Der mit den Arabern leidet – Jürgen Todenhöfer und der Nahe Osten, Teil 2

Jürgen Todenhöfer (Bild: Hydro)

Jürgen Todenhöfer (Bild: Hydro)

Die zweite These von Todenhöfer.

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These 2: Angesichts der Kriegspolitik des Westens ist es nicht wirklich erstaunlich, dass muslimische Extremisten immer mehr Zulauf bekommen.

Der westliche Kolonialismus wütete in fast allen Teilen der Welt. Aber in den erdölreichen Staaten des Mittleren Ostens hat er bis heute nicht aufgehört. Das unterscheidet diese Region von anderen Regionen der Welt und macht sie zum Nährboden des Terrorismus.

Der Westen hat in den letzten 20 Jahren drei Mal im Nahen Osten interveniert, zwei Mal im Irak (1991, 2003) und in Afghanistan (2001). Die Fakten besagen jedoch, dass es Terrorismus schon lange zuvor gegeben hat, als die US Army noch keinen Fuß in diese Region gesetzt hatte. Vor dem 11. September hatte es gerademal eine militärische Intervention im Nahen Osten gegeben: Den Zweiten Golfkrieg 1991. Todenhöfer vergisst außerdem zu erwähnen, dass der Nahe Osten im Vergleich zu anderen Regionen, mit Ausnahme Ostafrikas, die mit Abstand kriegerischste Region der Welt ist und militärische Interventionen des Auslands in diesen Regionen deshalb nicht so verwunderlich sind. Die Amerikaner haben auch nicht nur im Nahen Osten interveniert, sondern in den 1990ern z.B. in Bosnien und Somalia, um die (hauptsächlich muslimische) Bevölkerung vor Massakern zu bewahren. Für Todenhöfer war aber auch das imperialistischer Kolonialismus.

Auch stelle ich mir die Frage: Warum macht es die Menschen in dieser Region proportional gesehen so viel wütender, wenn Nicht-Muslime Muslime töten, als wenn Muslime sich gegenseitig töten? Die 1 Million Opfer der Saddam-Diktatur waren kein Nährboden für den Terrorismus, aber der Sturz Saddams war es? Was ist der eigentliche „Nährboden“ für den Terrorismus? Könnte es nicht sein, dass die ständige Hetze in den muslimischen Medien und in Schulen und Moscheen einen Beitrag dazu haben? Könnte der radikale Hass auf den Westen im Nahen Osten nicht auch was damit zu haben, Herr Todenhöfer?

Terrorismus ist kein muslimisches, sondern ein weltweites Phänomen. Es gab ihn zu allen Zeiten und unter allen Vorzeichen. Neben arabischen Terroristen, die jüdische Siedler ermordeten, gab es auch „zionistische Terrororganisationen“ wie die „Irgun“ Menachem Begins und die sich selbst als terroristisch bezeichnenden „Kämpfer für die Freiheit Israels“ Jitzchak Schamirs. Sie kämpften mit terroristischen Mitteln gegen Briten und Araber für ein freies Israel – auch gegen Zivilisten.

Einer der bekanntesten Sätze der aktuellen Terrorismusdiskussion lautet: „Nicht alle Muslime sind Terroristen, aber alle Terroristen sind Muslime“. Er ist schlicht falsch. Bis zum 11. September 2001 galten die „tamilischen Befreiungstiger“ aus Sri Lanka unstreitig als tödlichste Terrororganisation der Welt. Sie ermordeten Tausende unschuldiger Zivilisten. Sie professionalisierten den Selbstmordterrorismus bis zur Perfektion und wurden weltweit bis ins Detail kopiert, vor allem im Mittleren Osten. Sie bomben und morden auch heute noch. Sie sind Hindus, keine Muslime. Und sie töten keine Westler. Über ihre Anschläge wird daher nur in Kurzmeldungen berichtet.

36 der 48 von der EU 2006 offiziell als terroristisch eingestuften Organisationen haben mit dem Islam nichts zu tun. Diese „antiimperialistischen“, „antikapitalistischen“, „antiindischen“ oder „antisinghalesischen“ Terrororganisationen haben in Lateinamerika, Asien und Schwarzafrika unzählige Zivilpersonen auf dem Gewissen. Im öffentlichen Bewusstsein des Westens spielen sie keine Rolle. Weil sie keine Menschen unseres Kulturkreises töten.

Jawohl! Todenhöfer hat es geschafft! Endlich wissen wir es: Nicht nur Muslime können Terror machen, nein, auch die Juden, Tamilen, Lateinamerikaner, Kommunisten und militante Tierschützer können’s! Genauso wie bei Ehrenmorden – die gibt’s ja bekanntlich auch in Spanien, Italien und Lateinamerika, wie es die Islamversteher immer wieder gebetsmühlenartig wiederholen.

Allerdings: Obwohl der Terrorismus ein weltweites Phänomen ist, ist er aktuell ein hauptsächlich islamisches Problem. Die Behauptung, dass es mehr nicht-islamische Terrororganisationen gibt als islamische, ist an den Haaren herbeigezogen. Ein bisschen Recherchearbeit ergibt, dass 81 von den 134 Terrororganisationen, die von den USA, der EU, Großbritannien, Kanada, Russland, Australien und Indien als solche eingestuft werden, islamische Organisationen sind.

Interessant wäre es auch, nachzuforschen, wie viele Tote der islamistische Terror im Vergleich zu den anderen Gruppen fordert. Durch islamistischen Terror sterben jährlich 9.000 Menschen. Wie viele werden durch tamilische, lateinamerikanische oder kommunistische Terrororganisationen getötet? Es sind auch nicht nur Terrororganisationen, die im Nahen Osten für Schrecken sorgen, sondern auch die Regierungen. al-Qaida ist ein großes Problem, aber bei weitem nicht das einzige im Nahen Osten.

Im Mittleren Osten traten nach dem offiziellen Ende der Kolonialzeit an die Stelle der Kolonialmächte häufig finanziell und militärisch abhängige Marionettenregierungen, Schachfiguren im geopolitischen Spiel der westlichen Großmächte. Wer nicht mitspielte, wurde belehrt, dass es ein Selbstbestimmungsrecht der Völker nur dort gibt, wo dies westlichen Interessen nicht widerspricht. Freiheit hieß nie Freiheit von uns. Man kann dies in Erinnerung an den 1951 demokratisch gewählten und zwei Jahre später von der CIA und den Briten gestürzten iranischen Ministerpräsidenten Mohammad Mossadegh das „Mossadegh’sche Gesetz“ nennen. Wer diesem Gesetz zuwiderhandelt, wird weggeputscht oder im Rahmen einer intensiven Medienkampagne zum „Schurken“ umtituliert. Die mediale Produktion von Bösewichten ist eine Spezialität westlicher Außenpolitik. Wie das Beispiel Gaddafi zeigt, kann die Ernennung zum „Schurken“ auch jederzeit rückgängig gemacht werden.

Selbst der vom „Partner“ zum „Schurken“ umbenannte Saddam Hussein könnte noch heute ungehindert schalten und walten, wenn er Partner der USA geblieben wäre. Das Massaker von Dujail mit 148 Toten, für das er hingerichtet wurde, fand 1982 statt. Saddam war damals für die USA einer der wichtigsten Akteure im Mittleren Osten und führte mit westlicher Unterstützung Krieg gegen den Iran Khomeinis. Donald Rumsfeld besuchte Saddam ein Jahr später, 1983, als Sonderbeauftragter des amerikanischen Präsidenten, obwohl er über Dujail genau informiert war. Saddam war schließlich unser antiislamistischer Kampfgenosse, den Deutschland mit Komponenten für chemische Waffen, Frankreich mit Kampfflugzeugen und die USA mit Satellitendaten über iranische Stellungen versorgten. Dem Westen ging es im Nahen und Mittleren Osten nie um Menschenrechte und Demokratie. Er kämpfte und kämpft ums Öl.

Die sogenannte „Realpolitik“ finde auch ich oft falsch (z.B. der Umgang mit Gaddafi nach dem Skandal mit den bulgarischen Krankenschwestern 2004). Aber das ausgerechnet Todenhöfer das kritisiert, finde ich ein Unding. Denn das zeigt: Für ihn (und all seine Gutmenschen-Kollegen) hat der Westen immer nur die Wahl zwischen falsch und verkehrt. Das Beispiel Irak eignet sich dafür gut:

Der Irak wurde während des ersten Golfkriegs gegen den Iran vom Westen als der „bessere“ Feind angesehen, aber es gab niemals eine wirklich „freundschaftliche“ Beziehung zwischen ihnen. Der Irak wurde von der UdSSR aufgerüstet, nicht von den USA. Dennoch war es für Todenhöfer falsch, den Irak gewähren zu lassen. Als man dann jedoch 1991 gegen Saddam in den Krieg zog, war es auch falsch – weil Krieg ja niemals eine Lösung ist und wir durch unsere interventionistische Politik den Terroristen Zulauf bitten. Als man sich dann wieder zurückzog und den Irak mit Sanktionen belegte, war es auch falsch, weil die Zivilbevölkerung darunter litt und die Terroristen natürlich wieder Zulauf bekamen.

Im Klartext: Alles, was der Westen tun kann, ist falsch. Wenn man sich mit diesen Tyrannen anfreundet oder einfach nichts tut (wie bei den Saudis und Mubarak) ist es falsch, weil man hilft, die einheimische Bevölkerung zu unterdrücken, wenn man sie mit Sanktionen belegt oder international isoliert (wie beim Iran), ist es falsch, weil die einheimische Bevölkerung darunter leidet, und wenn man sie auf militärischen Wege ausschaltet (wie in Afghanistan oder im Irak), ist es kolonialistisch-imperialistische Einmischung, nur wegen Öl und gibt natürlich den Terroristen immer mehr Zulauf.

Was soll man also tun, Herr Todenhöfer? Als Saddam 1982 in Dujail 148 Menschen tötete, was hätte der Westen tun können? Hätte man den Irak angreifen sollen? Ihn mit Sanktionen belegen? Beides wäre doch falsch gewesen. Man tat nichts – und das war für sie auch falsch. Also sind die Amerikaner schuldig für dieses Massaker. Das ist die Welt von Todenhöfer: An allem, wirklich allem Übel der Welt ist der Westen Schuld und niemals, wirklich niemals, sind die Muslime selber schuld, wenn sie sich gegenseitig umbringen.

Die zynische Entmenschlichung im Namen der Menschenrechte, an die die blutigen Bilder aus dem Irak, Afghanistan und anderen muslimischen Ländern jeden Tag erinnern, hat sich tief in das kulturelle Gedächtnis der Muslime eingebrannt. Samuel Huntington hat zumindest mit einer Aussage recht: „Der Westen hat die Welt nicht durch die Überlegenheit seiner Ideen, seiner Werte oder seiner Religion erobert, sondern durch seine Überlegenheit beim Anwenden organisierter Gewalt. Westler vergessen diese Tatsache oft, Nicht-Westler nie.“ Wie soll die muslimische Welt an unsere Werte Menschenwürde, Rechtsstaat und Demokratie glauben, wenn sie von uns nur Unterdrückung, Erniedrigung und Ausbeutung erlebt? Ist es wirklich erstaunlich, dass Extremisten immer mehr Zulauf bekommen? Dass einige Menschen irgendwann zurückschlagen, wenn ihre Familien wieder und wieder von unseren Vernichtungsmaschinen niedergewalzt werden? Niemand kommt als Terrorist auf die Welt.

Wieso bekommen Extremisten immer mehr Zulauf, wenn Muslime die blutigen Bilder aus dem Irak, Afghanistan und „anderen muslimischen Ländern“ sehen? Es sind doch die Extremisten selbst, die für diese Blutbäder sorgen!

Und ist es unmöglich anzuerkennen, dass die Erfindung von Buchdruck, Dampfmachine, Eisenbahn, Auto, Flugzeug, Telegraf und Telefon auch einen Beitrag zur dominanten Rolle des Westens in der Welt beitrug, und nicht nur organisierte Gewalt? (wenn es aber um das goldene Zeitalter des Islams geht – Andalusien, 12. Jahrhundert – sieht Todenhöfer nur die wissenschaftlichen und kulturellen Errungenschaften und blendet die organisierte Gewalt aus).

Trotz allem sind die Liebenswürdigkeit und Gastfreundschaft, die westlichen Besuchern in orientalischen Ländern noch immer entgegengebracht werden, überwältigend. Ohne Probleme kann man nicht nur im säkularen Syrien, sondern auch im theokratischen Iran religiöse Stätten besichtigen –Kirchen, Synagogen und Moscheen. Die meisten Muslime haben mehr Respekt vor Judentum und Christentum als wir selbst. Trotz Ablehnung der US-Außenpolitik bewundern sie den Westen in vielem. Junge Muslime tragen mit Vorliebe (imitierte) westliche Turnschuhe, Jeans und T-Shirts. Sie wären unter Beibehaltung ihres Glaubens in vielen Dingen gerne wie wir – frei, modern und auf ihre Weise demokratisch. Sie würden auch Amerika gerne lieben, wenn es dieses Amerika, einst der Hoffnungsträger der Unterdrückten der Welt, ohne seine blutige Außenpolitik gäbe.

Die muslimische Welt ist ganz anders, als sie von westlichen TV-Medien dargestellt wird, wenn diese uns selbstproduzierte Zerrbilder eines gegen den Westen randalierenden Mobs präsentieren. Im September 2001 zeigten viele TV-Sender nach den Anschlägen auf das World Trade Center jubelnde palästinensische Kinder. Doch die Bilder waren gestellt. Nach Berichten der israelischen Tageszeitung Haaretz hatte man den Kindern Süßigkeiten geschenkt, damit sie vor den Kameras jubelten. Antiwestliche Demonstrationen finden in der arabischen Welt in der Regel nur dann statt, wenn ihre “Spontaneität“ in Zusammenarbeit mit westlichen Fernsehsendern präzise organisiert und inszeniert wird. Sobald die Kameras abgeschaltet sind, werden die „TV-Demonstranten“ in denselben Lastwagen, in denen sie angekarrt wurden, mit einem „Bakschisch“ wieder nach Hause transportiert.

Und jetzt kommt’s…:

Anders als bei uns gibt es in der muslimischen Welt das Phänomen „Fremdenfeindlichkeit“ überhaupt nicht. Wir sind diesen Ländern wirtschaftlich und technisch weit überlegen – aber nicht menschlich. In Sachen Nächstenliebe, Familiensinn und Gastfreundschaft könnten wir viel von den Muslimen lernen.

Ok, fangen wir von vorne an.

Die „Gastfreundschaft“, von der Todenhöfer hier spricht, gehört mal wieder in die Kategorie „Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt“. Nicht nur, dass ständig Westler in dieser Region entführt und getötet werden, auch die vermeintliche religiöse Toleranz, die er hier anpreist, ist eine groteske Verkehrung der Wahrheit. Christliche Minderheiten werden im Nahen Osten furchtbar diskriminiert:

Am schlimmsten ist es in Saudi-Arabien, wo es nicht mal erlaubt ist, eine Bibel zu besitzen oder eine Kirche zu bauen. Im Irak sind seit Beginn der Besatzung im Jahre 2003 mehr als die Hälfte der Christen ausgewandert, da sie immer öfter zum Ziel von terroristischen Anschlägen werden. In Ägypten häufen sich Fälle von Entführungen und Zwangsverheiratungen von jungen Christinnen, in den letzten Wochen seit dem Sturz des Präsidenten Mubaraks gab es auch öfters Anschläge auf Christen. In Nigeria sind Massaker an Christen seit Jahren nichts Besonderes mehr. In der Heimatstadt Jesu, Bethlehem, ist der christliche Bevölkerungsanteil in den letzten 20 Jahren von 60% auf 15% gesunken, die meisten Christen sind geflohen, da sie die Diskriminierungen seitens der palästinensischen Muslime nicht mehr ertragen konnten. In der Türkei werden Christen juristisch benachteiligt, es gab in den letzten Jahren einige Morde an katholischen Priestern. In Pakistan gab es ebenfalls Anschläge auf Kirchen, die christliche Bevölkerung muss außerdem aufgrund eines „Blasphemiegesetzes“ fürchten, wegen geäußerter Kritik am Islam mit dem Tode bestraft zu werden. Und: In so gut wie keinem muslimischen Land ist es erlaubt, Missionierung zu betreiben oder zu einer anderen Religion zu konvertieren. Das ist die Realität, die Todenhöfer so oft und gerne verzerrt.

Die angeblich „selbstproduzierten“ Bilder, die feiernde Palästinenser nach dem 11. September zeigen, sind vollkommen real. Vielfach wurde behauptet, die Palästinenser hätten nur gefeiert, weil Süßigkeiten verteilt worden wären. Dies stimmt auch zum Teil – es wurden Süßigkeiten verteilt, um die Anschläge zu feiern, siehe hier (um 0:05):

„This is a sweet from Osama bin Laden“ heißt es dann auch noch.

Ein anderes Video:

Palästinenser feierten nicht nur in Palästina selbst, es kam sogar zu Verhaftungen in Kuwait, weil die Palästinenser dort ebenfalls Süßigkeiten verteilten, um die Anschläge zu feiern. Eine Umfrage kurze Zeit nach den Anschlägen ergab, dass 78% der Gazaner die Anschläge guthießen.

Eine Frage drängt sich auf: Sind brennende US-Flaggen auch alle „selbstproduziert“? Todenhöfer lebt in einer Welt, in der sowas offenbar unmöglich ist. Deswegen ist für ihn jede einzelne Hass-Demonstration gegen den Westen „selbstproduziert“, von der CIA und dem Mossad, denen er sowas natürlich zutraut. Die 150 Toten nach den Demonstrationen gegen die Mohamed-Karikaturen, die Gewalt nach der Rede des Papstes in Regensburg oder der Fatwa für Salman Rushdie – für ihn alles nur eine CIA/Mossad-Verschwörung.

Diese Herzlichkeit aber kann, wie im Irak, in rasende Wut umschlagen, wenn der Westen die Rechte der Muslime wieder einmal hohnlachend mit Füßen tritt. Jean-Paul Sartre hat diese selbstzerstörerische Verzweiflung schon 1961 während des Freiheitskrieges der Algerier beschrieben:„Die zurückgehaltene Wut dreht sich im Kreis und richtet unter den Unterdrückten selbst Verheerungen an. Um sich von ihr zu befreien, schlachten sie sich untereinander ab. Die Stämme kämpfen gegeneinander, weil sie den eigentlichen Feind nicht angreifen können – und man kann sich darauf verlassen, dass die Kolonialpolitik ihre Rivalitäten schüren wird. Die Sturmflut der Gewalt reißt alle Schranken nieder. Das ist der Moment des Bumerangs. Die Gewalt schlägt auf uns zurück, und wir verstehen so wenig wie früher, dass es unsere eigene Gewalt ist.“

WTF? Die Iraker töten sich also gegenseitig, weil sie den „eigentlichen Feind“ nicht angreifen können? Was würde denn wohl, rein theoretisch, passieren, wenn die Iraker damit aufhören würden, sich gegenseitig umzubringen? Gäbe es dann „noch mehr Chaos“? Zumindest gibt Todenhöfer aber zu, dass im Irak die meisten Menschen von ihren eigenen Leuten umgebracht werden und nicht, wie es in seiner ersten These steht, von den amerikanischen Besatzungstruppen.

(Sein Lieblingsphilosoph, Sartre, war übrigens bekannt dafür, mit linken Terrororganisationen wie der RAF oder den „Revolutionären Zellen“, dem maoistischen China sowie Fidel Castro zu sympathisieren. Nur so als Randinformation.)

Die „Koalition der Willigen“ hat den Irakern alles genommen, was ihnen die Chance gegeben hätte, sich so „edel, hilfreich und gut“ zu verhalten, wie wir uns gerne selbst sehen. Sie hat alle Strukturen ihres Staates zertrümmert, sie hat ihre Würde, ihren Stolz in den Staub getreten. Sie hat die Iraker systematisch gegeneinander aufgehetzt. Was ist das für eine Scheinheiligkeit, mit der sich der Westen nun „wundert“, dass diese Strategie tatsächlich funktioniert und dass die Verzweiflung der Iraker manchmal in Selbstvernichtung umschlägt?

Das mit rassistischem Ekel ausgesprochene „Bei uns würde so etwas nie passieren“ fällt in sich zusammen, wenn man daran erinnert, dass 1977 in New York schon ein Stromausfall und 2005 in New Orleans ein Hurrikan genügten, um massenhafte Plünderungen, Mord und Totschlag auszulösen. Homo homini lupus – der Mensch ist dem Menschen ein Wolf (Thomas Hobbes). Das gilt nicht nur für Muslime, sondern auch für Juden und Christen.

„Systematisch gegeneinander aufgehetzt“? Tja, das ist Todenhöfer. Er glaubt wahrscheinlich, dass die Amerikaner unter den Sunniten Flugblätter verteilten, um sie gegen Schiiten aufzuhetzen und andersrum. Niemals könnten die Sunniten und Schiiten selbst schuld sein, dass sie sich gegenseitig umbringen. Der Vergleich zwischen Bagdad und New Orleans ist ziemlich „todenhöfesque“, da fällt mir echt nichts mehr dazu ein, außer vielleicht, dass es in Bagdad mit einem Hurrikan wohl besser ergangen wäre als mit ihren „Widerstandskämpfern“.

Teil 3 folgt bald …

3 Antworten to “Der mit den Arabern leidet – Jürgen Todenhöfer und der Nahe Osten, Teil 2”

  1. jeanfairtique Says:

    Schön, dass du dir soviel Mühe machst.
    Aber leider, so denke ich, ist mittlerweile bei dem Herrn Hopfen und Malz verloren. Seine Sprüche abstrus, seine Zitate oft aus dem Zusammenhang gerissen und dann auch noch unvollständig.
    Seine Einschätzungen offensichtlich nur noch vom „Weltfrieden“ auf Grund einer ausgeprägten Alterssenilität geprägt.
    Tut mir leid.
    Aber SO wird das nix, mit der Glorifizierung des Islam…

    • arprin Says:

      Aber leider, so denke ich, ist mittlerweile bei dem Herrn Hopfen und Malz verloren.

      Ja, sehe ich auch so. Trotzdem kann man seine Aussagen widerlegen, damit sie nicht unkommentiert stehen bleiben.

  2. Meldungen vom 16. Juni 2016 - Opposition 24 Says:

    […] Der mit den Arabern leidet – Jürgen Todenhöfer und der Nahe Osten, Teil 2 […]

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