Euro Sozialhilfe vor ihrer Tat (Salah Abdeslam allein 19.000), und ein Haufen von Syrien-Reisenden hat vor und, um den Sarkasmus auf die Spitze zu treiben, sogar nach ihrer Syrien-Ankunft weiterhin Sozialhilfe kassiert. (more…)

Eine neue Normalität

August 18, 2017

Die Islamisten kommen

Die Terroristen dürfen unseren Hass nicht bekommen
Pray for Barcelona
Es gibt keine absolute Sicherheit
Der Zentralrat der Muslime verurteilt den Anschlag
Unsere Art zu leben steht nicht zur Debatte
usw. usw. …

Paris, Nizza, Brüssel, Berlin, London, Stockholm, Manchester, Barcelona, von kleineren Anschlägen wie in Hamburg ganz zu schweigen – der islamistische Terror im Westen ist so normal geworden, dass die üblichen Reaktionen wie auswendig gelernt wirken. So sagte Londons Bürgermeister Sadiq Khan nach dem Anschlag in London im MärzWe are not going to allow these terrorists to cow us“ (cow bedeutet einschüchtern), nach dem Anschlag in Manchester sagte er „We will never be cowed by terrorism“, und schließlich sagte er nach dem Anschlag in London im Juni, nun nicht mehr überraschend, „We will never let these cowards win and we will never be cowed by terrorism.“ Ja, wir haben es verstanden, Herr Khan: Die Terroristen werden uns nicht einschüchtern.

Die Nachrichten aus Europa klingen immer mehr wie aus dem Libanon. So wie die Libanesen sich daran gewöhnt haben, werden wir uns auch immer mehr daran gewöhnen. Wir sind schon auf den besten Weg dahin. Wie spektakulär waren die Reaktionen auf den Anschlag auf Charlie Hebdo, wie unspektakulär die Reaktionen auf den Anschlag in Barcelona. Man kann das einfach erklären: Wenn Werder Bremen oder Eintracht Frankfurt die Bundesliga gewinnen würden, würde die ganze Stadt durchdrehen, wenn der FC Bayern Meister wird, nimmt es die Stadt zur Kenntnis. Man gewöhnt sich eben an alles, ob Positives oder Negatives. Aber für wie lange wird der Terror zur Normalität werden?

Thomas Hegghammer hat letztes Jahr eine interessante Analyse dazu verfasst. Sie verdient es, ganz durchgelesen zu werden, für den eiligen Leser sei hier die deprimierende Zusammenfassung über die Zukunft des islamistischen Terrors in Europa in den kommenden 10 Jahren wiedergegeben:

Despite reaching historically high levels in recent years, violent Islamist activity in Europe may increase further over the long term due to four macro-trends: 1) expected growth in the number of economically underperforming Muslim youth, 2) expected growth in the number of available jihadi entrepreneurs, 3) persistent conflict in the Muslim world, and 4) continued operational freedom for clandestine actors on the Internet. Over the next decade, the jihadi attack plot frequency in Europe may follow a fluctuating curve with progressively higher peaks. Many things can undercut the trends and lead to a less ominous outcome, but the scenario is sufficiently likely to merit attention from policymakers.

(more…)

Terror als Blowback?

Juni 11, 2017
Osamas Erbe in New York

Ist Terror nur Blowback?

Die letzten zwei Jahre des Terrors in Europa haben eine Reihe an Erklärungen für die Ursachen des Terrors hervorgerufen. Einer dieser Erklärungen ist die These, dass die Terroranschläge im Westen eine Folge der westlichen Interventionen im Nahen Osten sind. Man sieht also den Terror, kurz gesagt, als „Rache für Irak“ oder „Rache für Afghanistan“. Diese These ist vor allem bei linken Antiimperialisten verbreitet, die für jedes Übel der Welt „den Westen“ verantwortlich machen, aber auch bei libertären Nicht-Interventionisten, die die Außenpolitik der westlichen Staaten sehr kritisch sehen. Oskar Lafontaine und Jeremy Corbyn stimmen hier seltenerweise mit Ron Paul und Bryan Caplan überein. Auch mein Lieblingskommentator „Salamshalom“ hält Terroranschläge im Westen für Blowback, obwohl er gleichzeitig 9/11 für einen Inside Job hält (so ist er zweifach abgesichert: Entweder der Westen ist Schuld, oder der Westen ist Schuld).

Ich halte die Blowback-These jedoch für vollkommen falsch. Wenn man die Fakten genauer betrachtet, ist sie so spektakulär falsch, dass es absurd erscheint, dass irgendjemand sie ernsthaft vertritt. Es gibt viel dazu zu sagen, ich habe hier mal sechs Punkte gesammelt.

1.) Es gab kein Blowback von Vietnamesen, Salvadorianer oder Serben.

Der Westen hat nicht nur islamische Länder bombardiert. Die USA haben jahrelang in Vietnam in viel größerem Umfang interveniert, mit mehr Soldaten, mehr Waffen und mehr zivilen Opfern. Auch in anderen Ländern wie El Salvador oder in den Jugoslawienkriegen haben die USA und andere westliche Länder massiv interveniert. Die Zahl der Menschen, die aus diesen Ländern kommen und im Westen leben, ist groß genug für terroristische Zellen: Es gibt 2 Millionen Vietnamesen und 2,1 Millionen Salvadorianer in den USA und über 200.000 Serben in Deutschland. Wo blieb die „Rache für My Lai“ in den USA? Wo blieb die „Rache für Kosovo“ in Deutschland? Und kommt mir nicht mit „Die westlichen Interventionen dort dauerten nur kurz, die Muslime werden seit Jahrzehnten unterdrückt.“ Die amerikanischen Interventionen in Südostasien erstreckten sich über rund drei Jahrzehnte, und Deutschland hat den Serben 1914-18, 1941-45 und in den 1990ern, also fast ein ganzes Jahrhundert lang, übel mitgespielt. Trotzdem ist nie ein Serbe in Berlin oder München detoniert. Das sollte den den Blowback-Theoretikern zu denken geben. Es kommt aber noch mehr.

2.) Die Täter kommen meistens nicht aus den Ländern, in denen es Interventionen gab.

In welchen islamischen Ländern hat der Westen interveniert? Die erste Intervention war 1991 im Irak, es folgten Somalia, Jugoslawien (bzw. die muslimischen Gebiete, Bosnien und Kosovo, aber zählen wir es als ein Land), Afghanistan, wieder der Irak, die Drohnenkriege in Pakistan und Jemen, Libyen, Mali und schließlich Syrien. Insgesamt sind das neun Länder. Aber nur wenige der islamistischen Terroristen im Westen stammten aus diesen Ländern. Die Terroristen von 9/11 stammten aus Saudi-Arabien, Ägypten und Libanon, die Terroristen in Frankreich und Belgien stammen überwiegend aus Marokko, Tunesien und Algerien, die Boston-Bomber kamen aus Tschetschenien, Anis Amri war Tunesier, der Stockholm-Fahrer Rakhmat Akilov ist Usbeke. Sicher gab es auch mal Terroristen aus Ländern wie Afghanistan oder Libyen (z.B. in Orlando 2016 oder jüngst in Manchester), aber die Mehrheit der Terroristen stammt nicht aus Ländern, in denen der Westen interveniert hat, sondern am häufigsten aus Marokko und Tunesien. Jetzt kommt wohl das Argument „Die Muslime aus aller Welt halten zusammen, die Marokkaner und Tunesier nehmen Rache für die Iraker und Afghanen!“ Aber auch das ist nicht schlüssig. (more…)

Zitat des Tages

Mai 23, 2017

Nach all den üblichen Phrasen des Terrors einige wahre Worte von Gideon Böss:

„Die Terroristen werden ihre Ziele nicht erreichen.“ – Eines ihrer Ziele war es, Jugendliche während eines Konzerts in die Luft zu sprengen. Das haben sie geschafft. Sie wollen, dass Eltern ihre Kinder nicht mehr sorglos auf Events gehen lassen. Das haben sie geschafft. Sie wollen, dass der Terror den Alltag der Menschen einschränkt. Das haben sie geschafft. Die Realität ist, dass der Terror immer mehr Einfluss auf das öffentliche Leben nimmt. Wer das schlicht leugnet, kann ihn nicht besiegen. Darum sind solche trotzigen Statements auch kein Zeichen von Stärke, sondern von Schwäche.

Ich erwarte leider keinen Wandel für die nahe Zukunft, nur immer wieder dieselben Phrasen.

Terror in Berlin: Der Rechtsstaat schlägt zurück

Dezember 23, 2016

Anis Amri schaffte nur drei Tage, der Titel bleibt bei bin Laden

Die Reaktionen des Rechtsstaats auf den Terroranschlag in Berlin sind bereits da, und sie fallen sehr hart aus. Wenn man bedenkt, dass Anis Amri sich in Deutschland aufhielt, obwohl er vier bis acht verschiedene Identitäten verwendete, den Behörden als Gefährder bekannt war und sich als Selbstmordattentäter beworben hatte, er in Abschiebehaft saß und freigelassen wurde, verschiedene ausländische Geheimdienste die deutsche Regierung vor Anschlägen in Weihnachtsmärkten gewarnt hatten und die deutschen Behörden Amris Freiheit damit erklärten, dass es schwer war, Amri im Auge zu halten, „weil er sich oft von einem Ort in einen anderen bewegte“, ist das verständlich. Und was sind die Reaktionen? Folgende:

1. Kampf gegen die Instrumentalisierung „von rechts“.

Marcus Pretzells Tweet („Es sind Merkels Tote“) könnte strafrechtliche Ermittlungen zur Folge haben. Denn nichts ist schlimmer ist als die schamlose Instrumentalisierung einer Tragödie. Das weiß vor allem Ralf „Pegida-hat-mitgestochen“ Stegner. Neben dem Kampf gegen Hate Speech soll der Kampf gegen Fake News verschärft werden. Heiko Maas fordert die Errichtung einer „Wahrheitskommission„, die Meldungen nach ihrem Wahrheitsgehalt verifiziert, das Bundesinnenministerium plant ein „Abwehrzentrum gegen Desinformation„. Die Strafen für Vergehen dieser Art sollen Geld- und Gefängnisstrafen sein. Damit sich eine so schreckliche Tat wie Pretzells Tweet nicht wiederholt.

Mein Vorschlag für ein Fake News- und Hate Speech-Paragraf:

&6538 Verbreitung von wahrheitswidrigen und die Menschenwürde verletzenden Aussagen
(1) Wer in der Öffentlichkeit oder in den sozialen Medien wahrheitswidrige Aussagen tätigt, verbreitet oder zustimmt, die geeignet sind, die Bevölkerung in einer Weise irrezuführen, dass der öffentliche Frieden gestört wird, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer in der Öffentlichkeit oder in den sozialen Medien Aussagen tätigt, verbreitet oder zustimmt, die die Menschenwürde verletzen.

2. Zusammenhalt betonen.

Es kann nicht sein, dass sich die Gesellschaft spaltet, nur weil ein LKW ein Parkverbot ignoriert hat. Deswegen haben Christen, Muslime, Flüchtlinge und Schon-länger-hier-Lebende gemeinsam in Berlin gesungen und in München demonstriert, gegen den wahren Feind: Rassismus, Ausländerfeindlichkeit, AfD, Pretzell. Natürlich haben die Menschen auch wieder Weihnachtsmärkte besucht. In einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft wie der unseren bestimmen nicht Terroristen, wer im Weihnachtsmarkt sein darf. Das macht die Gewerbeaufsicht. Das schönste Zeichen des Zusammenhalts war aber der ökumenische Gottesdienst mit Vertretern der drei abrahamitischen Religionen. Der Imam Ferid Heider, der auf seiner Facebook-Seite den weltbekannten islamistischen Prediger al-Qaradawi bewirbt, das islamistische R4bia-Zeichen als Profilbild hatte und 9/11-Verschwörungstheorien verbreitet, war dafür besonders gut gewählt: Wenn man Islamisten und 9/11 Truther ausschließen würde, müsste man nämlich 50-80% aller Muslime aus den Gedenkfeiern ausladen. (more…)

Meine Meinung zu Lars Koch und Renegade

Oktober 18, 2016

Na, da hat es der öffentlich-rechtliche Rundfunk mal geschafft, einen unterhaltsamen Film auszustrahlen.

Im Fernsehfilm „Terror – Ihr Urteil“ geht es um den Fall eines entführten Flugzeugs, der von Terroristen entführt wird und dann auf ein Stadion mit 70.000 Zuschauern rast (diesen Fall nennt man in der Fachsprache „Renegade“). Der Kampfpilot Lars Koch schießt das Flugzeug ab – 164 Menschen sterben, und er wird angeklagt. Was ist die richtige Entscheidung? Zunächst einmal müssen die Bedingungen klar sein:

– Alle anderen Möglichkeiten sind ausgeschöpft. Es ist nicht mehr möglich, das Flugzeug abzuhalten, indem man Warnschüsse abgibt, es versucht, wegzudrängen und die Passagiere sind nicht mehr in der Lage, die Terroristen zu überwinden. Das Flugzeug rast direkt auf die Allianz Arena zu, in der gerade Deutschland gegen England vor 70.000 Zuschauern mit 3:0 führt. Ob dieser Fall so eintritt, ist nicht immer leicht festzustellen. Aber nehmen wir für den Fall an, das er zweifellos feststeht: Entweder werden alle 164 Menschen sterben, oder alle 164 Menschen und zusätzlich noch die möglichen Opfer, die der Angriff auf die Allianz Arena fordert. Lars Koch entschließt sich in dieser Situation, alle 164 Passagiere zu töten.

Ist das die richtige Entscheidung? Meine Meinung ist: Ja. Die Gegenargumente, die gebracht werden, lauten in etwa so:

– Man kann kein Leben gegen ein anderes ausspielen.
– Man würde auch nicht einen Menschen töten, um mit seinen Organen schwer kranke Menschen zu retten.
– Man würde sicher nicht seine eigene Frau und Kinder töten, wenn sie im Flugzeug gesessen hätten.

Keines davon überzeugt mich.

Erstens gilt das „Jedes Leben ist wertvoll“-Argument nur für unschuldige Menschen (nur als Klarstellung, die 164 Passagiere waren unschuldig). Zweitens wird nicht ein Leben gegen ein anderes ausgespielt, sondern der sichere Tod von 164 gegen den sicheren Tod von 164+. Nochmals: Im besagten Fall gab es keine anderen Alternativen. Wäre es anders, kann man Lars Koch sicher moralisch und gerade auch rechtlich verurteilen. Auf die Frage, ob, ich, wenn ich in Lars Kochs Haut gesteckt hätte, auch meine Frau und Kinder getötet hätte, sage ich: Erstens Ja, und zweitens spielt diese Frage keine Rolle. Denn man sollte eben nicht das Leben von Menschen gegen das von anderen ausspielen – die 70.000 Menschen im Stadion sind nicht weniger wert als meine hypothetische Familie. (more…)

Die Phrasen des Terrors

Juli 29, 2016
Osamas Erbe in New York

Nach dem Terror kommen die Phrasen

In Zeiten des Terrors kommen immer wieder dieselben Sätze hoch. Die meisten davon sind bei genauerem Hinsehen ziemlich dumm und zeugen von dem Versuch einer Verharmlosung und einer damit einhergehenden politischen Einstellung. Im Folgenden vier prägnante Beispiele:

1. „Es sterben mehr Menschen durch Autounfälle oder Herzinfarkte als durch Terrorismus, also wozu die Angst?“

In den letzten 25 Jahren sind zwischen 100 und 150 Menschen in Deutschland durch rechtsextreme Gewalt getötet worden. Im selben Zeitraum war es für Ausländer, Linke und Homosexuelle viel wahrscheinlicher, durch Autounfälle oder Herzinfarkte zu sterben als durch Neonazis (und für Ausländer war es wohl wahrscheinlicher, von Ausländern getötet zu werden). Würde deshalb jemand auf die Idee kommen, diesen Sachverhalt zum Thema zu machen und zu sagen: „Was soll die Angst vor Neonazis? Haben Ausländer etwa Angst davor, Auto zu fahren?“. Natürlich nicht, denn solche Vergleiche sind albern. Es gibt große Unterschiede zwischen Mord, Unfall und Krankheit.

Todesfälle durch Unfälle oder Krankheiten werden nicht durch bewusste Entscheidungen von Menschen herbeigeführt. Zwar können sie durch menschliches Verhalten verursacht werden (z.B. durch unvorsichtiges Verhalten oder einem ungesunden Lebensstil), aber eben nicht gezielt. Trotzdem kann man natürlich auch vor Unfällen oder Krankheiten Angst haben – deswegen werden immer mehr Sicherheitsmaßnahmen entwickelt (die Toten durch Autounfälle in Deutschland sind seit 1970 von 20.000 auf heute 3.000 pro Jahr gesunken, der medizinische Fortschritt verlängert unsere Lebensspanne immer weiter) – aber sie sind Risiken, die sich durch die bloße Existenz im Universum ergeben, nicht wie Morde, die bewusste Taten von anderen Menschen sind. Kurz gesagt: Morde sind nicht gefährlicher als Unfälle oder Krankheiten, aber unvorhersehbarer und tragischer.

2. „Es gibt keine absolute Sicherheit.“

Ja, ich weiß. Im Leben gibt es vor nichts absolute Sicherheit. Das ist so banal, dass ich mich frage, warum das gesagt wird. Ehrlich gesagt: Ein bisschen klingt es wie eine Vorab-Entschuldigung für kommende Terror-Tote. Vor allem Manuel Valls‘ Satz „Wir müssen lernen, mit dem Terror zu leben“ klingt so (und für mich ist es verständlich, dass er deshalb ausgebuht wurde). Was würde man von einem AfD-Politiker halten, der Gewalt gegen Flüchtlinge mit dem Satz kommentiert: „Es gibt keine absolute Sicherheit vor Neonazis, die Flüchtlingsheime anzünden“? Hat irgendein Linkspolitiker nach den Enthüllungen der Panama-Papers gesagt: „Es gibt keine absolute Sicherheit vor Steuerhinterziehung“?

Warum reagiert man nicht stattdessen mit „Wir werden alles Mögliche tun, um zu verhindern, dass sich sowas nicht wiederholt“? In dem Satz ist auch inbegriffen, dass es keine absolute Sicherheit gibt. Aber die wichtige Botschaft ist: Es wird alles getan, um für mehr Sicherheit zu sorgen! Sicher gibt es viele falsche Maßnahmen dafür, aber dass Maßnahmen getroffen werden müssen, kann niemand bezweifeln. Wie das Beispiel Israel zeigt, kann man mit den richtigen Maßnahmen auch mit einer sehr großen Terrorgefahr eine vergleichsweise hohe Sicherheit garantieren. Auch in Europa kann man mehr Sicherheit haben. Die Pannen der europäischen Geheimdienste könnte sich kein Mossad-Chef leisten. Aber man muss gar nicht erst eine Bedrohungslage wie Israel zulassen, wenn man die bekannten „Gefährder“ mit richterlicher Anordnung in Haft nimmt anstatt sie täglich mit 30 Personen oder mit Fußfesseln zu überwachen. (more…)

Amok und Terrorismus

Juli 23, 2016

Was ist Amok und was Terrorismus?

Was für ereignisvolle zwei Wochen. Zuerst der Lkw-Terror in Nizza, dann der Putschversuch in der Türkei, gefolgt vom Axt-Terror in Würzburg und als bisheriger Abschluss die gestrigen Ereignisse in München. Dabei ist Pokemon Go erst seit 17 Tagen auf dem Markt. Die Terror-Wochen hatten auch Folgen für die Wikipedia-Historiker: Stand es vor Juli auf der Anzeigetafel noch „Anders Breivik 75:49 Omar Mateen“, hat Mohamed Lahouaiej Bouhlel nun Platz 1 erobert. Ich denke jedoch, es wird nicht in dem Tempo weitergehen. Islamistischer Terror ist zwar nichts Neues, aber ein Anschlag alle vier Tage ist noch nicht normal, und die Ereignisse in der Türkei hatten nichts mit dem Terror in Europa zu tun. In Zukunft dürften also, wenn nicht etwas Außergewöhnliches passiert, die Brennpunkte wieder etwas weniger häufig vorkommen als in den letzten zwei Wochen.

Besagte zwei Wochen haben einige absurde Reaktionen hinterlassen. So haben viele Kommentatoren nach Nizza und Würzburg lange behauptet, die „Hintergründe der Tat seien unklar“. Der Nizza-Attentäter sei nicht religiös gewesen und habe nie eine Moschee besucht. Vielleicht war es ein normaler Amoklauf? Hatte der Täter psychische Probleme und war somit unzurechnungsfähig? In Würzburg wurde ein islamistischer Bezug selbst dann geleugnet, nachdem klar war, dass der Axt-Angreifer in Würzburg „Allahu akbar“ geschrien hatte. Schließlich hieß es, der Täter hätte keinen nachweisbaren Kontakt zum IS gehabt. Das zeigt: Wir haben es wieder mit dem Dschihadleugnungssyndrom zu tun.

Der Täter in Nizza mag nicht sein ganzes Leben lang religiös gewesen sein, doch wie die Ermittlungen gezeigt haben, hatte er sich vor der Tat dem Islamismus zugewandt und die Tat monatelang geplant. Wahrscheinlich ist man als islamistischer Terrorist im Westen auch nicht häufig in der Moschee, weil man im Gegensatz zu Pakistan fürchten muss, durch radikale Aussagen aufzufallen. Wer psychische Probleme hat, muss deshalb nicht an einer Psychose bzw. Wahnvorstellungen leiden (im Sinne von echten Wahnvorstellungen, nicht vom blinden Glauben an einen Gott). Und ob der Täter in Würzburg nun ein Schläfer oder ein „Blitzradikalisierter“ war, ist wohl nicht klar, aber ein Islamist war er auf jeden Fall. Zu sagen, jemand, der kein offizielles IS-Mitglied ist, könne kein Islamist sein ist so, als würde man sagen, der Arprin könne kein echter Liberaler sein, immerhin ist er nicht in der FDP. Oh, glaubt mir, es ist möglich. (more…)

Der Preis der Freiheit?

November 29, 2015
Taliban in Herat, Afghanistan

Müssen wir unsere Freiheit mit Terror bezahlen?

Immer nach Terroranschlägen gibt es einen Reflex, den man bei nahezu allen Parteien sieht: Die Forderung nach Gesetzen, die im Namen der Sicherheit die Freiheit einschränken. Dabei gibt es aber ideologische Unterschiede: Wer eher „links“ ist, fordert eine Verschärfung des Waffenrechts, am besten ein komplettes Waffenverbot, wer sich dagegen als Nicht-Linker definiert, fordert eine Ausweitung der Internet-Überwachung durch die Geheimdienste. Eine der beiden Seiten setzt sich fast immer durch, oft auch die beiden. Nur die prinzipientreuen Liberalen verteidigen weiter die Freiheit. Ihr Argument ist oft der schwülstige Spruch: „Der Terror ist der Preis der Freiheit.“

Ich halte diese Verteidigung der Freiheit nicht nur schädlich – denn sie suggeriert, die Bürger würden mit der Gefahr des Terrors für die Freiheit „bezahlen“, obwohl sie auch eine andere Währung für eine andere Ware benutzen könnten, nämlich die Währung der Freiheitseinschränkungen für die Ware der Sicherheit – sondern für falsch – es gibt in der Praxis nicht mehr Sicherheit durch Freiheitseinschränkungen. Die Terroranschläge in Paris sind ein schlagendes Beispiel dafür: Frankreich ist eines der Länder mit den strengsten Waffengesetzen und einer der überwachungsfreudigsten Geheimdiensten. Trotzdem waren die entwaffneten und überwachten Bürger nicht sicher vor dem Terror anderer Bürger.

Wenn eine Sache versagt, ist in der freien Wirtschaft die Reaktion darauf meistens die, eine neue Sache zu versuchen. Die neue Würstchensorte fand keine Abnehmer, also versuchen wir es mit einer anderen Sorte. Der mit einem Fuß zu bedienende Computer ist unpraktisch, also versuchen wir es weiter mit der Maus. In der Politik dagegen läuft es anders ab: Wenn eine Sache versagt, wird einfach gefordert, noch mehr Geld für diese Sache zu verwenden, damit sie „besser“ funktioniert. Die Waffenverbote und Geheimdienst-Überwachung haben bei der Verhinderung des Pariser Terroranschlags versagt? Ganz einfach: Mehr Waffenverbote und mehr Überwachung! (more…)

Wenn dich niemand versteht

November 24, 2015
Denis Cuspert a.k.a. Deso Dogg a.k.a. Abu Talha al-Almani

Denis Cuspert a.k.a. Deso Dogg a.k.a. Abu Talha al-Almani

Wer ist schuld am islamistischen Terror? Westliche Medien finden darauf verschiedene Antworten: Der französische Österreich-Korrespondent Joëlle Stolz gab im Standard dem „Ultraliberalismus“ die Schuld, da Google, Facebook, Amazon und Apple Millionen arbeitslose Jugendliche produzieren, das ZDF-Kinderfernsehen „logo!“ sieht die Spätfolgen des französischen Kolonialismus in Afrika und die Perspektivlosigkeit muslimischer Migranten als Hauptgrund, Jürgen Todenhöfer dagegen sieht völlig überraschenderweise in der modernen westlichen Außenpolitik im Nahen Osten die Ursache für den islamistischen Terror.

Dabei ist es doch ganz einfach: Der Islamische Staat wünscht sich den Weltuntergang. Dafür planen sie, ihre Armee in Syrien gegen die Armeen der Ungläubigen ins Feld zu führen. In der Stadt Dabiq soll es zum Endkampf gegen die Ungläubigen kommen, die Ungläubigen werden vernichtet werden und der IS wird in Richtung Istanbul marschieren und die Stadt einnehmen. Dann erscheint der Anti-Messias Dajjal aus dem Osten Irans und macht die Sache wieder spannend, da er nahezu alle Kämpfer des Kalifats bis auf 5.000 töten wird, doch dann kommt Jesus auf die Erde zurück (in Damaskus oder in Palästina), tötet den Dajjal und führt das Kalifat zum Sieg. Ist doch nicht schwer zu verstehen.

Es mag sein, dass Perspektivlosigkeit einige Jugendliche in den IS treibt (obwohl die meisten Terroristen Ingenieure und Ärzte sind) und fehlgeleitete westliche Außenpolitik Strukturen geschaffen hat, die unbeabsichtigt den Aufstieg von islamistischen Gruppen begünstigt hat. Aber Perspektivlosigkeit gibt es auch bei Christen und Atheisten, ohne dass diese in den Straßen Menschen massakrieren, und die westliche Außenpolitik in Vietnam und El Salvador hat nicht dazu geführt, dass vietnamesische oder salvadorianische Terroristen sich in Amerika in die Luft jagen. Es hat eben doch was mit der Ideologie zu tun. Der Westen hat nicht den Koran, die Scharia oder den Salafismus erfunden. (more…)