Die unglaubliche Geschichte einer Moschee in Deutschland

Ein Bericht bei „Titel, Thesen, Temperamente“ über die Freimann-Moschee in München:

Viele ahnungslose Einwohner sind wohl einfach so vorbeigefahren und haben nie was Verdächtiges bemerkt. Kein Wunder, die Freimann-Moschee in München befindet sich an einem ziemlich ruhigen Ort. Und doch war diese Moschee alles andere als gewöhnlich. Hier spielte sich eine unglaubliche Geschichte ab, die selbst für einen phantasievollen Krimiautor zu viel des Guten wäre. Alles ist vorhanden- Hitler, die CIA, Gaddafi und die Muslimbrüder.

Die Freimann-Moschee war jahrzehntelang ein Stützpunkt des Islamismus in der ganzen Welt. Die Autoren Ian Johnson und Stefan Meining haben letztes Jahr ihre Geschichte nachgeforscht. Sie führt uns bis in die Anfangszeit des Islams in Deutschland. Meining äußert: „Hier laufen nicht nur die Fäden der deutschen Kriegs- und Nachkriegsgeschichte zusammen, sondern auch der Weltgeschichte“. Johnson nennt sie die „vierte Moschee“- neben der Großen Moschee in Mekka, dem Felsendom in Jerusalem und der Blauen Moschee Istanbul. Auf jeden Fall war sie bis vor einigen Jahren einer der wichtigsten Moscheen der Welt.

Die Nazis und der Islam

Die Nazis sahen in dem Islam einen potenziellen Verbündeten im Kampf gegen den Bolschewismus und dem internationalen Finanzjudentum. Nach der Machtergreifung begannen sie, die damals einzige deutsche Moschee in Berlin für ihre Propagandazwecke zu instrumentalisieren. Sie kooperierten mit dem palästinensischen Großmufti al-Husseini, der für die Nazis antisemitische Propaganda in der muslimischen Welt betrieb und in Bosnien an der Aufstellung einer eigenen Legion beteiligt war. Nach dem Überfall auf die Sowjetunion machte die deutsche Wehrmacht Millionen sowjetische Kriegsgefangene. Zehntausende Muslime aus Zentralasien und dem Kaukasus fallen in die Hände der Nazis.

Gerhard von Mende, ein Rassentheoretiker in Diensten der NSDAP, kam auf die Idee, diese Muslime für den Kampf gegen die Sowjetunion zu rekrutieren. Der Plan ging auf: Muslime dienten in den sogenannten „Ostlegionen“ und anderen Verbänden, oft gezwungen oder um den Bedingungen in den Kriegsgefangenenlagern zu entkommen. Viele unter ihnen begangen Kriegsverbrechen und konnten deshalb nicht mehr in ihre Heimatländer zurückkehren. von Mende wurde von den Alliierten und der BRD wie viele andere Ex-Nazis verschont und begann einige Jahre nach dem Ende des Dritten Reichs, seine alte Betätigung wieder aufzunehmen. Er entwickelt den Plan, in München, wo sich viele Ostlegionäre niedergelassen hatten, eine Moschee als Verbindung zur islamischen Welt zu schaffen. Von dort aus sollten sie den Kampf gegen die Sowjetunion unterstützen.

Wie die CIA Islamisten nach München brachte

Nicht nur von Mende, auch der BND und die CIA verfolgen diesen Plan. Unter dem Deckmantel von Radio Free Europe arbeiteten CIA-Agenten daran, die Muslimbruderschaft in Europa anzusiedeln. Ihr Aktivist Said Ramadan wird damit beauftragt, die Moschee in München zum Zentrum eines Netzwerks der Muslimbrüder machen. Er wird sogar nach Washington eingeladen. Im Dezember 1958 kommt es in der Münchner St. Pauls-Kirche zum Showdown zwischen der BND und der CIA, wer die Kontrolle über die Münchner Moschee bekommt.

„Die Muslimbruderschaft hat die Moscheebau-Kommission in einer dramatischen Art übernommen“, sagt Ian Johnson. „Said Ramadan ist von Genf nach München geflogen, ist zur Kommission gegangen und hat 2.000 Mark auf den Tisch gelegt.“ Die Amerikaner kamen auch zu der Ansicht, dass die ehemaligen „Nazi-Muslime“, über die in den sowjetischen Medien immer wieder berichtet wurde, keine glaubwürdigen Vertreter des Islams wären, und bevorzugten deshalb die Muslimbrüder. Es dauert allerdings noch 15 Jahre, bis der Bau fertig ist. Immer wieder fehlt Geld, die deutschen Behörden stellen sich quer, bis 1973 kein anderer als der libysche Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi einspringt, um die Fertigstellung der Moschee zu finanzieren.

Von da an wird die Münchner Moschee für Jahrzehnte zum Brückenkopf radikaler Islamisten im Westen. „Wenn wir heute auf die islamischen Strukturen in Europa schauen, dann muss man feststellen, dass das die Ergebnisse sind von Ideen, die Anfang der 60er-Jahre auch in München gedacht und in die Tat umgesetzt worden“, sagt Meining. In der islamischen Welt weiß man übrigens längst, welche Bedeutung die Moschee in München hat (deswegen der Name „vierte Moschee“). Mahdy Akef, der bis 2010 die Bruderschaft angeführt hatte, war von 1984 bis 1987 Oberimam in Freimann.

Die Muslimbrüder waren so dominant, dass sie die türkischen Migranten aus der Organisationsebene ausschließen konnten. Der politische Islam kam also nicht mit den Gastarbeitern, sondern mit den von der CIA angeheuerten Waffenbrüdern aus der Zeit des Kalten Kriegs nach Europa. Es ist natürlich davon auszugehen, dass die CIA nicht um die Tragweite ihrer Handlungen im Klaren war. Damals zerbrach sich die CIA den Kopf um Vietnam, der BND war mit der RAF beschäftigt. Wer waren da schon die Muslimbrüder?

Terrorplaner in München

Das anfänglich unrealistisch und langsam vorangehende Projekt der CIA begann irgendwann, sich zu verselbständigen. Die Moschee wurde zum sicheren Rückzugsgebiet und zur Drehscheibe der Muslimbrüder, von der aus sie ungestört planen und andere Länder infiltrieren konnten. Es gab kaum eine islamistische Organisation, die nicht Vertreter in München hatte. Die palästinensische Hamas, die Islamische Heilsfront (Algerien) und al-Dschama al-Islamija (Ägypten) hatten alle Mitglieder, die sich in München niederließen.

Die CIA musste bald die Lektion lernen, dass sich Menschen nicht so einfach benutzen lassen, wie Geheimagenten es vorsehen. Mahmoud Abuhalima, einer der Drahtzieher des ersten Anschlags auf das World Trade Center am 26.Februar 1993, war ein Stammgast der Freimann-Moschee. Kurz bevor er nach New York flog, bat er, wie Ian Johnson schreibt, um geistlichen Beistand beim Imam Ahmed al-Khalifa. Er wird später zu 240 Jahren Haft verurteilt. Die Moschee hatte ihre Unschuld verloren. Von da an geriet sie immer wieder in die Schlagzeilen.

Mehrfach war die Moschee in den vergangenen Jahren Ziel polizeilicher Razzien und Ermittlungen wegen vermuteter islamistischer Aktivitäten. Im Jahr 1998 wurde ein al-Qaida-Finanzier in Freimann verhaftet, nachdem das FBI das BKA um Hilfe gebeten hatte. Die Recherchen ergaben, dass der Mann auch Kontakte zur Hamburger al-Quds-Moschee hatte- wo niemand geringeres als Mohammed Atta verkehrte. Einer der engsten Mitarbeiter Osama bin Ladens, Mamdouh Mahmoud Salim (genannt Abu Hadscher), suchte ebenfalls nach geistlichen Beistand bei Khalifa.

Khalifa hat auf mehrere Interview-Anfragen nicht reagiert. Heute hat die Moschee, die inzwischen auf den Namen „Islamisches Zentrum München“ hört, aber ihre Vorreiterrolle weitgehend verloren. Jahrzehntelang ahnte niemand, dass hier die Interessen von Geheimdiensten, Machtpolitik und Terrorismus zusammenliefen, die bis heute Auswirkungen auf das Weltgeschehen haben. Dreimal wurde von hier aus, der „viertwichtigsten Moschee der Welt“, nicht erfolglos versucht, den Islam für politische Zwecke zu instrumentalisieren- von den Nazis, der CIA und den Muslimbrüdern. Eine beängstigende, aber auch faszinierende Geschichte.

3 Antworten to “Die unglaubliche Geschichte einer Moschee in Deutschland”

  1. aron2201sperber Says:

    ich lese auch gerade das Buch von Meining und hatte auch vor, darüber zu schreiben.

    eine absolute Pflichtlektüre.

    den einzigen Vorwurf, den man dem Autor machen kann, ist, dass er teilweise zu reißerische wertende Überschriften formuliert, die er dann oft selbst widerlegt.

  2. quarksalber Says:

    Hier ist ein sehenswerter Film über die Muslimbruderschaft in Europa. Unglaublich wie die sich die Zukunft Europas vorstellen.

  3. مِـن جامِــع ميونيــخ إلى جامِــع طرطوس… | فيريـل | Firil Says:

    […] لَكَاذِبُونَ{ التوبة (107).د.جميل م. شاهين 10.06.2015 https://arprin.wordpress.com/2012/01/02/die-unglaubliche-geschichte-einer-moschee-in-deutschland/ […]

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