Andere Länder, andere Sitten?

Die Kaaba- Das größte Heiligtum der islamischen Welt

Land ohne Gewissen?

„Saudi-Arabien ist das absolute moralische Arschloch des Universums“, sagte Pat Condell in einem seiner Videos einmal treffend. In dem von Wahhabiten regierten Land herrscht der König absolutistisch, ohne Parteien, Parlament oder Verfassung, andere Religionen außer dem sunnitischen Islam dürfen nicht existieren, auf Hexerei steht die Todesstrafe, ja, sogar Kinos sind verboten. Im Westen wird die Diskriminierung der Frauen am stärksten wahrgenommen. Frauen müssen alle einen männlichen Vormund haben, in der Öffentlichkeit verschleiert sein und benutzen getrennte Räume, es herrscht eine Geschlechterapartheid.

Beim Weltwirtschaftsforum in Davos 2007 antwortete Bill Gates auf die Frage, wie er die wirtschaftlichen Zukunft Saudi-Arabiens sieht: „Well, if you’re not fully utilizing half the talent in the country, you’re not going to get too close to the top“. In unseren Zeiten scheint sich aber auch bei den Saudis einiges zu ändern. Die saudischen Frauen wehren sich immer stärker gegen das weltweit einmalige Verbot, Autos zu fahren. Der vorläufige Höhepunkt war eine Kampagne im Oktober, die jedoch von den saudischen Behörden gestoppt wurde. Eigentlich müssten alle damit zufrieden sein. Mehr Rechte für Frauen, mehr Freiheit, mehr Gleichberechtigung.

Doch dem ist nicht so. Im britischen Guardian wird das Fahrverbot mit den kulturellen Eigenheiten der saudischen Gesellschaft verteidigt:

People in Saudi Arabia have their own moral views and needs. What works in other societies may not fit in Saudi, and the reverse. In short, instead of launching campaigns to change the driving laws in the kingdom, the west should first ask Saudi women if they really want this or not, and western countries should accept the result, even if it’s not to their liking.

Diese Aussage ist gleich in doppelter Hinsicht infam: Der Autor Ahmed Abdel-Raheem fordert einerseits, die kulturellen Eigenheiten eines Landes über die Menschenrechte zu stellen. Menschenrechte werden aber nicht von der Kultur eines Landes eingeschränkt, es ist genau umgekehrt. Menschen werden freiwillig Mitglied eines Kulturkreises, ihre Rechte gelten universell. Zu diesen Rechten gehört die Religionsfreiheit, also eine Religion zu praktizieren, zu verlassen oder keiner anzugehören. Wer sich also nicht an irgendwelche religiösen Gebote halten will, hat das Recht dazu, egal, in welchem Land er lebt. Dazu braucht es auch kein „Recht auf Autofahren“.

Andererseits stellt Abdel-Raheem es so dar, als gäbe es nur die Möglichkeit zwischen einem Fahrverbot und einem Fahrzwang. Dies ist eine kollektivistische Argumentation, die nichts von individueller Freiheit zu wissen scheint: Wenn die Mehrheit der Frauen (angeblich) nicht fahren will, soll es keine dürfen. Eine andere Möglichkeit zieht Abdel-Raheem nicht in Betracht, aber natürlich gibt es sie: Jede Frau entscheidet selbst, ob sie fahren will oder nicht. Sicher wird es viele geben, die nicht fahren wollen, wahrscheinlich auch wegen den Schikanen männlicher Kollegen, wie Abdel-Raheem es darlegt. Wenn es nur Frau im gesamten Königreich gibt, die fahren will, muss sie das Recht dazu haben.

Ein Kommentator sah es ähnlich:

How nice of a man to tell us that Saudi women prefer not to drive.
That’s absolutely fine. Nobody was ever suggesting they should all be forced to drive.
It would be nice if they were given the choice though, don’t you think?

Immerhin wird in Saudi-Arabien nicht alles schlimmer. König Abdullah hat viele Reformen angestoßen, auch bei den Frauenrechten. So durften Frauen bei den Olympischen Spielen in London teilnehmen, Frauen wurden in den Shura-Rat, einem beratenden Gremium des Königs, aufgenommen, und ab dem Jahr 2015 sollen sie auch wählen dürfen (seit 2005 gibt es Kommunalwahlen). Der Film „Das Mädchen Wadjda“ ist der erste in Saudi-Arabien gedrehte Kinofilm und wurde ins Oscar-Rennen geschickt. Nach dem Tod des als reaktionär geltenden Prinzen Nayef besteht die Hoffnung, dass der neue Thronfolger die vorsichtige Öffnung fortsetzen wird. Noch gilt aber Pat Condells Spruch.

2 Antworten to “Andere Länder, andere Sitten?”

  1. bohu reri Says:

    Ich danke vielmals für Artikel !

    Herzlichen Gruss

    Bohumil Rericha

  2. Links der Woche | Freisinnige Zeitung Says:

    […] Jorge Arprin bei arprin: Andere Länder, andere Sitten? […]

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