Kulturalismus und Einwanderungskritik

Einwanderer in Ellis Island, 1902. Der enorme Zuzug von Migranten trug maßgeblich zur wachsenden Stärke der USA bei

Einwanderer in Ellis Island, 1902

Es gibt viele Gründe, die gegen Einwanderung angeführt werden. Die zwei meistgenannten Gründe sind, dass viele Einwanderer auf Kosten anderer leben oder sich nicht an die Gesetze des Landes halten. Um diese Probleme zu bekämpfen, wären Gesetze hilfreich, die den Sozialstaat (sowohl für Einheimische als auch für Einwanderer) beschränken und Kriminalität härter bestrafen. Damit könnte sowohl die Einwanderung in den Sozialstaat als auch die kriminellen Familienclans verhindert werden, da die Anreize wegfallen würden. Solange Einwanderer keine wirtschaftliche Belastung für die einheimische Bevölkerung darstellen und nicht durch hohe Kriminalitätsraten auffallen, hat die Gesellschaft kein Problem mit ihnen.

In einigen Kreisen werden zusätzlich kulturelle Gründe angeführt, um gegen Einwanderung zu plädieren: Die Kultur der muslimischen Migranten passt nicht in die „christlich-jüdische“ Kultur des Abendlandes. Der Westen ist ohne Zweifel der Kulturkreis, in der bürgerliche Freiheiten am besten geschützt sind, während die islamische Welt hier am rückständigsten ist. Aber die Gleichsetzung von „Westen“ und „Freiheit“ ist irreführend. Die westliche Kultur besteht historisch nicht nur aus dem Liberalismus, sie hat auch Nationalismus, Sozialismus und Antisemitismus hervorgebracht. Wenn man von der „christlich-jüdischen“ Kultur spricht, kann man nicht nur von der einen Seite sprechen und die andere ignorieren.

Eine Umfrage aus jüngerer Zeit gab an, dass 20% der Türken antisemitische Einstellungen haben. Im Grunde haben sie sich damit an die deutsche Mehrheitsgesellschaft angepasst. Statt sich auf kulturelle Gründe zu berufen, sollte man sich auf die Werte des Liberalismus (Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit, Gleichberechtigung von Mann und Frau) berufen, die nicht auf einzelne Kulturen begrenzt sind, sondern universelle Werte darstellen. Sollten die Muslime eines Tages die Mehrheit der deutschen Bevölkerung bilden, wäre das nur dann ein Problem, wenn die Freiheiten, die der Liberalismus in den letzten Jahrhunderten errungen hat, abgeschafft wären.

In linken Kreisen hört man oft die Behauptung, dass Einwanderer, wenn sie nicht vom Sozialstaat leben, für mehr Arbeitslosigkeit bei der einheimischen Bevölkerung sorgen. In Wirklichkeit bedeuten Einwanderer einen Zuwachs von Arbeitskräften und Konsumenten, was wiederum zu einem Anwachsen des Marktes führt. Außerdem stellt das „Recht auf Arbeit“ keinen individuellen Anspruch auf einen Arbeitsplatz dar, sondern das Recht auf einen Schutz vor unverschuldeter Arbeitslosigkeit. Wer sich zu schade ist, für 7,50 Euro die Stunde zum Spargelstechen zu gehen, leidet nicht an „unverschuldeter Arbeitslosigkeit“.

Es gibt nicht nur kein Recht auf Arbeit, sondern auch kein „Recht“ auf den Erhalt einer Kultur. Die Muslime haben weder ein Recht, McDonalds-Filialen in ihren Ländern zu verbieten, noch haben die Europäer das Recht, Moscheebauten in Europa zu verbieten. „Amerikanisierung“ und „Islamisierung“ sind nicht automatisch ein Verbrechen. Die nationale Kultur ist kein fertiges Puzzle, das von Einwanderern übernommen werden muss. Sie ist dynamisch, veränderbar und vielfältig, und Einwanderer können die Kultur eines Landes bereichern oder gar erst formen, wie die Geschichte der USA gezeigt hat. Die deutsche Kultur war vor 100, 200 oder 300 Jahren ganz anders als heute- und sie wird sich in 100, 200 oder 300 Jahren auch stark verändern. Wer sind wir, die deutsche Kultur auf ewig festlegen zu wollen?

Es gibt nicht mal ein Recht darauf, Einwanderer fernzuhalten. Der Blogger Fjordman z.B. ist der Ansicht, dass es legitim sei, zu fordern, dass es Länder, Städte, Vorstädte oder Schulen „nur für Weiße“ geben soll. Die Bürger eines Landes können aber höchstens ihren Wohnraum oder private Grundstücke besitzen, nicht das ganze Land. In Deutschland gibt es Parallelgesellschaften von Japanern, Polen oder Italienern, die, da sie keine wirtschaftliche Belastung für die einheimische Bevölkerung darstellen und nicht durch hohe Kriminalitätsraten auffallen, für Einheimische kein Problem darstellen. Muslimische Parallelgesellschaften stellen dagegen häufig ein Problem dar, weil sie durch hohe Arbeitslosigkeit und Kriminalität auffallen (Berlin-Neukölln, Duisburg-Marxloh usw.).

Falls die Bevölkerung in Deutschland in 100 Jahren ethnisch nicht mehrheitlich deutsch sein wird, muss das nicht zwangsläufig bedeuten, dass Deutschland als Ganzes zerstört wird. Es spielt keine Rolle, welcher Ethnie ein Mensch angehört, sondern, welchem Land er sich im Inneren zugehörig fühlt. Im 19. und 20.Jahrhundert sind 7 Millionen Deutsche und 5 Millionen Iren in die USA eingewandert und haben damit die ethnische Zusammensetzung der USA zerstört, aber die USA bestehen immer noch (natürlich muss man aber auch nicht zwingend eine ethnische Durchmischung herbeiführen).

Zusammengefasst: Es gibt kein Recht auf Arbeit, kein Recht auf den Erhalt einer Kultur oder gar ein Recht darauf, ein ganzes Land zu besitzen, mit dem man gegen Einwanderung plädieren könnte. Die Einwohner eines Landes haben das Recht zu fordern, dass niemand auf ihre Kosten lebt und sich alle an die Gesetze des Landes halten (ob ein Einheimischer oder ein Einwanderer ist da eigentlich egal). Da die sozialen Rahmenbedingungen sich in den nächsten Jahren wohl kaum entscheidend ändern werden, wäre es für Deutschland besser, über eine restriktive Einwanderungspolitik nachzudenken. Ein „ethnic“ oder „racial“ Profiling ist aber nicht notwendig.

14 Antworten to “Kulturalismus und Einwanderungskritik”

  1. besucher Says:

    Es ist immer problematisch europäische Länder mit den USA zu vergleichen da die europäischen Länder und Völker nun einmal ein ganz anderes kulturelles Gedächtnis haben.

    Ich glaube allerdings dass Deutschland auch in 500 Jahren nicht mehrheitlich moslemisch sein wird. Warum sollte es auch?
    Schauen Sie sich die Personen und die jeweiligen Gründe für eine Konversion an. Es sind ausschließlich Freaks und/oder devote Persönlichkeiten die ihren Tagesablauf kruden Regeln und Befehlen unterordnen wollen.
    Andererseits könnte der Islam in 100 Jahren auch ganz anders aussehen. Falls es ihn dann überhaupt noch in der orthodoxen Sunna-Form gibt.

    • arprin Says:

      Ich glaube allerdings dass Deutschland auch in 500 Jahren nicht mehrheitlich moslemisch sein wird.

      Natürlich wird es das nicht. Diese Islamisierungsängste sind reine Panikmache:
      http://fullcomment.nationalpost.com/2012/08/29/book-excerpt-the-muslim-tide-that-wasnt/

      „By 2030, even without any decrease in immigration levels, the Muslim and non-Muslim birth rates will be statistically identical in Germany, Greece, Spain and Denmark, and within half a child of one another in Belgium, France, Italy and Sweden. Across the entire European continent, the difference will be only 0.4, down from 0.7 two decades earlier. And that difference will continue to shrink. At that rate, the continent’s Muslims and non-Muslims should have nearly identical fertility rates by 2050. (…)

      Deprived of any genuine facts suggesting an overwhelming Muslim baby boom, the more radical Muslim-tide proponents simply make them up. More than 13 million people have now viewed the YouTube video Muslim Demographics, which claims among other things that Germany will be a “Muslim state” by 2050. Every one of the video’s claims is untrue. It says that French Muslims have 8.1 children and ethnic-French families 1.8 (the figures are 2.8 and 1.9, respectively). It says that a quarter of the Belgian population is Muslim (it’s 6%), that the Netherlands will be half Muslim in 15 years (it will be 7.8% Muslim in 18 years) — and so on.

      For the core claims of Muslim Demographics to be true, Muslim immigrants in the West would need to have fertility rates far above the highest ever recorded in the world. As I’ve just shown, they’re nowhere close.“

      Andererseits könnte der Islam in 100 Jahren auch ganz anders aussehen.

      Hoffen wir es.

    • aron2201sperber Says:

      die Islamisierungsängste halte ich leider für sehr real.

      es handelt sich um einen überproportional wachsenden jungen Anteil der Bevölkerung.

      und er setzt sich aus Leuten zusammen, die oft islamistischer als die Durchschnittsbevölkerung in den Herkunftsländern ist.

      • arprin Says:

        Es ging mir nicht um die Einstellung der Leute, sondern um die Demografie. Die 15 Millionen Muslime in Westeuropa werden in den nächsten Jahrzehnten sicher nicht für eine muslimische Mehrheit sorgen. Die Geburtenraten gehen außerdem zurück, wie der Artikel bei National Post zeigt.

        Die kulturellen Probleme, die sich durch die fundamentalistischen Einstellungen von Muslimen ergeben, leugne ich gar nicht. Die gibt es ja schon heute.

  2. aron2201sperber Says:

    ich gebe dir zwar bei deinen Feststellungen zu den vermeintlichen Rechten (Arbeit, Erhalt der Kultur) völlig Recht

    allerdings gibt es grundsätzlich auch kein Recht auf unbeschränkte Zuwanderung.

    inwieweit man Zuwanderung zulässt, liegt in Demokratien beim Wählerwillen.

    wenn z.B. die Zuwanderung aus gewissen Ländern als weniger problematisch empfunden wird, ist es sehr wohl zulässig diese anders zu behandeln (z.B. indem man mit Kanada oder Japan Sonderabkommen abschließt)

    perverserweise wird jedoch ausgerechnet die Zuwanderung aus einem Land positiv diskriminiert, das von vielen Europäern gerade als besonders problematisch angesehen wird:

    Mit dem Kopftuch nach Österreich

    • arprin Says:

      Das mit der positiven Diskriminierung ist natürlich wirklich pervers.

      Aber es spielt doch letztlich kaum eine Rolle, wo die Einwanderer herkommen, wenn sie gezwungen wären, für sich selbst zu sorgen und nicht auf Kosten anderer zu leben. Eine anatolische Großfamilie, die seit Jahrzehnten in Deutschland lebt und keiner ehrlichen Arbeit nachgeht, wäre unter diesen Umständen unmöglich. Es würden nur arbeitswillige Leute kommen.

      Unter den aktuellen Umständen befürworte ich jedoch auch eine restriktive Einwanderungspolitik.

      • American Viewer Says:

        Aber es spielt doch letztlich kaum eine Rolle, wo die Einwanderer herkommen, wenn sie gezwungen wären, für sich selbst zu sorgen und nicht auf Kosten anderer zu leben.

        Und wie soll das gehen?

      • arprin Says:

        Das habe ich in dem Artikel doch gesagt:

        Um diese Probleme zu bekämpfen, wären Gesetze hilfreich, die den Sozialstaat (sowohl für Einheimische als auch für Einwanderer) beschränken. Damit könnte die Einwanderung in den Sozialstaat verhindert werden, da die Anreize wegfallen würden.

  3. American Viewer Says:

    Um diese Probleme zu bekämpfen, wären Gesetze hilfreich, die den Sozialstaat (sowohl für Einheimische als auch für Einwanderer) beschränken. Damit könnte die Einwanderung in den Sozialstaat verhindert werden, da die Anreize wegfallen würden.

    Schöner Traum. Nur wie soll das passieren? Selbst in Amerika fallen staatliche Zuschüsse nicht, sie steigen. Der Trend scheint unumkehrbar.

    http://online.wsj.com/article/SB10000872396390444914904577619671931313542.html?mod=WSJ_LifeStyle_Lifestyle_5

    • arprin Says:

      Auch das habe ich schon in dem Artikel bedacht:

      „Da die sozialen Rahmenbedingungen sich in den nächsten Jahren wohl kaum entscheidend ändern werden, wäre es für Deutschland besser, über eine restriktive Einwanderungspolitik nachzudenken.“

      Es ging in dem Artikel auch eher um die Theorie in einem idealen, liberalen Staat und nicht um die bittere Realität.

      • American Viewer Says:

        …wäre es für Deutschland besser, über eine restriktive Einwanderungspolitik nachzudenken.

        Ok auch hier geht es wohl eher um die gute Theorie.

        Weil eine nennenswerte Partei, die so etwas durchsetzen will, gibt es in DL nicht.

      • arprin Says:

        Ja, aber eine restriktive Einwanderungspolitik einzuführen ist leichter und realistischer als an dem heiligen Sozialstaat zu rütteln.

      • besucher Says:

        Ein Teil der Linken hat auch schon erkannt dass der heilige Sozialstaat nur erhalten werden kann wenn es eine restriktive Einwanderungspolitik gibt. Die zu verteilenden Kuchenstückchen würden ja ansonsten immer kleiner werden.

        Geäußert wird das jedenfalls nicht öffentlich, nur hinter vorgehaltener Hand.

  4. Neoliberaler Ellenbogenkrieger Says:

    Es muss nicht nur der Sozialstaat restlos verschwinden, Arbeit muss auch mindestens so billig wie Dreck werden – oder sogar negative Preise für den Arbeitgeber haben! Wenn das Humankapital dann zahlungsunfähig ist – an die Wand stellen, PLAMM! PLAMM! PLAMM! und ab in den Schredder damit! Nur ein toter Minderleister ist ein guter Minderleister! Geschreddert kann sich der Kadaver dann wenigstens noch als Rohmaterial für Humanprotein-Komprimat nützlich machen, der optimalen Kraftnahrung für härtest arbeitende Höchstleistungsträger mit 200-Stunden-Woche wie mich! Wäre auch gesünder, als sich ständig KZ-Kinderfleisch aus Nordkorea zu bestellen, wer weiß, vielleicht ist da in Wirklichkeit Hund oder Katze drin, igitt…

    Muahahahahahahahaha!

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