Zu den vielen Dingen, über die sich die Kritiker der Moderne, überwiegend Linke und Grüne (aber auch Konservative), echauffieren, gehört der „Ökonomismus“, die angebliche „Ökonomisierung“ aller Lebensbereiche. Egal, um welchen Bereich es geht, es geht nur ums Geld, alles wird nur nach seiner ökonomischen Verwertbarkeit gemessen. Früher stand das Wohl der Menschen im Mittelpunkt, heute nur noch der Profit. Es sei falsch, alle Probleme ökonomisch anzugehen und lösen zu wollen, also nach finanziellen Aspekten. Dieser „Materialismus“ wird verworfen, Geld sei nicht die Lösung für alle Probleme und Geld mache auch nicht glücklich.
Die Kritik des „Ökonomismus“ beinhaltet zwei große Irrtümer. Erstens wird nicht verstanden, womit sich das Feld der Ökonomie in seiner ursprünglichen Bedeutung beschäftigt. Ökonomie ist keinesfalls auf Geldfragen beschränkt, das Forschungsfeld umfasst einen viel größeren Bereich, was den Vorwurf, Ökonomen würden sich mit Fragen beschäftigen, die nichts mit ihrem Forschungsfeld zu tun hat, weitgehend entkräftet. Zweitens wird übersehen, wer die größten Ökonomisten sind: Die Ökonomismuskritiker selbst. Gerade für die Linken sind alle Probleme der Welt ein Geldproblem. Sie kritisieren etwas, was sie selbst fleißig praktizieren.
Das falsche Verständnis von Ökonomie
Wenn die meisten Menschen heute an „Ökonomie“ denken, haben sie die Vorstellung, dieses Feld würde sich nur mit den Dingen beschäftigen, die irgendetwas mit Geld zu tun haben. Auch wenn Geld eine große Rolle in diesem Forschungsgebiet spielt, ist es nicht das, worum sich Ökonomie dreht. Ökonomie beschäftigt sich mit der Frage, wie man mit begrenzten Mitteln ein Ziel erreicht, oder, in der Fachsprache ausgedrückt: mit knappen Ressourcen ein Bedürfnis deckt. Immer, wenn sich jemand mit einer Frage beschäftigt, die diese Aspekte beinhaltet, ist Ökonomie im Spiel. Obwohl Geld in unserer Gesellschaft fast überall eine Rolle spielt, muss Geld nicht im Spiel sein, damit etwas mit Ökonomie zu tun hat.
Um das zu verdeutlichen: Man kann einen Großteil von sozialen Themen „ökonomisch“ angehen. Warum einige Katastrophen mehr Aufmerksamkeit erregen als andere, kann man mit der Aufmerksamkeitsökonomie erklären, denn Aufmerksamkeit ist ein knappes Gut. Es gibt eine Ökonomie der Warteschlangen, eine Ökonomie der Heiratens oder eine Ökonomie von Neujahrsvorsätzen. All das hat nicht unbedingt etwas mit Geld zu tun, aber mit Ökonomie. Mit dem Vorwurf des „Ökonomismus“ muss man somit vorsichtig umgehen, denn Ökonomie ist eben nicht nur alles, was mit Geld zu tun hat, sondern alles, was mit der Frage zu tun hat, wie man knappe Ressourcen am effizientesten verwendet.
Es gibt auch andere Forschungsfelder, denen man vorwirft, sich mit Dingen zu beschäftigen, die nichts mit ihrem Fach zu tun haben. Naturwissenschaftlern wirft man „Szientismus“ vor (je nach Fachrichtung auch „Physikalismus“ oder „Biologismus“), Soziologen „Soziologismus“ und Psychologen „Psychologismus“. Selbstredend ist es möglich, sein Forschungsfeld zu weit auszudehnen, aber der Vorwurf muss mit Bedacht gewählt werden. Alles, was sich mit der Eigenschaft von physischen Dingen beschäftigt, ist Naturwissenschaft, alles, was sich mit dem menschlichen Verhalten beschäftigt, ist Soziologie, alles, was sich mit dem geistigen Zustand von Menschen beschäftigt, ist Psychologie.
Nicht selten überschneiden sich die Forschungsfelder. Die ökonomische Lehre der Knappheit von Ressourcen ist auch eine naturwissenschaftliche Aussage (es gibt kein Perpetuum mobile) und die Analyse von Anreizen und Präferenzen hat viel mit Soziologie zu tun. Bryan Caplan meint, es sei nur ein historischer Zufall, dass man Ökonomie nicht Soziologie nennt. In der Tat sind Ökonomie und Soziologie oft nicht voneinander zu unterscheiden. Dennoch gibt es Grenzen, es gibt viele Aspekte des menschlichen Zusammenlebens, die nichts mit Knappheiten zu tun haben. Wer aber mit dem Vorwurf, Ökonomen würden ihr Forschungsfeld zu sehr ausweiten, meint, Ökonomen würden immer alles nur in Bezug zu Geld denken, hat nicht verstanden, worum es in Ökonomie geht.
Typisch ist der Vorwurf, Ökonomen würden Wohlstand nur an Geld messen. So kritisiert die indische Gentechnik-Gegnerin Andana Shiva die ökonomische Armutsdefinition aufgrund des vermeintlichen Reichtums von Ureinwohnern:
Menschen werden als arm erachtet, nur weil sie in Häusern wohnen, die sie selbst gebaut haben. Das Material, das sie hierzu verwenden, ist natürlich und ahmt die Natur nach – Bambus, Lehm anstatt Zement. Menschen werden als arm erachtet, weil sie handgefertigte Kleider aus natürlichen Materialien und keine Synthetiktextilien tragen. Subsistenz – als kulturell definierte Armut – ist nicht gleichbedeutend mit geringer Lebensqualität, ganz im Gegenteil, die Subsistenzlandwirtschaft hilft dem Haushalt der Natur und leistet einen Beitrag zum sozialen Wirtschaften. Auf diese Weise gewährleistet sie hohe Lebensqualität
Subsistenz (Selbstversorgung) oder ein Mangel an Geld ist nicht gleichbedeutend mit Armut, stimmt. Aber das behauptet auch kein Ökonom. Armut und Reichtum werden aus ökonomischer Sicht dadurch definiert, wie gut die physischen Bedürfnisse eines Menschen befriedigt sind (die psychischen Bedürfnisse sind ein anderes Feld, mit ihnen beschäftigt sich Ökonomie nur indirekt). Desto besser es darum bestellt ist, desto reicher ist man. Nicht alle Menschen haben dieselben Bedürfnisse, auch das behauptet kein Ökonom. Aber es gibt einige Bedürfnisse, die bei fast allen gleich sind: Die Existenzbedürfnisse, also Versorgung mit Nahrung, Wohnraum, Medizin, Kleidung. Bei den Ureinwohnern ist das auch der Fall.
Da bei der Mehrheit der Ureinwohner diese Bedürfnisse schlechter befriedigt sind als bei Menschen in der Stadt, sind sie im Vergleich zu ihnen sehr wohl arm. Momentan haben die meisten Ureinwohner nicht die Alternative zwischen ihrem Alltag der Selbstversorgung und der Moderne, aber wenn sie sie haben, nehmen die meisten Ureinwohner gerne die moderne Technik an, und mehr würden sie annehmen, wenn sie die Chance hätten. Vielleicht würden viele, weil es ihnen Spaß macht, weiterhin zur Jagd gehen, aber dann als Freizeitvergnügen, nicht zur Existenzsicherung – dafür würden sie dann die einfacheren, modernen Methoden nehmen. Die Luxusbedürfnisse der Menschen sind unterschiedlich, die Existenzbedürfnisse nicht. Die Ureinwohner sind nicht arm, weil sie kein Geld haben, sondern weil ihre Bedürfnisse nicht so gut gedeckt sind wie sie es sich wünschen.
Der linke Ökonomismus
Wenn man unter „Ökonomismus“ die übertriebene Fokussierung auf Geld versteht, trifft der Vorwurf des Ökonomismus am stärksten auf die Linken zu. Wer sich mit den politischen Vorschlägen der Linken beschäftigt, erkennt schnell, dass es bei ihnen immer nur um Geld geht. Jedes Problem ist für sie eine Folge der ungleichen materiellen Einkommen, und jede Lösung beinhaltet die Umverteilung der Einkommen. Rassismus, Sexismus, Terrorismus, Kriminalität, Alkoholismus, Depressionen, alle Konflikte und Probleme werden verursacht durch die „herrschenden Besitzverhältnisse“, wie es in marxistischer Diktion heißt, denn „das Sein bestimmt das Bewusstsein“. In einer Welt mit einer gerechten Einkommensverteilung wären gemäß linker Definition alle Probleme gelöst. Das ist keine Übertreibung, die Linksabgeordnete Gesine Lötzsch meinte, mit mehr Umverteilung könnte man die Mordrate senken.
Es ist unglaublich, wie selbstwidersprüchlich diese Position ist. Sie werfen anderen vor, alles nur in Bezug zu Geld zu denken, aber sehen in der Verteilung der Einkommen die Ursache und die Lösung aller Probleme. Es wäre zumindest in sich logisch, wenn sie den ersten Teil weglassen und sagen würden: „Geld ist das Wichtigste, deshalb braucht es eine massive Umverteilung der Einkommen, um alle Probleme zu lösen!“, aber stattdessen beharren sie auf: „Geld ist nicht alles, wir müssen vom Materialismus wegkommen, deshalb braucht es eine massive Umverteilung der Einkommen, um alle Probleme zu lösen!“. Auf den Gipfel getrieben wird diese Unlogik, wenn Umverteilung nicht nur als Problemlösung, sondern als Wert an sich angesehen wird, da Ungleichheit von Einkommen nicht vereinbar sei mit dem Prinzip der Gleichheit aller Menschen.
Die Logik dahinter lautet:
Es ist falsch, den Wert eines Menschen nur nach seinem Einkommen zu messen. –> Alle Menschen sind gleichviel wert. –> Also müssen alle Menschen dasselbe Einkommen haben.
Wer den Fehler gefunden hat: Glückwunsch, ihr seid klüger als die meisten Linken.
Im Übrigen ist die linke (bzw. marxistische) Konflikttheorie, also, dass Menschen zu Terroristen werden, weil sie ihre materielle Armut nicht ertragen können, nicht nur selbstwidersprüchlich, sondern falsch. Man denke nur an Beispiele wie Osama bin Laden, Che Guevara oder die RAF-Terroristen. Den einen Grund, warum radikale Ideologien Menschen anziehen, gibt es gar nicht. Materielle Armut kann ein Grund sein, aber eben nicht der ausschließliche, religiöse Vorstellungen, Stammesdenken und andere Spinnereien spielen auch eine Rolle. Leider hat die marxistische Konflikttheorie, wonach alles ein Problem der „herrschenden Besitzverhältnisse“ sei, noch immer viele Anhänger.
Aber eins sollte klar sein: Die Frage, warum sich Menschen einer radikalen Ideologie anschließen oder Terroristen werden, hat nichts mit Ökonomie zu tun, sondern mit Soziologie (falls sich Ökonomie mit Terrorismus beschäftigt, dann höchstens, wenn es um die Frage geht, wie man mit möglichst wenig Waffen und Sprengstoff so viele Menschen wie möglich töten kann, oder, wenn man zu den Guten zählt, wie man mit möglichst wenig Polizei so viele Terroristen wie möglich aufspüren kann). Interessant wäre auch die Frage, warum Menschen links werden (ehrliche Dummheit? Neid? Herrschaftswunsch?), damit sollten sich mehr Soziologen beschäftigen.
„Ökonomisierung“ – Ein Übel?
Zum Vorwurf des „Ökonomismus“ gehört das ständige Klagen über die „Ökonomisierung“ der Gesellschaft, auch „Kommerzialisierung“ genannt. Damit ist gemeint, dass angeblich immer mehr Dinge, in denen vorher kein Geld benutzt wurde, nun „kommerzialisiert“ werden. Hinter dieser Klage steckt ein fehlendes Verständnis der Komplexität der modernen Welt (und in manchen Fällen offenbar auch die Verdrängung der Tatsache, dass etwas auch dann „kommerzialisiert“ ist, wenn das Geld an den Staat geht). Die Kommerzialisierung ist eine Folge der immer besser werdenden Arbeitsteilung, die wiederum verantwortlich ist für den immer größer werdenden Wohlstand in der Welt.
Die Menschen in der Steinzeit mussten für sich und ihre Gemeinschaft Selbstversorgung betreiben (sowie die Ureinwohner noch heute). Sie mussten ihre Nahrung selbst anbauen, ihre Wohnungen selbst bauen und ihre Kleidung selbst nähen und waschen. Dann kam die Arbeitsteilung, die auf zwei Dingen basierte: Spezialisierung und Tausch. Einige Menschen spezialisierten sich auf ein Gebiet, wie z.B. auf die Produktion von Nahrung, Wohnungen oder Kleidung, und verbesserten dort ihre Fähigkeiten, die Folge war: Es gab immer mehr und bessere Nahrung, Wohnungen und Kleidung. Die neuen Produkte wurden aber nicht allein von denen gebraucht, die sie produzierten, deswegen begann man, sie zu tauschen. Der Bauer tauschte seinen Weizenüberschuss gegen den Fleischüberschuss des Jägers, der Weber tauschte seine Teppiche gegen die Möbel des Schreiners usw. Da es aber schwer ist, immer etwas parat zu haben, das ein anderer braucht, brauchte man ein indirektes Tauschmittel. Voilà, das Geld war geboren, die „Kommerzialisierung“ nahm ihren Anfang.
Ohne die moderne Arbeitsteilung müssten wir uns auf Selbstversorgung oder auf das Teilen beschränken, was unseren Wohlstand auf dem Niveau der Steinzeit oder auf das Mittelalter zurückwerfen würde. Wer kann heute noch all die Dinge selbst herstellen, die er mit Geld kauft? Wer kennt genug Menschen, die ihm all diese Dinge herstellen, ohne im Tausch etwas als Gegenleistung dafür zu verlangen? Ohne Geld müsste man so für seinen Lebensstandard sorgen. Es ist kein Zufall, dass die Ureinwohner so arm und die Menschen in den industrialisierten Städten so reich. Letztere profitieren von der Globalisierung, die für immer bessere, weltweite Arbeitsteilung sorgt. Das ist der Unterschied zwischen dem Wohlstand der Ureinwohner im Amazonas und dem der Städter in Hongkong.
Der amerikanische Autor Charles Eisenstein kritisiert die „Ökonomisierung“ am Beispiel der Wasserversorgung:
Wirtschaftliches Verhalten, insbesondere der Tausch von Geld gegen Waren, dringt heute in Bereiche vor, in denen nie zuvor Geld ausgetauscht wurde. Nehmen Sie zum Beispiel eine der großen Wachstumsbranchen des Einzelhandels im letzten Jahrzehnt: abgefülltes Wasser. Wenn etwas auf der Erde fast allgegenwärtig ist, dann Wasser. Aber heute ist es knapp geworden – wir bezahlen dafür. … Gewöhnlich verbinden wir Wirtschaftswachstum mit einer Zunahme von Reichtum, aber wir können es auch als Verarmung betrachten, als Zunahme an Knappheit. Dinge, für die wir früher niemals bezahlt hätten, müssen wir jetzt kaufen.
Wir bezahlen nicht „für Wasser“. Wir bezahlen dafür, dass jemand das Wasser trinkbar macht, Rohrleitungen baut und Abwässer entsorgt. Dabei spielt es keine Rolle, ob wir direkt, in Form von Gebühren an Privatunternehmen dafür zahlen, indirekt in Form von Steuern an den Staat oder durch eine Mischung von beidem. Die Wasserversorgung ist kommerzialisiert – denn wir zahlen für sie. Viele scheinen zu verdrängen, dass Geld im Spiel ist, wenn der Staat etwas macht, dabei verlangt der Staat für alle seine Tätigkeiten Geld von den Bürgern (natürlich ist auch die Bildung, Gesundheit, Stromversorgung usw. kommerzialisiert). Es steht Eisenstein frei, für sein sauberes Wasser selbst zu sorgen oder Leute zu bieten, diese Aufgabe ehrenamtlich für ihn zu übernehmen. Wenn ihm das nicht gelingt, bleibt nur eins: Geld zahlen.
Das heißt nicht, dass alle menschlichen Beziehungen auf Geld basieren sollen. Mütter sollten ihren Kindern ohne Gegenleistung, aus reiner Nächstenliebe, Geburtstagskuchen backen, mit Freunden und Verwandten sollte man bestimmte Sachen teilen, ehrenamtliche Arbeit, um armen oder kranken Menschen zu helfen, ist sehr lobenswert. Aber es kann nicht alles auf das Teilen basieren. Der Wohlstand der modernen Welt ist nicht dadurch zustandegekommen, dass die Menschen ihr gesamtes Eigentum von anderen geschenkt bekamen und selbst andere beschenkten. Er kam durch die Wunder der Arbeitsteilung zustande, und er kann nur durch Arbeitsteilung aufrechterhalten werden und wachsen.
Ein gutes Beispiel dazu ist das Thema Organspende. Bis heute ist es in fast allen Ländern verboten, seine Organe für Geld zu verkaufen. Aus ökonomischer Sicht gibt es keinen Zweifel, welche Folgen das hat: Es sind weniger Organe verfügbar (man stelle sich vor, wie schlecht die Wasserversorgung wäre, wenn die Arbeiter in den Wasserversorgungsanlagen alle ehrenamtlich arbeiten müssten). Trotzdem ist der Organhandel weiterhin verboten, weil die Regierungen es verstörend finden, wenn Menschen ihre Organe für Geld verkaufen würden. Die Folge: Es sterben Menschen, weil es einen Organmangel gibt. Aber hey, immerhin gab es keine Kommerzialisierung!
Januar 3, 2016 um 21:16 |
Dieser Artikel war sehr bereichernd für mich. Nicht weil er so viel Neues enthielt, sondern weil er mein Wissen neu geordnet hat. Das ist alles sehr logisch und einleuchtend.
Der letzte Absatz hat mir die „Augen geöffnet“. Jedenfalls bin ich jetzt bereit über dieses Thema wirklich ganz neu nachzudenken.
Danke, verehrter Arprin,
Herzliche Grüße und alles Gute für das Neue Jahr,
Paul
Januar 4, 2016 um 01:22 |
Danke für das Lob, und auch von mir alles Gute für das Neue Jahr. 🙂
Januar 4, 2016 um 14:54 |
Also den Zusammenhang zwischen Organverkauf und den Wasserwerken sehe ich jetzt nicht. Zwar halte ich es auch für richtig, dass jeder selbst die Entscheidung trifft ob er eins seiner Organe verkauft, allerdings sehe ich auch die Gefahr eines gewissen Missbrauchspotentials.
Januar 4, 2016 um 18:29 |
Wer bezahlt wird, hat mehr Anreize, in einem Wasserwerk zu arbeiten (und gute Leistung zu bringen) oder seine Organe für andere zu spenden (bzw. verkaufen).
Das gibt es doch bei nahezu allem. Menschen töten andere Menschen, um an ihre Lebensversicherung zu kommen, trotzdem denkt keiner daran, Lebensversicherungen zu verbieten. Außerdem hätte es ja wohl weit mehr positive Auswirkungen, da viele Menschen, die Organe brauchen, sie bekommen würden.
Januar 4, 2016 um 22:17
Ja, die positiven Auswirkungen sehe ich auch.
Wie geschrieben, ich bin erst am Anfang darüber nachzudenken.
Allerdings könnte die Zahl der freiwilligen kostenlosen Spender zurückgehen, weil ich mir vorstellen kann, dass der Spender auch noch für seine Angehörigen etwas tun möchte.
Die Zahl der Lebendspender, nicht nur für Angehörige, was heute schon möglich ist, würde höchstwahrscheinlich zunehmen.
Ein Problem entsteht natürlich dadurch, dass dann Wohlhabende eher eine Chance bekämen als Arme.
Auch der Aspekt des Organhandels aus armen Ländern muss bedacht werden. Bis hin zu Morden zur Organgewinnung.
Je mehr ich darüber nachdenke, desto komplizierter wird es.
Auch den Organkauf durch eine zentrale Behörde halte ich für notwendig.
Die Verteilungsmethode für alle Organe würde ich beibehalten.
Wie mit dem private Markt, den es dann zwangsläufig geben wird, umgegangen werden soll, weiß ich auch noch nicht. Auf eine Selbstregulierung würde ich eher nicht setzen.
Herzlich, Paul
Januar 5, 2016 um 16:26
Das ist ja nicht schlimm, solange sich die Zahl der verfügbaren Organe erhöht, denn das ist ja das Wichtige für die Bedürftigen.
Da sich die Zahl der verfügbaren Organe erhöhen würde, würden aber auch die Armen bessere Chancen haben als jetzt, ein Organ zu bekommen.
Das ist in erster Linie eine Angelegenheit der armen Länder. Für alle möglichen Dinge, die man in den Westen schmuggeln oder legal verkaufen will, sind gewisse Menschen bereit zu töten. Wir können die armen Länder bei der Bekämpfung von organisierten Banden unterstützen, die auch im Westen aktiv werden.
Ich halte das zwar für nicht notwendig, aber eine zentrale Verteilungsmethode für „kommerzielle Organe“ wäre immer noch besser als der Status Quo, weil mehr Organe zum Verteilen da wären.
Januar 5, 2016 um 17:41
Danke, werter arprin, für diese Gedanken.
Da ich auch davon ausgehe, dass unter dem Strich insgesamt mehr Organe zur Verfügung stehen werden, kann man mit einigen negativen Auswirkungen leben. Eine vollkommene Verteilungsgerechtigkeit ist ohnehin nicht zu erwarten. Und reiche oder einflussreiche Menschen werden auch heute schon bevorzugt bedient. Heute werden sie aus dem vorhandenen knappen Aufkommen zu Lasten Anderer bevorzugt.
An der Bevorzugung würde sich also grundsätzlich nichts ändern, nur der Pool wäre größer aus dem verteilt werden könnte. Damit wäre der Vorteil für alle Organempfänger gegeben.
Der Hinweis auf das Problem mit den unterentwickelten Ländern, hat mich überzeugt.
Er hat mich zu einem weiteren Gedanken angeregt.
Könnte dieses Modell nicht auch auf die Adoption von Säuglingen Anwendung finden. Das würde mir noch leichter fallen als bei den Organen.
Mein Meinung ist noch nicht abschließend gefestigt. Aber es müssten mir jetzt schon wirklich gewichtige neue Argumente mitgeteilt werden, um mich davon abzuhalten den Organhandel negativ zu bewerten.
Herzlich, Paul
Januar 5, 2016 um 23:42
Ja, könnte man. Ein Markt für Adoptionsrechte wurde z.B. von Jason Brennan ins Spiel gebracht:
http://peace-love-liberty.de/ein-markt-fuer-adoptionsrechte/
Brennans Fazit: „Unterm Strich kommen die meisten Menschen, die sich etwas mit der Ökonomie von Adoptionsmärkten befasst haben, zu dem Schluss, dass es gute Argumente für einen solchen Markt gibt. Das bedeutet nicht zwingend, dass es einen unregulierten Markt auf diesem Gebiet geben sollte, aber überhaupt einen zu haben ist besser, als keinen zu haben. Trotzdem finden viele Leute diese Idee „eklig“ oder „abstoßend“. Wie Peter und ich im letzten Teil von Markets Without Limits schreiben, rührt die Ablehnung der Kommerzialisierung zu einem großen Teil von der Projektion dieser Abneigung her (d.h. Menschen projizieren ihre persönlichen Werturteile, Konventionen und Vorstellungen von Sitte und Anstand auf einen Bereich, der damit nichts zu tun hat. Die Frage, ob mir etwas zusagt, ist unabhängig davon, ob es legal sein sollte; ein klassischer Kategoriefehler – Anm. d. Ü.).“
Januar 4, 2016 um 22:32 |
Dein bester Beitrag. Ich liebe dich.
Januar 4, 2016 um 23:38 |
Danke. 😀
Januar 4, 2016 um 22:53 |
Sehr gut argumentiert.
Zum Thema „Organspende gegen Geld“ gibt es übrigens eine Econtalk-Folge in der eines der wenigen Länder wo dies möglich ist – der Iran (!) – betrachtet wird:
http://www.econtalk.org/archives/2015/09/tina_rosenberg.html
Januar 4, 2016 um 23:51 |
Ich hatte das hier gelesen: http://econlog.econlib.org/archives/2015/12/tina_rosenberg.html
Ein guter Einblick.
Soweit ich weiß, ist Iran das einzige Land, indem man seine Organe legal verkaufen kann. Ziemlich überraschend. Und nicht die einzige Überraschung aus dem Iran: Dort ist Transsexualität legal, der Staat bezahlt sogar die Geschlechtsumwandlung (http://www.ibtimes.com/iran-transgender-law-islamic-republic-advances-bill-protect-transsexuals-amid-1940978). Aber Homosexuelle werden hingerichtet …
Januar 22, 2016 um 21:35 |
Arbeitsteilung geht wunderbar auch ohne Geld, und ohne dauernd auf vermeintlicher „Knappheit“ herumzureiten. Ich sehe da weit und breit keinen Widerspruch.
Im übrigen erzeugt die Ökonomisierung gerade die Knappheit, die sie doch angeblich beseitigen will: http://www.iromeister.de/wenn-die-wirtschaft-wächst-wird-alles-knapper
Januar 24, 2016 um 23:42 |
Natürlich geht es ohne Geld, das habe ich nicht geleugnet. Ohne Geld geht es nur einfacher.
Knappheit ist eine grundlegende Eigenschaft des Universums, das lässt sich nicht leugnen:
http://www.misesde.org/?p=11218
Januar 25, 2016 um 12:56
Der aktuelle Stand der Physik besagt das Gegenteil: A Universe is a Free Lunch 😉