Es gibt viele gute Gründe, die geplante russische Annexion der Krim zu kritisieren. Dass es gegen das Völkerrecht verstößt, gehört nicht dazu. Das Völkerrecht hat in der Vergangenheit die wenigsten interessiert und wird es auch in Zukunft nicht tun. Es ist heuchlerisch, so zu tun, als würde Putins Annexion einen „Dammbruch“ darstellen. Schröder hat es nicht interessiert, ob die Intervention im Kosovo mit dem Völkerrecht vereinbar ist. Bush hat es nicht interessiert, ob der Krieg gegen den Irak mit dem Völkerrecht vereinbar ist.
Manchmal ist es auch gar nicht schlecht, wenn man das Völkerrecht ignoriert. Denn wenn wir vom Völkerrecht reden, meinen wir damit oft Resolutionen, die von diktatorischen Staaten festgelegt werden, was kein Wunder ist, da die Institutionen, die über das Völkerrecht wachen (z.B. die UNO), nicht selten von diktatorischen Staaten besetzt sind. Völkerrechtlich betrachtet haben die Palästinenser ein Rückkehrrecht nach Israel, während die Schlesier keinen Anspruch auf eine Rückkehr nach Polen haben.
Das Völkerrecht ist ziemlich willkürlich. Es ist deshalb meistens nicht zuverlässig, sich auf das Völkerrecht zu berufen. Der größte Fehler ist es aber, das Völkerrecht über die Menschenrechte zu stellen. So berufen sich Diktatoren gerne auf die territoriale Souveränität, um ihre Bevölkerung abzuschlachten – und haben damit oft sogar Recht, da das Völkerrecht nicht die Beziehungen zwischen Regierung und Volk regelt. Oder man denke nur an die Kritik an der Tötung Osama bin Ladens, weil es die territoriale Souveränität Pakistans verletze. (more…)