Keine Angst vor Big Tech

Januar 15, 2021

Ist Big Tech zu mächtig?

„Wenn Unternehmen zu mächtig werden, müssen sie vom Staat reguliert werden.“ Dieser Satz war bis vor kurzem ein Kernstück linker Ideologie. Damit wurden Pläne für massive Regulierungen oder gar Verstaatlichungen von Großkonzernen begründet. Nun hört man diesen Satz aber vor allem von Konservativen und sogar von einigen Liberalen. Es geht dabei um die großen Tech-Konzerne Facebook, Twitter, Google, Apple und Amazon, die Donald Trumps Accounts in den sozialen Medien und mit Parler ein soziales Medium, indem sich viele seiner Anhänger austauschten, gelöscht haben.

Konservative haben in früheren Fällen die Vertragsfreiheit verteidigt, z.B. wenn es um das Recht von Unternehmern ging, keine Fotos oder Torten für Homo-Ehen bereitstellen zu müssen. Dieses Mal sehen sie anders. Aber während sie früher richtig lagen, liegen sie diesmal falsch. Es braucht keine Regulierung der Tech-Konzerne. Die großen Nutzerzahlen der sozialen Medien rechtfertigen es nicht, sie als „öffentliches Gut“ zu behandeln. Anders gesagt: Es gibt kein Menschenrecht auf einen Account bei Facebook oder Twitter (sofern es sich nicht um eine Verletzung der unterschriebenen Nutzungsbedingungen handelt).

Aber würde das nicht zu einem Ende der Meinungsvielfalt in der westlichen Welt führen, wie die Kritiker der Trump-Sperre befürchten? Kurz gesagt: Nein. Es gibt kein Monopol der Tech-Konzerne, das auf Zwang basiert. Niemand ist gezwungen, Facebook oder Twitter zu benutzen. Die große Bedeutung der Tech-Konzerne basiert auf das Verhalten der Nutzer, nicht auf eine vermeintliche Unterdrückung der Alternativen durch die Tech-Konzerne. Das heißt: Wenn wirklich genug Menschen eine Alternative zu Facebook und Twitter haben werden wollen, werden sie auch eine aufbauen können. Den Rest des Beitrags lesen »

Der letzte Akt des Trump-Theaters

Dezember 2, 2020

Ich glaube nicht, dass Trump eine Gefahr für die Demokratie war oder ist. Er hat mit allem, was er tat, nicht die Existenz von fairen und freien Wahlen und eines Mehrparteiensystems in den USA gefährdet und auch nicht über dem Gesetz gehandelt. Als „Gefahr für die Demokratie“ wird von den Medien oft pauschal alles betitelt, was irgendwie als „rechts“ oder „konservativ“ gilt (z.B. alle US-Republikaner, die AfD, sogar der Brexit). Was Trump jedoch immer war, ist ein Mensch mit einem außerordentlich schlechten Charakter. Das beweist er derzeit wieder mit seinem letzten Akt im Weißen Haus.

Mehr als drei Wochen, nachdem Trump die Wahl gegen Biden verloren hat, weigert er sich noch immer, seine Niederlage anzuerkennen. Trumps Anwaltsteam um Rudy Giuliani sowie die offiziell nicht für ihn arbeitende Sidney Powell klagen stattdessen die Gerichte voll, um das Wahlergebnis nachträglich zu ändern. Powells Theorie zu der Wahl lautet: Die Demokraten haben eine Software benutzt, um Trump Millionen Stimmen zu klauen, die CIA und das FBI waren darüber eingeweiht, dieselbe Software wurde bereits in Venezuela benutzt und Hillary Clinton gewann mit ihr 2016 die Vorwahl der Demokraten gegen Bernie Sanders, der später mit Geld zum Schweigen gebracht wurde.

Das ist so lächerlich, dass jeder Mensch mit einem gesunden Verstand es als eine unterhaltsame Märchenstunde abtun kann (*Anm.: Am Ende dieses Beitrags folgt eine Widerlegung der größten Lügen über die Wahl). Doch Trump hat es geschafft, seine Anhänger glauben zu lassen, dass die USA eine Bananenrepublik sind, in der solche Dinge tatsächlich stattfinden. Die amerikanischen Behörden sollen gemeinsam mit den Demokraten Hochverrat begangen haben. Mit dem Slogan „Release the Kraken“ feiern sie Powells Klagen und damit ihre Hoffnung, dass sie die Jahrhundert-Verschwörung aufdecken wird. Es ist ein würdeloser Abschied eines Präsidenten. Den Rest des Beitrags lesen »

Der Untergang

November 1, 2020
Löst der Neoliberalismus Schiffsunglücke aus?

Das Ende ist nah

Es gibt keine rationale Begründung für den neuen Lockdown:

– Es droht keine Überlastung des Gesundheitssystems. Bei der ersten Welle stiegen die Infiziertenzahlen und die Hospitalisationszahlen gleichermaßen, diesmal steigen aber nur die Infiziertenzahlen, die Hospitalisationszahlen bleiben gering. Das könnte darauf hindeuten, dass wir auf dem Weg in Richtung Herdenimmunität sind, und das wäre eine gute Sache. Aber selbst wenn es noch länger dauern sollte, bis die Herdenimmunität kommt, ist bis dahin das Gesundheitssystem nicht überlastet, es gibt also keine Not.

– Wir wissen nicht, wo die meisten Neuinfektionen geschehen. Dass Schulen und Kitas diesmal nicht geschlossen werden, dient ausschließlich der Entlastung von Eltern, während Gastronomie, Hotellerie und Kultur nicht dieses Glück haben. So verständlich diese Entscheidung klingen mag, sie macht epidemiologisch keinen Sinn, wenn das Virus sich theoretisch überall verbreiten kann. Mit dem heutigen (unvollständigem) Wissen sind die einzig bewährten Methoden, Großveranstaltungen zu verbieten und Risikogruppen stärker zu schützen.

– Selbst wenn der Lockdown die Infektionszahlen senken könnte, kann man den Lockdown nicht unabhängig von den ökonomischen und psychologischen Folgen sehen, die er mitbringt. Die Zerstörung von ganzen Branchen und die Zunahme an Depressionen und Selbstmorden aufgrund der andauernden Isolation sind Kosten, die durchaus schlimmer sein werden als die potenziell erhöhten Sterberaten durch eine zweite Welle ohne einen Lockdown.

Es scheint, dass es diesmal mehr Widerstand gegen den neuen Lockdown geben wird als beim ersten Mal. Mal sehen, ob es diesmal rationalere Stimmen sein und ob sie Erfolg haben werden. Ein erneut lang anhaltender Lockdown wäre eine ungeheuerliche Tragödie.

Über die Cancel Culture

Oktober 9, 2020

Konformität als gesellschaftliches Ziel

Wer eine andere Meinung vertritt, wird gekündigt, boykottiert und beschämt. Es wird immer gefährlicher, eine nicht-konforme Meinung zu äußern, die Meinungsvielfalt stirbt langsam aus. Für die Zukunft droht eine Meinungsdiktatur, mit der Folge, dass die Freiheit des Gedankens in der Öffentlichkeit nicht mehr existiert und kein Querdenker mehr eine Karriere machen können wird. Solche Ängste hatten die Rechten schon in den 1970ern. Der heutige Name für dieses Phänomen ist „Cancel Culture.“ Viel anders als damals ist die Lage aber nicht. Ist die Gefahr eines neuen Totalitarismus heute wirklich größer als damals?

Einen Menschen (ohne Vertragsbruch) zu kündigen ist Teil der Vertragsfreiheit, einen Menschen zu boykottieren ist Teil der Vereinigungsfreiheit, einen Menschen (durch Meinungsäußerungen) zu beschämen ist Teil der Meinungsfreiheit. Nichts davon ist totalitär. Ich lehne die Cancel Culture ab, weil ich sie für unangemessen halte – man kann mit Menschen mit konträren Ansichten interagieren, ohne sie alle „bekehren“ zu wollen oder sie zu beschämen. Respektvoller Dissens ist möglich, falls politische Ansichten (in Beruf, Familie, Freunden, etc.) überhaupt zum Thema werden. Aber die Leute, die die Cancel Culture für einen neuen Totalitarismus halten, sind auf dem Irrweg.

Cancel Culture existiert mit anderen Namen bei allen Gruppen und in allen Ländern der Welt. In den westlichen Ländern dominieren die Linken den öffentlichen Diskurs, deshalb ist die Cancel Culture überwiegend links. Wenn die Rechten den öffentlichen Diskurs dominieren würden, gäbe es eine rechte Cancel Culture. „Unpatriotisch“ wäre das neue „rassistisch“, und jeder, der sich „unpatriotisch“ äußern würde, würde gecancelt. Wenn Liberale den öffentlichen Diskurs dominieren würden (unmöglich, ich weiß), würde jeder, der für höhere Steuern ist, gecancelt werden. Es gibt keinen Weg, die Cancel Culture zu umgehen. Den Rest des Beitrags lesen »

Der Frieden bricht aus!

September 20, 2020

Here to stay

Es sind historische Zeiten im Nahen Osten. Die Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrain haben die Existenz Israels anerkannt, und andere Staaten am Persischen Golf (Kuwait, Oman, Saudi-Arabien) könnten bald folgen. Während man dies in Israel und den USA als historisch feiert, hält sich die EU mit Gratulationen zurück, da man offenbar nicht an der Einigung beteiligt war, deshalb überrascht ist und man sich generell schwertut, Israel zu loben. Aber damit macht die EU letztlich ihre Irrelevanz deutlich – niemand mit Verstand zweifelt an der historischen Dimension dieser Einigung und ihrer positiven Auswirkungen für die Region.

Verantwortlich für diesen Erfolg ist nicht Donald Trump, der folglich auch nicht den Friedensnobelpreis verdient, und auch nicht Jared Kushner, der mitgeholfen hat, den Deal einzufädeln. Verantwortlich für den historischen Schritt sind die Vertreter der beteiligten Länder: Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, der Außenminister der VAE, Abdullah bin Zayid Al Nahyan, und Bahrains Außenminister Abdullatif bin Raschid al-Sajani. Sie sind es, die den Friedensnobelpreis verdient hätten (falls man noch etwas auf diesen Preis gibt, nach all den fragwürdigen Entscheidungen der Vergangenheit).

Aber die Einigung erfolgte nicht nur aus der Einsicht der VAE und Bahrain, dass Israel ein Existenzrecht hat, sondern auch aus reinen machtpolitischen Gründen. Die Staaten am Persischen Golf fühlen sich durch den Iran bedroht und sehen Israel mit all seiner technologischen und wirtschaftlichen Stärke als einen potenziell wertvollen Verbündeten. Insofern hat der Iran mit seiner aggressiven Politik die arabischen Staaten näher an Israel herangerückt und sich selbst weiter isoliert. Auch das letztlich wertlose Abkommen zwischen dem Iran und der USA hat sicher dazu beigetragen, dass die Golfstaaten sich näher an Israel wandten. Eine realpolitische Ironie. Den Rest des Beitrags lesen »

Schock für Republikaner: Wahlprognosen für Trump so schlimm wie 2016

Juli 16, 2020

Es sieht für ihn so düster aus wie … 2016

Der schlimmste Präsident aller Zeiten – das ist in der Regel der letzte amtierende Präsident der Partei, der man nicht zugehört. Für Republikaner ist es Obama, für Demokraten war es früher George W. Bush und ab 2017 Trump. Da spielt es auch keine Rolle, dass es vor der Corona-Krise Vollbeschäftigung gab und Trump keine endlosen Kriege gestartet hat. Es reichte es, dass er sich bei Twitter abfällig über seine Gegner äußerte. Nun sind die USA vom Coronavirus erfasst worden und erlebten die schwersten Unruhen seit den 1990ern. Für seine Gegner steht damit klar: Nicht nur ist er der schlimmste Präsident aller Zeiten, er hat auch keine Chance mehr auf eine Wiederwahl.

In den Umfragen wird dieses Gefühl bestätigt: Biden steht überall klar vor Trump. Der Don ist am Ende, und er kann nur mit teuflischen Tricks noch nach 2021 an der Macht bleiben. Nicht nur in den USA, auch im Ausland sieht man das so. In der Talkshow „Markus Lanz“ behauptete die offenbar als Amerika-Expertin eingeladene Sandra Navidi, dass Trump die Strategie fahren könnte, möglichst viele Wahlauftritte vor großen Massen abzuhalten, um die Corona-Infiziertenzahlen zu erhöhen und damit einen Grund zu haben, die Wahlen zu verschieben. Andere befürchten gar, er könnte sich nach seiner Niederlage einfach weigern, das Amt zu verlassen (bzw. eine Diktatur ausrufen).

Wie peinlich wäre es für sie, wenn Trump am Ende einfach wieder durch den Electoral Vote an der Macht bleibt … und doch könnte es so kommen. Trump ist nicht am Ende. Es gibt gute Gründe, ihn nicht abzuschreiben. Was seine Gegner nicht bemerken: Die Wirtschaft beginnt sich langsam zu erholen, und zwar Richtung Vorkrisen-Niveau; die Black Lives Matter-Proteste und Plünderungen sind abgeflacht und bleiben in Erinnerung als größtes Virtue Signaling-Event der Geschichte und mehr nicht; und Joe Biden könnte bis November vergessen haben, dass er als Präsident kandidiert. So gesehen spricht derzeit noch vieles für den Don. Den Rest des Beitrags lesen »

Corona-Lektionen (4): Die Festspiele der Systemkritiker

Mai 11, 2020
kl

Es ist mal wieder Zeit, unsere gesamte Lebensweise zu verdammen

Ich bin nicht überrascht, dass es so gekommen ist. Jede größere, kleinere oder auch gar keine Krise löst es aus: Die Kritik an „unserer Art zu leben.“ Zwar hat jede politische Ausrichtung ihre eigene ideologische Kritik an der Gesellschaft, aber in unserem polit-medialen Betrieb dominiert eindeutig die Systemkritik von Linken und Grünen. Von Bundestrainer Joachim Löw und Papst Franziskus bis zu herausragenden Intellektuellen wie Madonna und Robert DeNiro: Alle kritisieren unser System und fordern ein Umdenken.

Reine Profitgier und Hoffen auf ewiges Wachstum ohne Rücksicht auf Umweltzerstörung, wachsender Ungleichheit, schlechten Arbeitsbedingungen und Transgender-Rechten kann kein Modell für die Zukunft sein. Und aus irgendeinem Grund ist die Corona-Krise ein guter Moment, um noch offensiver mit dieser Kritik rauszurücken. Mir sind vor allem drei Kritikpunkte in Zeitungskommentaren, TV-Ausschnitten und Politiker-Reden aufgefallen:

– „Der Virus wurde nur möglich, weil der Mensch sich immer weiter in der Natur ausbreitet.
– „Die am schlechtesten vorbereiteten Länder haben alle eine neoliberale Wirtschafts- und Sozialpolitik.
– „Die Schutzmaßnahmen wurden durch die Ignoranz von rechtspopulistische Regierungen erschwert.

An diesen Punkten ist nicht wenig richtig. Sondern gar nichts. Im Folgenden werde ich auf die drei Punkte eingehen und erklären, warum die aktuellen Festspiele der links-grünen Systemkritiker völlig unbegründet sind.

1. „Der Virus wurde nur möglich, weil der Mensch sich immer weiter in der Natur ausbreitet.“

Das Argument: „Der Mensch rodet Wälder, zerstört die Lebensgrundlagen von unzähligen Tierarten und lässt sich in den zerstörten Gegenden nieder, indem er dort Agrarflächen errichtet. Tödliche Viren gehen von der Natur auf die Tiere und von dort auf Bauernhöfe und von dort auf Schlachthöfe und von dort auf menschliche Körper über, die anschließend eine Pandemie auslösen. Wenn der Mensch die Natur in Ruhe lassen würde, würden die Viren den Menschen erst gar nicht erreichen können.“

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Corona-Lektionen (3): Über Wucherpreise in Katastrophenzeiten

April 11, 2020

Die Glock unter den Schutzmasken: Die FFP3-Atemschutzmaske

Wie können sie es wagen? Haben sie gar kein Gewissen? Das ist die Reaktion der meisten Menschen auf jene, die in Zeiten der Corona-Krise mit dem Verkauf von überteuerter Schutzausrüstung, insbesondere Atemschutzmasken, Geld verdienen. Der irische Gesundheitsminister Simon Harris sagte, es gäbe einen „besonderen Platz in der Hölle für die, die mit dieser globalen Pandemie schnelles Geld verdienen wollen.“ Vielfach bleibt es nicht bei Empörung. In vielen Ländern, darunter auch Deutschland, wurde der Export von Atemschutzmasken komplett verboten, in Frankreich hat der Staat alle Atemschutzmasken beschlagnahmt (der Schwarzmarkt lacht natürlich darüber).

Ich weiß, was die Gedanken hinter solchen Maßnahmen sind: In Katastrophenzeiten sollte jeder das Recht auf Zugang zu lebensnotwendigen Gütern haben, egal welches Einkommen er hat. Und selbst wenn sich jeder Atemschutzmasken für 10 Euro statt 80 Cent leisten kann, wirkt so eine Preiserhöhung unethisch. Aus demselben Grund ist es in einigen Gegenden der USA verboten, nach einem Hurrikan Wasser oder Benzin zu überteuerten Preisen zu verkaufen. Ein Großteil der Bevölkerung denkt sicher: Am besten sollte der Staat während einer Katastrophe alle lebensnotwenigen Güter kostenlos bereitstellen, damit jeder versorgt wird. Aber das ist zu kurz gedacht – besser gesagt: falsch.

Zuerst sollten wir uns klarmachen, warum Schutzausrüstung momentan so teuer ist. Das ist ganz einfach: Es gibt derzeit eine Knappheit an diesen Gütern. Das bedeutet logischerweise, dass der Preis für diese Güter um das Vielfache steigt (Angebot und Nachfrage). Soweit, so verständlich. Die Menschen, die Wucherpreise für Schutzausrüstung dennoch verbieten wollen, werden jetzt einwenden: Der Preis mag durch die Knappheit erklärbar sein, aber diese Güter sind momentan so wichtig, dass es nicht wichtig ist, mit ihrem Verkauf Gewinne zu erwirtschaften, sowie private Produzenten es wollen, sondern sie ohne Gedanken an Kosten und Gewinn so schnell wie möglich für die ganze Bevölkerung bereitzustellen – und das kann nur der Staat. Den Rest des Beitrags lesen »

Corona-Lektionen (2): Wahrscheinlichkeitstheorie und das Dilemma von Black Swan Events

März 25, 2020

Aus den Zeiten der Spanischen Grippe

Man stelle sich folgendes Szenario vor: Eine Gruppe von Astronomen aus den USA behauptet, einen Asteroiden entdeckt zu haben, der in drei Monaten mit 99%-iger Wahrscheinlichkeit auf die Erde einschlagen wird. An dessen Folgen (Flutwellen, jahrelange Dürren mit Ernteausfällen) könnten Millionen Menschen sterben. Die Mehrheit der Astronomen stimmt den amerikanischen Astronomen zu, während einige wenige den Asteroiden als „nicht gefährlicher als andere“ abstempeln. Um den Einschlag zu verhindern, hilft nur der Bau von Raumsonden, die mit bestimmten Manövern den Asteroiden auf eine andere Bahn lenken, damit er die Erde verfehlt. Die Kosten für den Bau dieser Raumsonden liegen bei etwa 20 Billionen Dollar.

In diesem Fall wäre es anscheinend sehr vernünftig, die Welt auf Pause zu setzen und alle möglichen Ressourcen – inklusive der menschlichen Arbeitskräfte – zum Bau der Raumsonden zu verwenden, die den Asteroiden aus seiner Bahn lenken. Aber es gäbe trotzdem massive Kritik daran, denn innerhalb von drei Monaten müsste man einen Großteil der Ressourcen von vielen Volkswirtschaften radikal umstellen. Viele Branchen müssten ihr ganzes Material abgeben, damit es zum Bau der Raumsonden verwendet wird, und würden damit in den Bankrott getrieben. Zusätzlich dazu müsste eine saftige Asteroiden-Abgabe eingeführt werden. Menschen, die sich den Maßnahmen widersetzen, müsste man mit der Staatsgewalt begegnen.

Wären die Anstrengungen es dennoch wert? Nun … „das hängt davon ab“, um es ökonomisch auszudrücken. Viele Variablen müssten zutreffen. Die amerikanischen Astronomen müssten mit ihrer 99%-igen Wahrscheinlichkeit Recht haben. Die Forscher, die die dramatischen Folgen prophezeien, müssten Recht haben. Vor allem aber: Die Forscher, die nach Abwehrmöglichkeiten gegen den Asteroiden suchen, müssten Recht haben, dass der Bau der Raumsonden der einzige Weg wäre, den Asteroiden von der Erde zu lenken und dass diese Maßnahme nicht mehr negative Folgen (Weltwirtschaftskrise, Versorgungsengpässe, Millionen Tote) hat als den Asteroiden einschlagen zu lassen und sich bestmöglich auf die Folgen einzustellen. Den Rest des Beitrags lesen »

Corona-Lektionen: Freiheit und Despotie vs. Good Governance und Bad Governance

März 19, 2020

Braucht es eine Diktatur gegen die Ausbreitung des Coronavirus?

Noch immer gibt es Leute, die das Coronavirus als „nicht schlimmer als eine Grippe“ bezeichnen, doch ihre Zahl wird immer kleiner. Unabhängig davon hat COVID-19, so die formaljuristische Bezeichnung, innerhalb kürzester Zeit alle wichtigen Themen – Greta, Flüchtlinge, Trump, Fußball – aus den Medien verdrängt (letzteres hat bei mit zu leichten Entzugserscheinungen geführt). Geschlossene Grenzen, Wirtschaft heruntergefahren, Ausgangssperren – die Welt ist nicht mehr dieselbe wie vor einigen Monaten. Die Folgen dieser Entscheidungen werden uns noch Jahre begleiten. Aber einige Lektionen können wir schon heute aus ihnen schließen.

Das Land, das den Ausbruch des Coronavirus anscheinend am besten gemeistert hat, ist China. Die Zahl der offiziell gemeldeten Neuinfektionen und der Todesfälle ist mittlerweile kaum noch relevant. Auch wenn die echten Zahlen größer sein mögen, ist China heute näher an der Rückkehr zur Normalität als am Ausnahmezustand. In Europa dagegen ist man derzeit von einem Rückgang der Neuinfektionen und Todesfälle sowie der Aufhebung der radikalen Maßnahmen zur Bekämpfung der Ausbreitung des Virus weit entfernt. Daran wird sich in den nächsten Wochen kaum etwas ändern: Den Höhepunkt der Krise haben wir gemäß der Mehrheit der Virologen noch vor uns.

Eine Frage tut sich da auf: Kann es sein, dass China aufgrund seines autoritären Systems erfolgreicher bei der Bekämpfung des Coronavirus war als Europa mit seinen Bürgerrechten und der Demokratie? Ist das westliche Modell bei der Bekämpfung von Pandemien im Nachteil gegenüber dem chinesischen Modell? Diese Lesart hat sich bei vielen klammheimlich durchgesetzt. Vor allem bei denen in Europa, die noch härtere Maßnahmen beim Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus fordern. Momentan geht es in Europa schon so totalitär zu wie noch nie seit 1945. Können wir noch mehr ertragen? Bevor man sich eine vorübergehende Diktatur wünscht, sollte man die wahren Ergebnisse sehen, die die Diktaturen in der Corona-Pandemie liefern. Den Rest des Beitrags lesen »