Nachdem das Bundesverfassungsgericht die 3%-Sperrklausel für die Europawahlen aufgehoben hat, sind sich viele Experten einig: Das hilft nur den extremistischen Parteien. Diese Ansicht ist in Deutschland Konsens. Die Fünf-Prozent-Hürde für den Bundestag gilt als „Lehre aus Weimar“. Hitlers Aufstieg war nur möglich, weil der Reichstag durch die fehlende Hürde zu zersplittert war, und um so ein Szenario für unsere Zeit zu verhindern, brauchen wir die Sperrklausel, so heißt es.
Aber ist es wirklich so, dass die Fünf-Prozent-Hürde Hitlers Aufstieg hätte verhindern können? Definitiv nicht. Die NSDAP bekam bekanntlich mehr als 5% der Wählerstimmen. Bei der Reichstagswahl im Juli 1932 waren es satte 37,3% der Stimmen, was 230 Parlamentssitze bedeutete. Eine Sperrklausel von unter 40% hätte also rein gar nichts gebracht. Eine 5%-Sperrklausel hätte dazu geführt, dass die NSDAP mehr Sitze im Reichstag bekommen hätte, weil die kleineren Parteien ihre Sitze verloren hätten.
Ein anderes Argument lautet: Mit einer 5%-Sperrklausel wäre der Reichstag nicht so zerstritten gewesen, die Regierungsarbeit wäre einfacher gewesen und es hätte weniger Neuwahlen gegeben, was der NSDAP weniger Zustimmung gebracht hätte. Das ist aber auch nur wenig überzeugend, denn die großen politischen Parteien – SPD, KPD, Zentrum, NSDAP – waren damals eben heillos zerstritten, auch mit einer Hürde für kleinere Parteien wären die Koalitionsverhandlungen nicht einfacher geworden.
Die 5%-Sperrklausel wurde erst bei den zweiten Bundestagswahlen 1953 eingeführt. Sie war keine „Lehre aus Weimar“, sondern diente wahrscheinlich nur dazu, Adenauers CSU bei den Bundestagswahlen lästige Konkurrenz aus dem Weg zu schaffen. In unseren Zeiten hat die Hürde ebenfalls zum Ausschluss von lästiger Konkurrenz geführt. Bei den letzten Bundestagswahlen sind aufgrund der Sperrklausel 15% der Wählerstimmen, in absoluten Zahlen 6,8 Millionen, völlig nutzlos geworden.
Die Wahlen in Belgien zeigen, dass auch eine Hürde von 5% nicht in der Lage ist, ständige politische Krisen zu verhindern, während Israel, wo die Hürde bei 2% liegt, ein gutes Beispiel dafür ist, dass das Parlament auch ohne eine hohe Hürde beschlussfähig sein kann. Anstatt also den Wegfall der 3%-Sperrklausel zu kritisieren sollte man aufhören, Hitler für eine sinnlose politische Maßnahme heranzuziehen und lieber über die Aufhebung der 5%-Sperrklausel für den Bundestag diskutieren.
März 2, 2014 um 10:07 |
Sehr gut, arprin! Mich wundert es, wie die „Qualitätsjournalisten“ die Weimar-Drohkulisse immer wieder unrecherchiert aufbauen, ohne die Sperrklausel sachlich zu hinterfragen. Übrigens war der einzig vernünftige Kommentar ausgerechtnet auf ZEIT online zu lesen.
März 2, 2014 um 20:39 |
Danke für dein Lob!
Es ist wohl dieser Artikel gemeint:
http://www.zeit.de/politik/deutschland/2014-02/demokratie-braucht-keine-huerde/komplettansicht
März 2, 2014 um 20:41
Genau, war nur faul, ihm rauszusuchen. 😉
März 2, 2014 um 12:42 |
wenn eine Partei verfassungsfeindlich bzw. antidemokratisch ist, sollte sie von den Wahlen ausgeschlossen sein.
eine Prozenthürde nützt bei der Verhinderung von Extremismus hingegen gar nichts, wie hier völlig richtig dargelegt wurde.
März 2, 2014 um 20:37 |
Wäre der Ausschluss einer antidemokratischen Partei nicht antidemokratisch? 😉
März 2, 2014 um 22:15
nein, wer kein Demokrat ist, sollte nicht die Gelegenheit haben, durch Wahlen an die Macht zu kommen, um dann die Demokratie abzuschaffen.
das sollte man aus der deutschen Geschichte eigentlich gelernt haben 😉
März 2, 2014 um 15:14 |
Die Sperrklausel sollte aufgehoben werden. Da stimme ich zu.
Allerdings müsste das Wahlsystem in Deutschland umgestellt werden. Das Mehrheitswahlrecht sollte es ermöglichen eine Regierung mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen zu bilden.
Nicht nur die 15%=6,8 Millionen Stimmen sind verloren gegangen, sondern auch die 41,5% das sind demzufolge 18,8Millionen Stimmen der CDU/CSU, denn regiert werden wir zur Zeit durch die SPD, also von 25,7% das sind 11,7 Millionen Stimmen.
März 11, 2014 um 00:37 |
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